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Fehlerfestival im Dauerregen: Dynamo zittert sich zum Sieg in München

Dynamo Dresden ist bei 1860 München die bessere Mannschaft, macht aus der Überlegenheit aber zu wenig und kassiert Gegentore nach Fehlern - die Analyse zum 3:2 mit Reaktionen.

Von Daniel Klein
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Am Ende jubelten die Dresdner mit Tony Menzel,  Robin Meißner und Christoph Daferner (v.l.) in München.
Am Ende jubelten die Dresdner mit Tony Menzel, Robin Meißner und Christoph Daferner (v.l.) in München. © Bildagentur kolbert-press

München. Es war kein Spiel für Sonnanbeter und auch keins für Herzrhythmusgestörte: Im Dauerregen von München rettete Dynamo in der Verlängerung einen 3:2-Vorsprung über die Zeit. Dabei halfen der Pfosten und zwei Mal Tony Menzel auf der Linie. Der 19-Jährige war der überragende Spieler auf dem Platz beim Zittersieg gegen 1860. "Das Ding hätten wir auch ruhiger nach Hause fahren können", fasste Dynamo-Trainer Thomas Stamm die 90 Minuten treffend zusammen. "Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen."

Warum musste Dynamo am Ende noch zittern?

Diese Frage stellten sich viele. Denn über fast die gesamte Spielzeit waren die Dresdner die dominierende Mannschaft, hatten alles im Griff - das Spiel, den Gegner und auch den trotz des Regens und des Spiels am Vorabend erstaunlich gut bespielbaren Rasen im Städtischen Stadion an der Grünwalder Straße. Rutschig und tief war der Untergrund trotzdem, als Ausrede für die Aussetzer, mit denen die Schwarz-Gelben die in allen Belangen unterlegenen Münchner ausgerechnet dann ins Spiel zurückholten, als alles auf einen Sieg hindeutete, konnte der aber nicht herhalten.

Fünf Minuten vor der Pause wollte sich die Dresdner Defensive bei einer 1:0-Führung spielerisch aus der Umklammerung am eigenen Strafraum lösen. Torwart Tim Schreiber und die Defensivkräfte Lars Bünning und Philip Heise ließen den Ball trotz Bedrängnis zirkulieren, für einen Befreiungsschlag entschied sich niemand. Als Heise schließlich den Fuß eines Gegenspielers traf, rollte der Ball zu Tunay Deniz, der direkt ins verwaiste Tor zum überraschenden 1:1-Ausgleich traf.

"Es war über weite Strecken ein sehr gutes und dominantes Spiel von uns. Wir müssen nach der ersten Halbzeit schon höher führen, schenken dann aber dem Gegner das Tor", analysierte Stamm.

Ähnlich unnötig fiel der Anschlusstreffer zum 2:3, der beinahe nicht den Endstand markiert hätte. Nach einem langen und genauen Pass auf den eingewechselten 1860-Stürmer Patrick Hobsch lief Schreiber aus dem Tor, konnte den Münchner aber nicht bremsen. Dessen Eingabe verpasste der Keeper erneut knapp, Julian Guttau legte sich den Ball nur noch auf den anderen Fuß und schoss ins leere Tor (71.). Der Treffer läutete eine Schlussphase ein, die aus Dresdner Sicht unnötig turbulent war.

Warum überragte Tony Menzel alle anderen Spieler?

Das 19-jährige Talent wird die Münchner wohl noch im Schlaf verfolgen. An fast allen - aus Löwen-Sicht - frustrierenden Szenen war der Mittelfeldspieler beteiligt. Nach 29 Minuten stand er richtig, als Oliver Batista Meier eine wohl als Abschluss gedachte Vorlage über die Linie drückte. Dabei reagierte Menzel schneller als Gegenspieler und Ex-Dynamo Leroy Kwadwo, der zudem noch einen kleinen Schubser bekam. Der Schiri-Assistent ließ die Fahne unten, dass es kein Abseits war, konnte man in Echtzeit nur schwer erkennen.

Einfacher war der Treffer zum zwischenzeitlichen 3:1. Die Münchner legten nach einem abgefangenen Dresdner Angriff einen Tiefschlaf ein. Gleich drei Sechsziger schoben sich die Verantwortung gegenseitig zu, Niklas Hauptmann nutzte das aus, spritzte dazwischen, legte den Ball quer rüber auf Menzel, der nur noch seinen Fuß hinhalten musste (68.). "Er hat eine gute Entwicklung genommen, arbeitet fleißig, ist bodenständig. Wenn er so weitermacht, sind wir zufrieden", lobte Stamm den Spieler des Tages.

Endgültig zum spielentscheidenden Akteur wurde der gebürtige Dresdner, der noch für keinen anderen Verein als Dynamo gespielt hat, in der dramatischen Nachspielzeit. Erst stand bei einem Kopfball von Hobsch der Pfosten im Weg - und dann gleich zwei Mal Menzel. Zunächst rettete er gegen Soichiro Kozuki auf der Linie, dann gegen den nach vorne gestürmten Torwart René Vollath. "Die letzten fünf Minuten waren vielleicht die verrücktesten, die ich in meiner Karriere je hatte", sagte Heise.

Hätte das Spiel eher entschieden sein müssen?

Unbedingt. Die Dresdner scheiterten an sich selbst, weil aus der Überlegenheit zu wenige Chancen heraussprangen. Neben den selbstverursachten Gegentreffern ist das der zweite Punkt, den sich die Schwarz-Gelben ankreiden müssen. Dabei fiel überhaupt nicht auf, dass mit Vinko Sapina ein Leistungsträger der vergangenen Wochen kurz vor dem Spiel wegen muskulärer Probleme kurzzeitig ausfiel.

Die wenigen Dresdner Möglichkeiten vor der Pause vergaben Christoph Daferner, der zu zentral abschloss (12.) und Robin Meißner, dessen leicht abgefälschter Schuss am Außennetz landete (28.). Gegen verunsicherte und spielerisch limitierte Münchner, die seit April kein Heimspiel mehr gewonnen haben und in der Tabelle auf Platz 19 liegen, hätten die Dresdner die Partie früher entscheiden müssen. Meißner machte es dann kurz nach der Pause besser. Erneut profitierten die Gäste dabei von einem Fehler der 1860-Defensive. Kwadwo köpfte den Ball in die Füße des Dynamo-Stürmers, der eiskalt zum 2:1 abschloss (51.).

Der nach seiner Gelb-Rot-Sperre erst kurz vor dem Ende eingewechselte Kapitän Stefan Kutschke hätte beinahe des Tor des Tages erzielt. Nach einer Balleroberung im Mittelkreis schaute er kurz auf und sah, dass Vollath weit vor seinem Tor stand. Doch Kutschkes Schuss aus 50 Metern kratzte der Keeper nach einem Rückwärtssprint gerade noch über die Latte. "Wir haben uns das Leben schwer gemacht, weil wir nicht konsequenter nach vorne gespielt haben. Schon in der ersten Halbzeit hätten wir zwei Tore machen müssen", fand Heise.

Warum kam es zu einer halbstündigen Verspätung?

Schuld war nicht der Dauerregen, sondern eine Unstimmigkeit am Einlass des Sechziger-Fanblocks. Nach übereinstimmenden Medienberichten wollten die Anhänger ein Plakat ins Stadion tragen, auf dem der Löwen-Investor Hasan Ismaik kritisiert werden sollte. Das versuchte der Verein zu verhindern - und war damit am Ende offensichtlich auch erfolgreich. Das führte jedoch dazu, dass die Partie erst eine halbe Stunde später angepfiffen werden konnte. Leidtragende waren vor allem die 1.500 Dynamo-Fans im gegenüberliegenden Gästeblock - auch der hat im Giesinger Stadion kein Dach.

Weshalb ist der Schiedsrichter bundesweit bekannt?

Nicolas Winter leitete die Partie - unauffällig und souverän. Der Name des 32-Jährige aus Hagenbach in Rheinland-Pfalz ging in den vergangenen Tagen bundesweit durch ddie Medien. Im April 2023 hatte er bei der Drittliga-Partie zwischen dem FSV Zwickau und Rot-Weiss Essen zur Halbzeit beim Gang in die Kabine einen einen gefüllten Bierbecher abbekommen und die Partie abgebrochen. Der FSV verlor das Spiel vorm Sportgericht. In einem Zivilprozess verklagte der Unparteiische nun den Becherwerfer, der aus dem Landkreis Zwickau kommt, auf 25.000 Euro Schmerzensgeld. Die Begründung: „Er sei durch die Tat in besonderem Maße öffentlich verunglimpft worden", so eine Gerichts-Sprecherin des Landgerichts Zwickau.

Der Liveticker hier zum Nachlesen
Die Dynamo-Spieler in der Einzelkritik