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Deutscher Viertelfinal-Gegner: Was Spanien so stark macht – und wo Schwächen zu finden sind

Deutschland bekommt es am Freitag im EM-Viertelfinale mit Spanien zu tun. Für deren Trainer klingt die Begegnung bereits nach Endspiel. Dennoch sind die Spanier zurecht selbstbewusst. Eine Analyse.

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Spaniens Dani Olmo jubelt nach seinem Tor zum 4:1 mit Mikel Merino (l) und Nico Williams.
Spaniens Dani Olmo jubelt nach seinem Tor zum 4:1 mit Mikel Merino (l) und Nico Williams. © Rolf Vennenbernd/dpa

Von Thomas Gassmann

Am Sonntagabend, kurz vor 23 Uhr, war das georgische EM-Märchen beendet. Die tapferen Spieler aus dem Kaukasus versammelten sich noch einmal vor ihren Anhängern, dann donnerte ein gewaltiges „Húh!“ durch die verregnete Kölner Arena. Die Profis des Weltranglisten-75. verneigten sich noch vor ihrem Anhang, dann war das aufregende Abenteuer des kleinen Landes mit ihren 4,7 Millionen Einwohnern beendet.

Dass die Mannschaft des ehemaligen Münchner Profis Willy Sagnol gegen Spanien bei der 1:4-Niederlage chancenlos war – geschenkt. Unglaublich „stolz“ sei er auf seine Spieler, sagte der georgische Trainer und lächelte: „Wir sind glücklich über das, was wir in den letzten Wochen geleistet haben. Jetzt ist die aufregende Reise beendet.“

Für Spanien dagegen haben die Festspiele nun erst richtig begonnen. Schließlich trifft der dreimalige Europameister am kommenden Freitag im Viertelfinale in Stuttgart um 18 Uhr auf das deutsche Team. Es wird ein Duell der Fußball-Großmächte, ein Showdown der aktuell besten Teams. Viele profunde Beobachter sprechen bereits von einem vorgezogenen Endspiel. Trainer Luis de la Fuente sagte wie selbstverständlich: „Wir sind jetzt unter den besten acht Mannschaften Europas und hoffen, dass wir drei weitere Spiele spielen. Deutschland ist ein großartiger Rivale, dem wir gegenüberstehen. Es fühlt sich bereits so an wie ein Finale.“

Ballbesitzfußball mit Offensivdrang

Den Nachweis, dass sie der Topfavorit auf den Titel sind, lieferte „La Roja“ auch gegen Georgien ab. Die Zahlen, die das belegen, dürften auch bei den Analysten im deutschen Lager in den Datenbanken aufgeploppt sein und mindesten für großen Respekt gesorgt haben. Fast 80 Prozent Ballbesitz verbuchten die Spanier, 33 Schüssen wurden auf das georgische Tor abgefeuert (Turnierrekord), die Passquote lag dabei bei 94 Prozent. „Es hätte auch ein 8:1 werden können“, sagte de la Fuente.

Nun also Deutschland. Der Gastgeber. Natürlich ein anderes Kaliber als Georgien. Aber das scheint die Spanier wenig bis gar nicht zu stören. Das Selbstverständnis nach vier Siegen in vier Partien scheint enorm bis grenzenlos zu sein. Weil Rodri, die Seele und das Herz des spanischen Spiels, in blendender Verfassung ist. Sein Trainer sagt, er sei die „Achse von allem“. Gegen Georgien erzielte der 28-Jährige nicht nur den Ausgleich, die Passmaschine von Manchester City wurde sogar zum besten Spieler des Abends gewählt. Mit dem erst 16 Jahre alten Wunderknaben Lamine Yamal vom FC Barcelona und dem 21-jährigen Nico Williams (Athletic Bilbao), dem gegen die Georgier ein Traumtor zum 3:1 gelang, besitzen die Spanier eine schnelle und trickreiche Flügelzange, die nicht nur jung und hochbegabt ist, sondern zum Besten auf dem Planeten gehören dürfte. Und über den Rest der Truppe um Kapitän Daniel Carvajal, der gerade mit Real Madrid die Champions League gewann, braucht man kaum Worte zu verlieren, vielleicht nur diese: erste Fußball-Sahne.

Man ist sich im Lager der Spanier der eigenen Stärke auch durchaus bewusst. „Deutschland zu Hause wird natürlich sehr stark sein“, sagt Rodri, um dann dieses mitzuteilen: „Aber sie werden auch ein bisschen Angst vor uns haben. Sie haben Waffen, aber auch wir haben unsere Waffen. Freitag werden wir rausgehen und einfach nur gewinnen wollen.“

Sein Trainer will sogar wissen, dass „wir großartig sein können“. Aber er ist klug genug, um hinzuzufügen, dass das nicht automatisch bedeuten würde, dass man nun jeden Gegner in Grund und Boden spielen würde. Denn: „Wir treten gegen eine Fußballmacht an. Wir haben die besten Spieler und die beste Mannschaft der Welt. Aber das heißt nicht, dass wir gegen Deutschland auch gewinnen werden. Aber wir werden dafür kämpfen.“ Für ihn steht fest: „Das nächste Spiel könnte auch das Finale sein.“

Spanien hat auch (kleine) Schwächen

Nun, die Spanier mögen derzeit den nahezu perfekten Fußball zelebrieren, aber ein paar Mängel gibt es auch. Da ist vor allem die Chancenverwertung. Bereits beim Sieg gegen Italien konnten sie ihre drückende Überlegenheit nicht in einen klaren Sieg ummünzen. 20-mal schossen sie auf das Tor des bereits ausgeschiedenen Titelverteidigers, heraus sprang lediglich ein Treffer. Daraus kann man schließen, dass dem spanischen Team vor dem Tor die Effizienz und Kaltschnäuzigkeit fehlt. Und einen echten kernigen Torjäger der Marke Niclas Füllkrug gibt es im gesamten spanischen Kader nicht.

Auffällig außerdem: Schnelle Tempogegenstöße können schmerzhaft sein. Genau mit diesem Stilmittel versuchten die Georgier, für die große Überraschung zu sorgen. Das gelang ihnen immer mal wieder, und nach dem Gegentreffer in Minute 18 wirkte der Fußball-Goliath tatsächlich auch nachdenklich. „Der Gegentreffer hat gewisse Zweifel bei uns aufkommen lassen“, gab Rodri zu, um anschließend die Mentalität seiner Kollegen hervorzuheben: „Die Mannschaft hat dann aber Charakter und Reife gezeigt. Der Treffer vor der Halbzeit hat uns den kühlen Kopf zurückgebracht.“

Luis de la Fuente glaubt, dass es nun in Stuttgart zu einem Duell auf „Augenhöhe“ kommen werde. Weil die deutsche Mannschaft „gut organisiert“ sei, weil sie „hungrig“ sei, ein „fantastisches Team“ hätten und dort einige der „besten Spieler der Welt“ seien. In diesem Achtelfinale würden Nuancen darüber entscheiden, wer weiter träumen darf vom Titel. Das könnte ein Versprechen darauf sein, dass das Duell Deutschland gegen Spanien ein wunderbares Fußballfest werden könnte.