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Sport

Wie die Sächsische Zeitung über die Erstbesteigung des Nanga Parbat berichtete

Der Nanga-Parbat-Erstbesteiger Hermann Buhl erzählt auch in Dresden von seinen Heldentaten. Und die SZ berichtet ausführlich über den tollkühnen Bergsteiger.

Von Jochen Mayer
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Der Nanga Parbat galt 1953, im Jahr der Erstbesteigung, als der am leidvollsten umkämpften Achttausender-Gipfel weltweit.
Der Nanga Parbat galt 1953, im Jahr der Erstbesteigung, als der am leidvollsten umkämpften Achttausender-Gipfel weltweit. © Markus Walter

Dresden. Die Erstbesteigung des Nanga Parbat war ein Welt-Ereignis. Hermann Buhl hatte das bis dahin Unmögliche geschafft, eine weitere Grenze des Menschenmöglichen durchbrochen. Das bewegte in Ost und West die Gemüter, wie der Innsbrucker vor 70 Jahren die deutsch-österreichische Expedition mit der erstmaligen Besteigung des neunthöchsten Berges krönte.

Die Sächsische Zeitung widmete den beiden – nur einen guten Monat auseinanderliegenden – Erstbesteigungen des Mount Everest und Nanga Parbat am 1. August 1953 eine komplette Seite. Nicht alle Details stimmen dort mit den Fakten aus den später erschienenen Autobiografien überein. Die Nachrichten-Übermittlungen waren aber auch nicht vergleichbar mit den heutigen Möglichkeiten.

Die im SZ-Archiv gefundene Seite würdigt die Buhl-Besteigung mit großem Pathos und einem überraschenden Wir-Gefühl für ein geteiltes Land, was noch viele Gemeinsamkeiten hatte: „Der Sieg über den Nanga Parbat erfüllt uns mit Freude, weil er in echter Sportkameradschaft von deutschen und österreichischen Bergsteigern erkämpft wurde und weil er der Wissenschaft und dem menschlichen Wohle dient. Die stolzen Bezwinger des Nanga Parbat sind Helden, die unserer Jugend zum Vorbild dienen.“ Das klingt nach Kollektiv-Ruhm. Doch es war am Ende die Leistung eines Einzelnen, der das Unternehmen erfolgreich enden ließ.

Buhls Autobiografie wird ein Bestseller

Gut leben ließ sich von dieser Leidenschaft lange Zeit nicht. Nach der Rückkehr aus US-amerikanischer Kriegsgefangenschaft schlug sich Hermann Buhl mit Gelegenheitsarbeiten durch, nach Abschluss seiner Bergführer-Ausbildung auch als Tour-Leiter. Trotzdem ist er „fortwährend mit Überlebensfragen konfrontiert“, konstatiert das Buch „Hermann Buhl. Kompromisslos nach oben“, von „wirtschaftlicher Not“ ist die Rede.

Der aufstrebende Kletterer hatte im März 1951 die Bergsteigerin Eugenie „Generl“ Högerle aus Ramsau bei Berchtesgaden geheiratet. Im gleichen Jahr kam Tochter Kriemhild zur Welt. Der jungen Familie drohte jedoch eine Zwangsräumung der Innsbrucker Wohnung. „Die Buhls atmen erst wieder auf“, formuliert die Biografie, „als das bekannte Münchner Sporthaus Schuster den über Innsbruck hinaus bekannten Hermann Buhl als Bergsportartikelverkäufer und alpinen Berater einstellt. Das ist im Dezember 1952.“

Nach dem Alleingang am Nanga Parbat ging es der Familie wirtschaftlich besser, die Autobiografie „Achttausend drüber und drunter“ wurde ein Bestseller, VW stellte einen Käfer für ein Jahr zur Verfügung, eine Vortragstournee durch Europa füllte die Säle – auch in Dresden und Bad Schandau.

So berichtete die SZ am 1. August 1953 über die Erstbesteigung.
So berichtete die SZ am 1. August 1953 über die Erstbesteigung. © Repro: SZ-Bildstelle

Mehrfach wurden in der SZ die Auftritte angekündigt wie am 23. Februar 1954: „Hermann Buhl, München, der berühmte Bezwinger des Nanga Parbat, schildert in einem aktuellen Bericht seine Erlebnisse mit der Expedition bei der Gipfelbesteigung und zeigt die schönsten Farblichtbilder im Hygiene-Museum.“ Am 3. März dann die Rezension des Dresdner Auftrittes. Der Nanga Parbat, „der bis jetzt schon 31 Todesopfer gefordert hatte und der auch nach Hermann Buhl seine eisigen Finger ausgestreckt hatte, unterlag diesmal einem Menschen, dem das Glück, heldenhafter Mut und hohes alpines Können zur Seite standen“. Ihm sei es trotz unsäglicher Schwierigkeiten und übermenschlicher Strapazen, „dauernd dem sicheren Tod die Stirn bietend“, als ersten Menschen gelungen, die Gipfelfahne in den harten Firn des Eisriesen zu stoßen.

„Die vielen Hundert, die erschienen waren, lauschten andächtig dem kühnen Bezwinger des Nanga Parbat, der mit seinem bescheidenen Auftreten im Nu die Zuhörer gewann“, heißt es weiter. „Sein spannender Vortrag mit Lichtbildern, die die herrliche Bergwelt des Himalaja und die Schwierigkeiten der Bezwingung des Nanga Parbat zeigten, begeisterte die Zuhörer und ließ sie den Mut und die Unerschrockenheit der erfolgreichen deutsch-österreichischen Expedition erleben. Der Beifall, der dem Vortragenden am Schluss seiner Ausführungen zuteil wurde, galt seinem mitreißenden Vortrag ebenso wie seiner großen alpinistischen Leistung. Der bekannte Dresdner Bergsteigerchor Kurt Schlosser verschönte die gelungene Veranstaltung mit herrlichen Berg- und Heimatliedern.“

Was SZ-Leser an der Kinokasse erlebten

Auch der Kino-Film über die Nanga-Parbat-Besteigung fand sein Echo in der SZ – in Ankündigungen, Wochenend-Tipps und Leserzuschriften. Unter der Überschrift: „,Jugendfrei‘ nur für Erwachsene“ stand in der Ausgabe vom 27. April 1954 eine neun Druckzeilen lange Notiz von SZ-Leser Schubert: „Am Ostersonntag wollte ich mir mit meinem Bruder im Kulturhaus Hellerau den jugendfreien Film ,Nanga Parbat 1953‘ ansehen. Mir wurde von der Kollegin an der Kasse erklärt, dass sie nur noch Karten an Erwachsene verkaufe, da an Kinderkarten zu wenig verdient werde.“

Der Film fand aber auch ein Echo in der Zeitung, in dem gewürdigt wurde, dass einer „der größten und schönsten Berge der Welt nun doch seinen Bezwinger gefunden habe“, und „die Menschen um eine große olympische Tat reicher“ geworden wären. „Wir danken dem Progress-Film-Vertrieb und natürlich in erster Linie dem westdeutschen Kameramann und Expeditions-Teilnehmer Hans Ertl, dass wir jetzt Augenzeuge dieser großen Tat sein können. In herrlichen farbigen Bildern verfolgen wir den Weg der Expedition von Europa nach Asien bis weit auf den riesigen Gipfel des Nanga Parbat hinauf.“

Dann gibt es doch noch eine kritische Anmerkung: „Im letzten Stück allerdings, das Hermann Buhl unter kaum beschreibbaren Mühsalen ganz allein in stundenlangem Kampf bewältigte, vermochte Hans Ertl mit seiner Kamera nicht zu folgen. Die Aufnahmen, die Hermann Buhl auf dem Gipfel des Nanga Parbat und beim Abstieg zeigen, sind nachträglich gedreht. Der Film vermittelt im Allgemeinen einen anschaulichen Eindruck von dem Verlauf dieser schwierigen und erfolgreichen Expedition, wenn wir uns auch einige Bilder mehr über Land und Leute von Pakistan (…) gewünscht hätten.“

Sturz ins Bodenlose

Hermann Buhl gehörte zu den vier Alpinisten, die erstmals den 8.051 Meter hohen Broad Peak im Karakorum bestiegen. Zum Gipfel-Team gehörte Kurt Diemberger. Mit ihm verband Buhl eine Bergfreundschaft. 18 Tage nach der Pioniertat am zwölfthöchsten Berg der Erde war Diemberger der Letzte, der Hermann Buhl lebend sah. Beide wollten die Chogolisa (7.668 m) erstbesteigen. Ein Wettersturz zwang die beiden jedoch 300 Meter unterhalb des Gipfels zur Umkehr. Im Schneesturm ging Diemberger voran. Buhl verlor offenbar die Orientierung bei schlechter Sicht, verließ die Spur, kam auf eine weit hinausragende Wächte. Die brach ein, Buhl stürzte ins Bodenlose, er starb mit 32 Jahren. Seine Leiche wurde nie gefunden.

Diemberger schilderte 2001 bei einem Auftritt im Dresdner Hygiene-Museum das Schicksal seines Weg-Gefährten. „Bergsteigen ist ein gefährlicher Sport. Der Tod gehört am Berg leider dazu. Man hat keine Garantien, dass nichts passiert.“ Bei seinem Vortrag bei den Dresdner Bergsichten 2005 sagte Diemberger, dass sein Kletterfreund in den Erinnerungen an die einstigen Großtaten weiterlebt: „Wenn ich an Stellen komme, wo ich mit Hermann war, da ist alles wieder ganz lebendig.“ Diemberger gelang wie Buhl eine zweite Achttausender-Erstbesteigung, er stand 1960 auf dem Dhaulagiri (8.167 m). Reinhold Messner würdigte den 91-Jährigen als „einzigen, der alle Perioden des Achttausender-Bergsteigens überlebt hat“.