Partner im RedaktionsNetzwerk Deutschland
SZ + Dresden

Flüchtlinge: Dresden wird kein "sicherer Hafen"

Der Vorstoß, mehr Menschen aufzunehmen, wird knapp abgelehnt, bringt einen Eklat mit sich - und zeigt erneut die Zerrissenheit im Stadtrat.

Von Andreas Weller
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Der Dresdner Verein "Mission Lifeline" ist regelmäßig zur Seenotrettung im Mittelmeer unterwegs.
Der Dresdner Verein "Mission Lifeline" ist regelmäßig zur Seenotrettung im Mittelmeer unterwegs. © Johannes Filous

Dresden. Die Debatte darum, ob Dresden sich der Initiative "sichere Häfen" anschließt entgleiste am Donnerstagabend. Dabei ging es darum, Flüchtlingen konkret zu helfen. Die Mitglieder der Initiative wollen etwa mehr Flüchtlinge aufnehmen, als sie das laut Verteilungsquote müssten. Der Beitritt wurde jedoch mit dem knappsten möglichen Abstimmungsergebnis abgelehnt.

Es ging sofort emotional los. Clara Carbalho Hilje vom Verein "Seebrücke Dresden" fragte: "Ist Dresden die Vorzeigestadt bei der Integration, wie es sich Oberbürgermeister Hilbert 2015 gewünscht hat?" 270 Städte hätten sich dem Bündnis "sichere Häfen" bereits angeschlossen. Auch wegen Pegida und "Querdenken"-Demos brauche Dresden wieder positive Botschaften. "Es ist Ihre Chance, ein solches Zeichen zu setzen", appellierte Hilje an den Stadtrat. Es gehe um "ein wenig mehr Menschlichkeit".

Dorit Starke von den Dresdner Seenotrettern "Mission Lifeline" beschrieb ihre Einsätze und deren Folgen: "Wir werden vor Gerichte gezerrt", so Starke. Seenotrettern würden Steine in den Weg gelegt. "Wir haben aber eine Verantwortung. Stehen Sie mit uns für humanitäre Werte." Es sei auch Platz in Dresden.

Saied Karabij sprach für den Verein "Zeugen der Flucht". Er ist seit Oktober 2015 in Dresden, aus Syrien geflüchtet. "Ich wollte nicht nach Deutschland, aber in Dresden habe ich Sicherheit gefunden und Unterstützung bekommen." Seit 2016 engagiere er sich in sozialen Bereichen und studiere in Dresden. "Was die Menschen auf der Flucht durchmachen, kann sich hier niemand vorstellen." Auch Karabij sagt, in Dresden sei Platz. "Dresden ist bunt, engagiert und weltoffen. Deshalb sollte Menschen geholfen werden, die sich nur nach etwas Sicherheit sehnen."

"Kraftausdrücke von beleidigender Art"

Dann legte der Initiator des Antrages los - Stadtrat Max Aschenbach von der Satire-Partei Die Partei. "Die europäische Union hat die Seenotrettung ausgesetzt und bekämpft freiwillige Helfer. Diese werden kriminalisiert und angeklagt." Dann sprach er die Kritiker des Antrags direkt an: "Meine Verachtung für die rassistischen Arschlöcher, die dem Antrag nicht zustimmen. Damit meine ich vor allem die Stadträte der CDU und FDP."

Sitzungsleiter und Ordnungsbürgermeister Detlef Sittel (CDU) versuchte ihn einzufangen: "Es geht um ein sehr ernstes Thema, das sehr emotional ist. Diese pauschalen Worte sind inhaltlich nicht angemessen und passen nicht zum Stil des Hauses." Er verbitte sich "Kraftausdrücke von beleidigender Art".

CDU-Fraktionschef Peter Krüger forderte: "Das ist eine verbale Entgleisung, die Sanktionen erfordert." Sittel sagte zu, das zu prüfen und "dahingehend tätig" zu werden.

Dann kam der Auftritt der AfD. Stadtrat Matthias Rentzsch sagte, im "System Merkel" sei so etwas wie der Antrag erwünscht. Er beantragte, dass jeder Stadtrat, der das unterstützt, einen Flüchtling bei sich Zuhause aufnehmen, die Kosten für Verpflegung, Taschengeld, Bildung , Familiennachzug und so weiter zahlen solle. So würden der Stadt keine zusätzlichen Kosten "aufgebürdet".

Vincent Drews (SPD) reagierte: "Die AfD schürt Neid und Missgunst, um die demokratischen Parteien zu spalten. Lassen Sie uns nicht darauf reinfallen." Dresden sei in der Lage, einen Beitrag zu leisten. "In Dresden wurden vor wenigen Jahren 5.000 Geflüchtete untergebracht. Die Gebäude seien noch da."

"Wir können das in Deutschland nicht alleine lösen"

FDP-Stadtrat Christoph Blödner (FDP) spracht von "fürchterlichen Situationen" in Flüchtlingslagern. Ja, den Menschen müsse geholfen werden. "Aber das sind keine Maßnahmen, mit denen wir die Situation verbessern." Die Zuständigkeit liege beim Bund. Flüchtlinge werden der Stadt zugewiesen. Diese seien unterzubringen und zu integrieren. Der Antrag sei "reine Symbolik".

Die CDU stehe dafür, alles zu tun, damit eine europäische Lösung gefunden wird, so CDU-Stadtrat Hans-Joachim Brauns. "Wir können das in Deutschland nicht alleine lösen. Gut gemeint ist manchmal nicht gut."

"Solange es keine europäischen Lösungen gibt, kann es nicht sein, Leute ertrinken zu lassen", so Grünen-Fraktionschefin Agnes Scharnetzky. "Ja, es ist Symbolpolitik. Aber es ist in der Politik auch mal richtig, Symbole zu setzen."

Auch Leo Lentz (Linke) forderte: "Ich kann nicht fassen, dass wir immer noch sagen, wir müssen auf eine gesamteuropäische Lösung warten. Wir müssen als Kommune Druck machen und das können wir, indem wir den Antrag beschließen."

Am Ende stimmten CDU, AfD, FDP und Freie Wähler dagegen, dass Dresden "sicherer Hafen" wird - Grüne, Linke, SPD, Piraten und Die Partei dafür. Ergebnis: 35 zu 35 Stimmen, damit ist der Antrag abgelehnt.

Nachrichten und Hintergründe zum Coronavirus bekommen Sie von uns auch per E-Mail. Hier können Sie sich für unseren Newsletter zum Coronavirus anmelden.

Abonnieren Sie unseren kostenlosen Newsletter "Dresden kompakt" und erhalten Sie alle Nachrichten aus der Stadt jeden Abend direkt in Ihr Postfach.

Mehr Nachrichten aus Dresden lesen Sie hier.