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Warum sich viele Sachsen so große Sorgen um ihre Sicherheit machen

Extremismus, Schleuserkriminalität, Betrügereien – das Sicherheitsempfinden der Sachsen hängt vom Wohnort ab und auch von der Weltanschauung. Die Frage nach der Sicherheit ist eines der drängenden Themen im Freistaat.

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Schleuserkriminalität ist für viele Sachsen eines der drängendsten Probleme im Freistaat. Das hat die Umfrage "Sachsen-Kompass" ergeben.
Schleuserkriminalität ist für viele Sachsen eines der drängendsten Probleme im Freistaat. Das hat die Umfrage "Sachsen-Kompass" ergeben. © Patrick Pleul/dpa (Symbolbild)

Von Frank Döring

Extremismus, Schleuserkriminalität, Betrügereien – das Sicherheitsempfinden der Sachsen hängt vom Wohnort ab und bisweilen auch von der Weltanschauung. Eine gewisse Einigkeit zwischen Stadt und Land besteht darin, dass die Frage der Sicherheit eines der drängenden Themen im Freistaat ist. Im "Sachsen-Kompass", dem aktuellen Stimmungstest von Leipziger Volkszeitung und Sächsischer Zeitung antworteten gut 28 Prozent der 23.034 befragten Einwohner aus zehn sächsischen Landkreisen und den drei Großstädten Leipzig, Dresden und Chemnitz: In der Frage der Sicherheit müsste sich am dringendsten etwas ändern.

Das war nach gesellschaftlichem Miteinander (44 Prozent), Bildung (gut 42 Prozent), Migration (knapp 40 Prozent) und Gesundheit (34 Prozent) das fünftwichtigste Thema. Zum Vergleich: Das Thema Natur- und Klimaschutz ist nur für gut 14 Prozent das Thema Nummer 1. Nimmt man lediglich die drei Großstädte Dresden, Leipzig und Chemnitz, liegt der Anteil sogar bei fast 30 Prozent, die Sicherheitsproblematik rangiert damit in den Metropolen auf Rang 4.

Thema Sicherheit in Sachsen besonders präsent

Der Kriminologe Christian Walburg vom Institut für Kriminalwissenschaften der Universität Münster findet das Ergebnis durchaus erstaunlich. "Bei bundesweiten Befragungen rangiert das Thema Sicherheit eher weiter hinten", sagt er. "Die wenigsten Menschen werden ja Opfer von gravierender Kriminalität." In der Forschung unterscheide man zwischen der Wahrnehmung von Kriminalität als gesellschaftlichem Problem, was sehr stark von Weltanschauung geprägt sei, und persönlicher Kriminalitätsfurcht, wenn Menschen tatsächlich Angst haben, das Haus zu verlassen.

  • Mehr als 23.000 Menschen aus Sachsen haben an der Umfrage von Sächsischer Zeitung und Leipziger Volkszeitung teilgenommen. Entwickelt und ausgewertet wurde der Sachsen-Kompass unter wissenschaftlicher Begleitung und in Kooperation mit der Agentur "Die Mehrwertmacher". Dabei wurde darauf geachtet, dass die Ergebnisse belastbar sind. Wo es aus kleinen Orten/Stadtteilen nicht ausreichend Antworten für belastbare Aussagen auf Gemeinde-/Stadtteilebene gab, wurden Nachbargemeinden teils gemeinsam ausgewertet. Alle Ergebnisse finden Sie auf saechsische.de/sachsenkompass

Dies spiegelt sich auch in anderen Ergebnissen der Befragung wider. Etwa bei dem Punkt, in welchen Bereichen hinsichtlich der Sicherheitslage besonders großer Handlungsbedarf besteht. Hier landeten Rechtsextremismus sowie Hass und Hetze im Internet mit jeweils rund 47 Prozent auf den ersten Plätzen. Und das noch vor Schleuserkriminalität (gut 42 Prozent) sowie Betrug am Telefon und im Internet (33,5 Prozent). Linksextremismus kam mit 32 Prozent auf den fünften Platz der drängendsten Sicherheitsprobleme.

Klammert man die Stimmen aus den großen Städten Leipzig, Dresden und Chemnitz aus, ergibt sich allerdings ein anderes Bild. Schleuserkriminalität ist da mit mehr als 48 Prozent klar jenes Problem, bei dem die meisten Sachsen den größten Handlungsbedarf sehen. Die Themen Hass und Hetze sowie Rechtsextremismus landen auf den folgenden Plätzen.

In den von Schleuserkriminalität besonders betroffenen Regionen sind die Umfragewerte noch eindeutiger. So wünschen sich im Kreis Görlitz fast 66 Prozent dringend ein stärkeres Vorgehen dagegen. Rechtsextremismus wird hier von lediglich gut 32 Prozent der Befragten als großes Thema angesehen. Im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge werten 58 Prozent kriminelle Schleuser als größtes Sicherheitsproblem, in Bautzen knapp 53 Prozent.

Allein in der vom linken Milieu geprägten Stadt Leipzig wiederum nehmen knapp 62 Prozent den Rechtsextremismus als größtes Problem war, Hass und Hetze im Netz knapp 56 Prozent. Linksextremismus landet mit über 39 Prozent auf Rang 3. Gut 22 Prozent sehen hier Wohnungseinbrüche als besonders problematisch an, dabei stieg etwa im Jahr 2023 die Zahl der Wohnungseinbrüche von 526 auf 613 an. In der Stadt Dresden sind Rechtsextremismus (54 Prozent) sowie Hass und Hetze im Internet (gut 52 Prozent) die wichtigsten Themen bei der Sicherheitslage.

Viele wünschen sich mehr Polizei im Wohnumfeld

Von 22.983 befragten Sachsen fühlen sich knapp 22 Prozent sehr sicher in ihrem Wohnumfeld, 52 Prozent überwiegend sicher. Fast 20 Prozent sind in dieser Frage unentschieden. Nur wenige fühlen sich sehr (1,7 Prozent) oder eher (fünf Prozent) unsicher. In der Stadt Leipzig haben insgesamt knapp acht Prozent ein überwiegend gestörtes Sicherheitsgefühl, in Chemnitz und im Vogtlandkreis sogar über elf Prozent.

Mehr Polizei in ihrer Wohngegend wünschen sich 45,5 Prozent der Befragten, über 40 Prozent wollen mehr Ordnungsamtsmitarbeiter. In den Landkreisen Leipzig und Nordsachsen wollen sogar deutlich über 50 Prozent mehr Polizeipräsenz. Für rund 35 Prozent der Befragten in Sachsen ist die derzeitige Präsenz der Ordnungshüter genau richtig.

Regional stark unterschiedlich ist auch die Meinung über Migration und deren Auswirkungen auf die Sicherheit. Der Aussage, Zuwanderung führe zu mehr Kriminalität, stimmte eine Mehrheit der 22.941 Befragten in Sachsen voll (31 Prozent) oder eher zu (23 Prozent). 16 Prozent folgten der Aussage eher nicht, 6,5 Prozent sehen überhaupt keinen Zusammenhang. In den Städten Leipzig und Dresden stimmten dem dargestellten Zusammenhang weniger als die Hälfte der Befragten überwiegend zu, in Chemnitz hingegen knapp 64 Prozent.

Kriminologe Walburg geht davon aus, dass Ansichten in dieser Frage auch unter dem Eindruck von einzelnen schweren Straftaten stehen, die in der Öffentlichkeit besonders stark diskutiert werden. Aber auch da spiele nach Einschätzung des Experten die weltanschauliche Prägung eine Rolle: Wer Migration ohnehin skeptisch gegenüber steht, beurteile die Sicherheitslage in diesem Zusammenhang anders als jene, die dem Thema Zuwanderung offener begegnen.