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Zahl der Abschiebungen aus Sachsen steigt - Kritik an neuem Fall aus Chemnitz

Aus Sachsen werden mehr Menschen abgeschoben. Die umstrittene Abschiebung eines Mannes aus Chemnitz wurde jüngst gestoppt. Jetzt kritisiert der Flüchtlingsrat einen weiteren Fall.

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Die Zahl der Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber aus Sachsen ist zuletzt gestiegen.
Die Zahl der Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber aus Sachsen ist zuletzt gestiegen. © Michael Kappeler/dpa

Dresden/Chemnitz. Die Zahl der Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber in Sachsen steigt. Wie die zuständige Landesdirektion mitteilte, sind in diesem Jahr bisher 487 Menschen aus dem Freistaat abgeschoben worden, im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es 435 Rückführungen. In diesem Jahr betraf es in den meisten Fällen Menschen aus Tunesien, Nordmazedonien, Serbien, Georgien und der Türkei. 58 von ihnen sind verurteilte Straftäter.

Zudem verließen 486 Personen Sachsen freiwillig. Allein im zweiten Quartal waren das 288. Die meisten kehrten freiwillig in ihre Heimatländer Türkei, Venezuela, Georgien und Russland zurück.

Sachsen: Trend zu mehr Abschiebungen hält an

Nach Angaben der Landesdirektion wurden im vergangenen Jahr 841 Menschen aus Sachsen abgeschoben, bei 272 Betroffenen handelte es sich um Straftäter. Hauptzielländer der Rückführungen waren Georgien, Nordmazedonien, Tunesien, die Türkei, Algerien und Pakistan. Im Jahr 2022 lag die Gesamtzahl der Abschiebungen bei 568. Darunter befanden sich 199 Straftäter.

Darüber hinaus stieg die Zahl der bewilligten Förderungen freiwilliger Ausreisen von 435 Personen (2022) auf 627 (2023).

Flüchtlingsrat kritisiert erneut Abschiebung aus Chemnitz

Der Flüchtlingsrat kritisiert erneut das Vorgehen der sächsischen Behörden bei der Abschiebung eines Ausländers. Ein Marokkaner sei am 11. Juli abgeschoben worden, obwohl das Verwaltungsgericht Chemnitz in einem Eilbeschluss entschieden habe, dass die Abschiebung ausgesetzt werden müsse. Die Entscheidung des Gerichts sei missachtet worden, teilte der Flüchtlingsrat mit.

Sachbearbeiterinnen bei der Stadt Chemnitz und der Landesdirektion Sachsen hätten in Telefonaten mit der Anwältin des Betroffenen erklärt, sich nicht an den Beschluss gebunden zu fühlen. Sie hätten ihn auch nicht an die Bundespolizei weitergeleitet, die deswegen die Abschiebung fortgesetzt habe. Der Sprecher der Stadt Chemnitz, Matthias Nowak, teilte auf Anfrage mit, dass die Ausländerbehörde der Stadt Chemnitz für die Abschiebung nicht zuständig gewesen sei. "Dies und nichts anderes wurde auch dem Gericht und der Anwältin des Mannes so mitgeteilt. Für derartige Abschiebungen ist die Landesdirektion zuständig."

Die Landesdirektion teilte mit, dass sie während der laufenden Abschiebung von dem Gerichtsbeschluss erfahren habe. Die Entscheidung sei jedoch gegen die Ausländerbehörde der Stadt Chemnitz gerichtet gewesen; die Landesdirektion sei zu keinem Zeitpunkt in das gerichtliche Verfahren einbezogen gewesen. "Aus diesem Grund wurde in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit gegen einen Stopp der laufenden Rückführung entschieden", teilte Sprecherin Valerie Eckl mit.

Die Landesdirektion werte den Vorgang derzeit intern aus und prüfe auch die Möglichkeit, dass der Marokkaner vorläufig wieder einreisen darf. Der Mann habe bei der Chemnitzer Ausländerbehörde geltend gemacht, dass er aus familiären Gründen ein Aufenthaltsrecht bekommen solle. Dieses Verfahren laufe. Laut Flüchtlingsrat ist der Mann mit einer deutschen Staatsbürgerin verheiratet und hat Kinder mit ihr.

Härtefallkommission befasst sich mit Fall Robert A.

Jüngst hatte die umstrittene Abschiebung von Robert A. aus Chemnitz nach Serbien für Schlagzeilen gesorgt. Der Fall des 31-Jährigen ist nun ein Fall für die Härtefallkommission. Ein entsprechender Antrag wurde von einem Mitglied des Flüchtlingsrates gestellt, wie das Büro des Sächsischen Ausländerbeauftragten mitteilte. Zuvor hatte der MDR darüber berichtet.

Einen genauen Zeitpunkt für die Beratung gibt es noch nicht. Zunächst müssen Dokumente vorgelegt werden. Mit diesem konkreten Fall ist die Härtefallkommission erstmals befasst.

Das Gremium besteht aus neun Mitgliedern, die von den Kirchen, Wohlfahrtsverbänden, Nichtregierungsorganisationen und staatlichen Stellen entsandt werden. Den Vorsitz führt der Sächsische Ausländerbeauftragte. Die Kommission entscheidet nicht über eine Abschiebung. Bei einem positiven Votum mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit wird der Innenminister ersucht, ein Bleiberecht zu gewähren. Das kann er allerdings ablehnen.

Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) hatte am Montag nach heftiger Kritik die Abschiebung des Mannes unterbrochen und zur Prüfung an die Landesdirektion übergeben. Nach Angaben des Sächsischen Flüchtlingsrates sollte der Mann am gleichen Tag in das Herkunftsland seiner Eltern abgeschoben werden. Er selbst soll in den Niederlanden geboren sein. In seinen Dokumenten gibt es aber Widersprüche, da die Geburt unter einem anderen Namen registriert sein soll. Politiker verschiedener Parteien und Bürger hatten gegen die Abschiebung protestiert.

Staat fördert freiwillige Ausreisen

Grundsätzlich genießt die freiwillige Rückkehr ausreisepflichtiger Personen Vorrang vor der Abschiebung. Seit Januar 2019 bietet das Bundesamt für Migration und Flüchtlingen (Bamf) in Sachsen Beratungen für Menschen an, die überlegen, mit staatlicher Hilfe freiwillig in ihr Herkunftsland zurückzukehren. Diese Beratungen erfolgen im Auftrag des sächsischen Staatsministeriums an den drei sächsischen Bamf-Standorten Chemnitz, Dresden und Leipzig.

Abgelehnte Asylbewerber erhalten zeitgleich mit ihrem Bescheid den Hinweis auf die Möglichkeit eines individuellen Beratungsgespräches für Rückkehrer. Die Beratung ist freiwillig und kostenlos. Sie soll über die Möglichkeiten einer geförderten freiwilligen Rückkehr in das Herkunftsland und Hilfe bei der Reintegration vor Ort informieren. Wenn sich jemand zur freiwilligen Rückkehr entscheidet, übernehmen die Berater die Organisation der Reise und von Unterstützungsleistungen, etwa eine finanzielle Starthilfe im Herkunftsland.

Mögliche Hilfen sind etwa ein Flug- oder Busticket, die Fahrtkosten vom Wohnort zum Flughafen oder Busbahnhof, Geld für die Reise, medizinische Unterstützung während der Reise und bis zu drei Monate nach Ankunft im Zielland oder auch eine einmalige Förderung. (dpa)