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Warum eine mitregierende AfD für Sachsens Wirtschaft schädlich wäre

Die Zukunft unseres Wirtschaftsstandorts wird verspielt, wenn „Ausländer raus“ und Großunternehmen nicht mehr gefördert werden sollen, wie die AfD das will. Ein Gastbeitrag.

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Die ganze Welt blickt neidisch auf Silicon Saxony und seine blühende Hochtechnologie. Doch der Boom der AfD sorgt dafür, dass viele Unternehmer inzwischen überlegen, ob Investitionen in Sachsen auch weiterhin eine gute Idee sind.
Die ganze Welt blickt neidisch auf Silicon Saxony und seine blühende Hochtechnologie. Doch der Boom der AfD sorgt dafür, dass viele Unternehmer inzwischen überlegen, ob Investitionen in Sachsen auch weiterhin eine gute Idee sind. © Thomas Lehmann

Von Matthias Hundt

In einer politisch aufgeheizten Zeit, in der es weniger um komplexe Fakten als um Schwarz oder Weiß geht, geben über die Hälfte der Wähler in Sachsen an, sie würden bei der Landeswahl bundespolitisch wählen. Parteien kämpfen nicht mehr mit Angeboten und Lösungen um die Wählergunst, sondern mit Kampfparolen gegen politische „Feinde“. Oberflächlich betrachtet hat jede Partei nur noch ein Thema. Ich war als Zuschauer oder Akteur in Sachsen, bundesweit und international auf vielen Wahlveranstaltungen, Diskussionsrunden und Wirtschaftstreffen, und wenn wir glauben, Sachsen sei der Mittelpunkt der Welt, überschätzen wir uns gewaltig.

Wir haben nur zwei Möglichkeiten: Entweder wir spielen in der Welt mit – oder wir werden bedeutungslos. Internationale und nationale Unternehmen treffen ihre Investitionsentscheidungen ausschließlich nach Standort- und politischen Rahmenbedingungen. Das ist auch nicht verwunderlich. Wer ein Unternehmen gründet oder betreibt, trifft die Entscheidung zu seinem eigenen Vorteil und nicht nach den Wünschen anderer.

Deutschland ist mit Offenheit groß geworden

Mit Export und globalem Handel ist Deutschland groß geworden und hat für seine Bürger ein weltweit einzigartiges Sozialsystem aufgebaut. Wenn man sich die erfolgreichsten Bundesländer anschaut, haben diese eines gemeinsam: internationale Großunternehmen. Daraus folgt ein starker Mittelstand, was wiederum starke und erfolgreiche Handwerksunternehmen zur Folge hat.

Man muss kein betriebswirtschaftliches Genie sein, um zu begreifen, dass das Entfernen eines Glieds in dieser Kette negative Folgen für die anderen hat. Ein hervorragender Lebensstandard und eine erstklassige soziale Absicherung können nur durch herausragende Leistungen erreicht werden.

Die Welt blickt neidisch auf Silicon Saxony

Bundesweit, in Europa und in der Welt blickt man neidisch auf Silicon Saxony, das europäische Silicon Valley, und den sich entwickelnden Technologie-Hotspot Sachsen. Doch im zweiten Satz fällt dann die Aussage, dass die Sachsen aufpassen müssen, sich durch ihre selbstüberschätzende Denkweise – wir wählen bei der Landtagswahl mal Protest gegen die Bundesregierung – nicht ihre eigene Zukunft zu vernichten. Investitionen werden dann an einem anderen Ort getätigt, wo Unternehmen willkommen sind.

  • Unser Gastautor Matthias Hundt (55) hat Betriebswirtschaft an der TU Dresden studiert. Er ist Gründer und Geschäftsführer der Sachsen Digital Consulting (SDC) und setzt den DigitalPakt Schule für Sachsen und andere Bundesländer um.


Unternehmen investieren nicht aus Protest, sondern mit einem Ziel. Das ist wie bei einem Hauskauf: Vor allem die Standortbedingungen entscheiden über den Wert der Immobilie, nicht die Quadratmeterzahl. Aber wenn man das erste und wichtigste Glied der heutigen Wertschöpfungskette betrachtet, also die Großunternehmen, dann steht ein Kriterium über allen: Internationale Großunternehmen müssen weltweit investieren, um erfolgreich zu sein, und dafür gibt es nur eine Währung: das Image, das sogenannte Corporate Image.

Sachsens Wirtschaftswachstum ist deutschlandweit Spitze

Betrachtet man die beiden größten Parteien in Sachsen, die CDU und die AfD, wird ein gravierender Unterschied sichtbar. Betrachtet man nur die entscheidenden Themen, nämlich die Wirtschaft, hat die CDU in den letzten 30 Jahren in Sachsen mehr Wirtschaftswachstum erzielt als alle anderen Bundesländer. Sachsen befindet sich auf einem Zukunftspfad, einer der bedeutendsten Wirtschaftsstandorte in Europa zu werden und damit eine internationale Rolle für die Zukunft einzunehmen.

Was tun aber wir Sachsen? Ein Drittel der Sachsen, darunter viele, die am meisten vom Wirtschaftswachstum profitieren, wählen die AfD. Dies geschieht, weil die CDU in der Rückschau während der Corona-Zeit falsche Entscheidungen getroffen hat und weil die Ampelkoalition und die Grünen in Berlin abgewählt werden sollen.

Die AfD weiß nicht, was und wie es besser werden soll

Was ich bisher ausschließlich als Lösung oder Konzept von der AfD gehört habe: Ausländer raus, keine Subventionen für Großunternehmen und Ansiedlungen. Das Geld solle lieber ans Handwerk gehen, dann werde alles besser. Das Erste hat nichts mit Landespolitik zu tun, das Zweite wird nicht funktionieren, und wie das Dritte klappen soll, konnte noch keiner erklären. Was dann wirklich besser wird und wie, konnte mir niemand von der AfD verraten.

Schaut man sich andere Wahlen an, gab es immer Debatten über Konzepte, Lösungen, Probleme im Land und Erfolge der einzelnen Parteien. Auch in der Vergangenheit hat man sich nicht mit Samthandschuhen angefasst. Politiker mit Erfolg, Ideen und auch menschlichen Fehlern wurden von den Wählern honoriert.

Mit Lindner für die Solarindustrie in Sachsen kämpfen

Was ist heute? Ein großes Nichts. Und wir, die Erben der Dichter und Denker, kommen über ein „Volksverräter“, „linksgrünversifft“, „muss in den Knast“ und „die Ampel muss weg“ nicht hinaus. Woher die Selbstkasteiung der Sachsen und dieses Niveau kommen, wird ein Rätsel bleiben. Aber wenn man viele fragt, haben die meisten eine Antwort: „Ist mir egal, ich wähle die AfD, weil die die Probleme benennen.“ Ein Problem dabei bleibt: Man muss die Probleme auch lösen.

Wie gewinnt man Investitionen, löst Probleme oder setzt Themen? Das erreicht man, indem man Unternehmen für Sachsen gewinnt, indem man die Bundespolitik überzeugt, etwas für Sachsen zu tun. Indem man mit Christian Lindner für ein differenziertes Lieferkettengesetz kämpft, indem man mit ihm für die Solarindustrie in Sachsen kämpft, indem man mit Volker Wissing für Investitionen in die digitale Infrastruktur in Sachsen ringt und indem man Unternehmen überzeugt, eine Milliarde Euro mehr zu investieren als geplant.

Was zählt, ist Vertrauen, Verlässlichkeit und Stabilität

Nicht immer gelingt alles, aber das Lieferkettengesetz wurde angepasst. Sachsen hat die höchste Glasfaserförderung in Deutschland erhalten, und wir werden bis 2030 zu den Flächenländern mit der besten digitalen Infrastruktur gehören. Wir waren die schnellsten bei der Umsetzung des DigitalPakts Schule, und es stehen noch weitere Ansiedlungen und Investitionen an.

Jetzt fragt man sich zuerst, warum die Bundesregierung überhaupt mit uns in Sachsen redet. Sie könnte auch sagen, es ist ihr egal, ob die Sachsen erfolgreich sind – die Wahlen werden im Westen gewonnen. Wie schon beschrieben, hat das wie im realen Leben etwas mit Netzwerk, Vertrauen, Verlässlichkeit, Stabilität und einem Geben und Nehmen zu tun. Warum ist gerade Sachsen so erfolgreich? Weil wir seit 30 Jahren stabile, wirtschaftsfreundliche Verhältnisse haben und ein gutes Image in der Welt genießen.

Ist jedem dritten Sachsen die wirtschaftliche Zukunft egal?

Aber über 30 Prozent der Sachsen ist das offenbar egal, Hauptsache, die Ampel muss weg. Doch wenn man es wirtschaftlich und global betrachtet, ist auch das egal – die Welt dreht sich weiter, nur dann eben ohne uns. Jetzt erhebt die AfD in Sachsen den Regierungsanspruch. Woher sie das notwendige Netzwerk nehmen möchte und wie die Kommunikation mit der Bundesregierung aussehen soll, sagt sie nicht. Wie die Gespräche mit der internationalen Wirtschaft und den Investoren laufen werden, wissen wir dagegen schon.

Die Unternehmen in Sachsen möchten konkret wissen, wie die AfD die Themen in der Wirtschaft angehen und lösen will. Die internationalen Investoren möchten wissen, ob es eine gute Entscheidung ist, ihr Geld in Sachsen zu investieren. Aber dazu ist die AfD nicht bereit. Sie stellt sich den Fragen nicht und präsentiert keine Lösungen. Entweder hat sie keine Lösungen, oder die Verantwortlichen haben Angst vor den Fragen. Diese ungewisse Zukunft ist der Grund, warum Unternehmen so zurückhaltend auf Sachsen reagieren.