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Warum die AfD "die Partei Russlands und der Vertreibung" ist

Genau platziert vor den Wahlen in Sachsen veröffentlicht das Recherche-Kollektiv Correctiv ein Buch zur Geschichte der AfD und deren aktuellen Plänen.

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Sachsens AfD-Chef Jörg Urban gehört zu den vielen Radikalen in der rechtsextremen Partei.
Sachsens AfD-Chef Jörg Urban gehört zu den vielen Radikalen in der rechtsextremen Partei. © Matthias Rietschel

Von Ulfrid Kleinert

Marcus Bensmann vom gemeinwohlorientierten Medienhaus Correctiv nennt sein Buch über die elfjährige Geschichte der AfD bis heute „Niemand kann sagen, er hätte es nicht gewusst“. Die Rechercheure, die Anfang des Jahres mit ihren Enthüllungen zu den „Remigrations“-Plänen der AfD für einiges Aufsehen gesorgt haben, beschreiben detailliert und schlüssig, was den kurzen erfolgreichen Weg der Partei charakterisiert und welche Ziele sie heute verfolgt.

So stellen sie zum Beispiel klar, dass schon bald nach den Anfangszeiten der zunächst primär Euro-skeptischen Partei unter Gründer Bernd Lucke die AfD immer mehr Zulauf hatte von Menschen, die generell unzufrieden mit der Bundespolitik waren. Das erreichte einen ersten Höhepunkt nach den Worten Angela Merkels im Jahr 2015, dass wir Deutschen es schaffen würden, die vielen wegen Krieg, Hungersnot und Menschenrechtsverletzungen nach Europa fliehenden Menschen aufzunehmen. Ein ansehnlicher Teil der Deutschen wollte das nicht schaffen.

Neue Protestwähler dank Corona und Krieg in der Ukraine

Weiter ging es zu Coronazeiten mit verschwörungstheoretisch begründeten Protesten. Endlich rekrutiert heute die politische und militärische Unterstützung der Ukraine gegen deren militärische Eroberung durch Russland neue Protestwähler. Nicht minder deutlich arbeiten Bensmann und Correctiv heraus, dass von Beginn an sich rechtsextreme Gruppen zu den politisch Unzufriedenen gesellten und immer mehr Einfluss gewannen.

Daran konnten einzelne Unvereinbarkeitserklärungen und Ausschlussverfahren der Partei nichts ändern. Denn der Weg ins verfassungswidrig „gesichert Rechtsextreme“ wurde beharrlich weitergegangen. Jetzt haben Deutschlands für den Schutz der Demokratie zuständige Organe nicht nur die als „Junge Alternative“ organisierte AfD-Jugend für „gesichert rechtsextrem“ eingestuft, sondern auch die Landesverbände Sachsens, Thüringens, Sachsen-Anhalts.

Abtauchen nach Korruptionsvorwürfen währte nur kurz

An der Unterstützung der Parteivorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla für die Rechtsextremisten wie Björn Höcke und Maximilian Krah lässt sich nach Bensmann auch die Strategie der AfD ablesen. Gegen Höcke hatte der Parteivorstand unter Frauke Petry nach dessen Rede im Dresdner Ballhaus Watzke ein Parteiausschlussverfahren erwirkt. Davon wird gleich zu berichten sein.

Als Petry abgewählt wurde, stellte der verbliebene Vorstand das Verfahren gegen Höcke ein; nur der von ihm geleitete und vom Verfassungsschutz verfolgte rechte Flügel wurde aufgelöst. Krah war Spitzenkandidat für die Europawahl. Als die Vorwürfe gegen ihn wegen Bestechlichkeit offenkundig wurden, durfte er nicht mehr öffentlich Wahlkampf machen, musste seinen Vorstandsposten aufgeben, verlor aber seinen Einfluss in der Partei nicht.

„Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus“

Doch zurück zu dem, was am 17. Januar 2017 in Dresden geschah. Die „Junge Alternative“ der AfD hatte Höcke ins Ballhaus Watzke eingeladen. Bensmann beruft sich bei seinem Bericht über dieses Ereignis auf Zitate aus dem Antrag eines Parteiausschlussverfahren gegen Höcke, der im Auftrag des Bundesvorstands der AfD gestellt worden war. Höcke habe in Dresden öffentlich seine „Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus“ artikuliert, heißt es da.

Die Anklageschrift aus dem Bundesvorstand der Partei lese sich so, „als werde Höcke vom AfD-Vorstand als Nazi entlarvt“, folgert Bensmann. Denn Höcke habe laut Parteivorstand gezeigt, dass von ihm „ein direkter Bezug zum Nationalsozialismus gesucht worden ist“.Höcke werden Formulierungen vorgehalten, die er „aus Hitlerreden übernimmt“. So soll ihm zufolge „eine Bewegung entstehen, die nicht in Erstarrung verfällt, weil sie regelmäßig auf die Straße geht“.

"Natürlich wusste Höcke sehr genau, was er sagte.“

Genau das aber sei das System, mit dem die Nationalsozialisten Parteiarbeit organisierten. „Dem Antragsgegner (Höcke) als Geschichtslehrer kann die Bedeutung solcher Sentenzen nicht verborgen geblieben sein“. So heißt es nun in der Wertung des eigenen Parteivorstandes. Genau das wird Höcke sieben Jahre später, nämlich 2024, von staatlichen Gerichten wegen seiner „Alles-für-Deutschland“-Demagogie vorgehalten.

Das bestätigt dem aus Westdeutschland stammenden Geschichts- und Sportlehrer jetzt auch ausdrücklich einer seiner ehemaligen Weimaraner Schüler. In seiner Erklärung heißt es, eidesstattlich versichert: „Zum Verfahren gegen Höcke wegen des Verwendens einer verbotenen SA-Parole kann ich sagen, dass er über die deutsche Geschichte und den Nationalsozialismus einfach alles weiß. Natürlich wusste er sehr genau, was er sagte.“

Die Legende von einer gemäßigten Partei

Doch nach Frauke Petrys Rücktritt vom Parteivorsitz konnte Höcke ungehindert seine profilbestimmende Rolle in der AfD weiter einnehmen. Das zeigt Bensheim im 6. Buchkapitel unter der Überschrift „Die gescheiterte Abwehr der Radikalen und die Legende von einer gemäßigten Partei“.

Damit zurück zu den Entscheidungen dieses Jahres und zu einem genauen Blick auf das Potsdamer Treffen. Bensmann berichtet dazu: Ein rechtsextremer Düsseldorfer Zahnarzt hatte für Ende November 2023 besondere Gäste eingeladen. Sie sollten 5000 Euro auf ein Konto überweisen, um sich von Martin Sellner, dem Wiener Chefideologen der Identitären Bewegung, einen politischen Masterplan zur organisierten Vertreibung aller "Undeutschen" erklären zu lassen.

„Zurück dahin, wo du herkommst“

Der angeblich in Deutschland geplante und durchgeführte „Bevölkerungsaustausch“ müsse gestoppt werden. Stattdessen solle eine „ethnokulturelle Identität“ auch in Deutschland gefördert und durchgesetzt werden. Sellner und sein Mentor Götz Kubitschek vom ebenfalls als „rechtsextremistisch“ eingestuften Institut für Staatspolitik würden „die reale Lebenswelt in Deutschland in ,Fremde' und ,Eigene' einteilen. Wobei das ,Fremde' als unerwünscht gilt“ und deshalb aus dem Land verschwinden müsse.

Die Parole heiße jetzt für Millionen in Deutschland lebende Menschen wie Flüchtlinge und Asylbewerber, die sich für Sellner und die Partei nicht genügend „assimiliert“ haben: „Remigration“, also: „Zurück dahin, wo du herkommst“. Das widerspricht zwar der Aussage einer Website der AfD, nach der zum deutschen Staatsvolk die Summe aller Personen gehöre, die „die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen“ - und ebenso der offiziell erklärten Unvereinbarkeit zwischen AfD und Identitärer Bewegung.

Vertreibung von bis zu 15 Millionen Staatsbürgern

Aber über Kubitschek sei inzwischen „Sellner immer mehr in das ideologische Herz der AfD vorgedrungen“. Bensmann sieht seine Meinung durch die geladenen Gäste des Potsdamer Treffens bestätigt. Zu ihnen gehören außer Weidels persönlichem Referenten Roland Hartwig der AfD-Bundestagsabgeordnete Gerrit Huy und der sachsen-anhaltinische AfD-Fraktionsvorsitzende Ulrich Siegmund.

Wie Sellner plädiert auch Maximilian Krah, AfD-Spitzenkandidat der Europawahl dieses Jahres, in seinem Manifest „Politik von rechts“. Der am 1. Juni von knapp 32 Prozent der sächsischen Wähler als Spitzenkandidat der AfD ins Europaparlament gewählte Krah tritt für Bevölkerungssäuberungen in Deutschland ein, die eine Vertreibung von 25 Millionen Menschen aus unserem Land bedeuten würde, darunter 15 Millionen Staatsbürger.

Die AfD ist "die Partei Russlands und der Vertreibung"

Dass das für viele Deutsche und auch für Deutschlands Wirtschaft und Wohlstand zu weit geht, haben im Frühjahr 2024 in allen Bundesländern auf den Straßen und Plätzen Millionen Bürger und Unternehmer zum Ausdruck gebracht. In einer Demokratie entscheiden nun die Wähler. Der letzte Satz des Buches lautet: „Die AfD hat sich dafür entschieden, sie ist die Partei Russlands und der Vertreibung, und jede Stimme für diese Partei trägt dazu bei, diese extremistischen Träume politische Wirklichkeit werden zu lassen.“

Marcus Bensmann/Correctiv: Niemand kann sagen, er hätte es nicht gewusst – die ungeheuerlichen Pläne der AfD, Galliani-Verlag, 258 Seiten, 22 Euro