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Nach Drohungen von Rechts: Warum der CSD in Bautzen uns alle betrifft

Die Einschüchterungsversuche der Rechtsextremen beim CSD Bautzen gehen uns alle an. Denn sie zielen nicht nur auf die Parade, sondern auch auf die freie Gesellschaft. Ein Kommentar.

Von Moritz Schloms
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Die Einschüchterungsversuche der Rechtsextremen in Sachsen werden nicht aufhören. Es ist die Solidarität der breiten Masse, die diesen Angriffen entgegenstehen muss.
Die Einschüchterungsversuche der Rechtsextremen in Sachsen werden nicht aufhören. Es ist die Solidarität der breiten Masse, die diesen Angriffen entgegenstehen muss. © Steffen Unger

Ein Kommentar zum Christopher Street Day in Bautzen, zwei Wochen vor den Landtagswahlen in Sachsen. Muss das sein? Gibt es gerade keine wichtigeren Themen? Ja, muss sein. Denn was in Bautzen geschah, ist kein Problem einer Minderheit, sondern eins, das die gesamte Gesellschaft in Sachsen betrifft.

Am Sonnabend fand der zweite Christopher Street Day in der Bautzner Geschichte statt. 1.000 Menschen zogen durch die Stadt, demonstrierten für Vielfalt, Freiheit und Toleranz. Schlagzeilen machten aber nicht die Bilder fröhlicher Menschen auf dem CSD, sondern vor allem die der 700 Gegendemonstranten.

Es war keine normale Gegendemonstration, kein Ausdruck einer anderen Meinung. Es war der Versuch einer Machtdemonstration von Rechtsextremen. Sie richtete sich nicht nur gegen den CSD, sondern gegen uns alle.

Es war der Versuch einer Machtdemonstration von Rechtsextremen.
Es war der Versuch einer Machtdemonstration von Rechtsextremen. © Sebastian Willnow/dpa

Bautzen war der Versuch, Menschen einzuschüchtern

Die Bilder und Videos aus Bautzen gingen durch das Land, viele überregionale Medien berichteten. Darauf zu sehen sind Menschen, die offen Erkennungszeichen der rechtsradikalen Szene tragen und "Ausländer raus" und "Nazi-Kiez" schreien. Sie zeigen den Versuch, Menschen einzuschüchtern, die ihnen nicht passen. Einen Teil der Veranstaltung musste der CSD absagen. Ohne das große Polizeiaufgebot hätte es wohl noch schlimmere Bilder aus Bautzen gegeben.

Es war erst der zweite CSD in Bautzen, in Limbach-Oberfrohna gab es in diesem Jahr den ersten CSD, in Plauen den Dritten. Der Bautzner CSD konnte seine Teilnehmeranzahl verdreifachen, auch andernorts steigen die Zahlen. In Leipzig an diesem Wochenende werden es Tausende Menschen sein. Es ist nicht zu übersehen: In Sachsen ist in den vergangenen Jahren ein neues Selbstbewusstsein in der queeren Community entstanden.

Viele Menschen trauen sich gerade das erste Mal, mit Regenbogenfahne auf die Straße zu gehen – etwas, das in der sächsischen Region noch immer viel Mut erfordert. Das zeigen die Reaktionen auf bisherige Christopher Street Days. Denn zwar bekamen die Bilder aus Bautzen die überregionale Aufmerksamkeit, doch Vorfälle wie diese sind nicht neu in Sachsen.

Dabei ist der CSD für die Rechtsradikalen nur ein willkommener Anlass, um ihre demokratiefeindlichen Parolen auf die Straße zu bringen. Dass sie in Bautzen "Ausländer raus" und "Nazi-Kiez" riefen, beweist das.
Dabei ist der CSD für die Rechtsradikalen nur ein willkommener Anlass, um ihre demokratiefeindlichen Parolen auf die Straße zu bringen. Dass sie in Bautzen "Ausländer raus" und "Nazi-Kiez" riefen, beweist das. © Sebastian Willnow/dpa

In Frankenberg zeigte ein Paar gegenüber Teilnehmern des CSDs 2023 den Hitlergruß. Auch beim CSD in Stollberg gab es einen solchen Vorfall. In Bautzen warfen Menschen schon im vergangenen Jahr mit Eiern nach Demonstranten auf dem CSD. Eine rechtsextreme Gruppe versuchte in diesem Jahr, den CSD in Dresden zu stören.

Dies ist nur ein kurzer Auszug aus einer längeren Liste, und es ist zu befürchten, dass sie sich fortsetzen wird: Nach der erfolgreichen Mobilisierung in Bautzen trommeln rechtsextreme Akteure ihre Anhänger jetzt zu den weiteren sächsischen Christopher Street Days, etwa zu dem in Leipzig an diesem Wochenende.

Mehr Verbündete als es den Anschein hat?

Dabei ist der CSD für die Rechtsradikalen nur ein willkommener Anlass, um ihre demokratiefeindlichen Parolen auf die Straße zu bringen. Dass sie in Bautzen "Ausländer raus" und "Nazi-Kiez" riefen, beweist das. Und genau deshalb sollten spätestens jetzt auch jene aufmerksam werden, die beispielsweise nicht schwul oder lesbisch sind. Jene, denen der CSD bisher noch nie wichtig war – die aber gern in einer freien Gesellschaft leben möchten, in der Minderheiten Schutz erfahren.

Aufmerksam wurde zum Beispiel Katja Gerhardi. Für die Bautzner Lehrerin und CDU-Stadträtin war der CSD in ihrer Heimat der erste, den sie besuchte. Ihre Partei engagiert sich normalerweise nicht an erster Stelle für den Schutz von queeren Menschen, aber Gerhardi kam aus Überzeugung: weil sie nicht wollte, dass die CSD-Teilnehmer den Rechtsextremen alleine gegenüberstehen. Mit dieser Haltung war sie nicht alleine.

Der Bautzner CSD hatte am Ende mehr Teilnehmer als die Gegendemonstration. Das zeigt, dass die Taktik der Einschüchterung fehlschlagen kann. Und es ist ein Signal der Hoffnung an queere Menschen in den kleineren sächsischen Städten wie Plauen, Zwickau, Freiberg, Döbeln und Görlitz, in denen noch in diesem Jahr ein CSD stattfindet. Ein Zeichen, dass sie vielleicht mehr Verbündete haben, als es manchmal den Anschein hat.

Der Bautzner CSD hatte am Ende mehr Teilnehmer als die Gegendemonstration.
Der Bautzner CSD hatte am Ende mehr Teilnehmer als die Gegendemonstration. © Steffen Unger

Es fehlen die Menschen, die winken und zuhören

Spricht man mit Menschen, die schon viele Christopher Street Days besucht haben, vermissen sie bei den Veranstaltungen in Sachsen besonders eines: Menschen, die am Straßenrand stehen und den Demonstranten das Gefühl vermitteln, nicht allein zu sein. Menschen, die winken und zuhören. Es sind kleine Signale der Aufmunterung mit kaum zu unterschätzender Wirkung. Fehlen sie, kann das Folgen haben.

Als vor einigen Wochen der mittelsächsische Landrat Dirk Neubauer öffentlichkeitswirksam seinen Rücktritt ankündigte, nachdem er wiederholt massiven Anfeindungen von Rechtsextremen ausgesetzt war, sagte er einen oft zitierten Satz. "Ich gebe auf, weil da draußen zu viele den Mund halten."

Ob Neubauer oder CSD: Die Einschüchterungsversuche der Rechtsextremen in Sachsen werden nicht aufhören. Es ist die Solidarität der breiten Masse, die diesen Angriffen entgegenstehen muss. Werden sie nicht gestoppt, können die Attacken bald jeden treffen, der nicht in das Weltbild der Rechtsextremen passt.