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Tätliche Angriffe auf Richter in Sachsen - nur Einzelfälle?

Der Ton in der Gesellschaft ist rauer geworden. Auch vor Gericht wird gepöbelt, gebrüllt und beleidigt im Publikum - Schlimmeres aber bleibt die Ausnahme.

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In Sachsen gibt es selten tätliche Angriffe auf Richter.
In Sachsen gibt es selten tätliche Angriffe auf Richter. ©  Sebastian Gollnow/dpa (Symbolfoto)

Dresden. Ein Justizwachtmeister wird von einem Angeklagten gebissen. Bei einer zufälligen Begegnung auf einem Parkplatz bespuckt ein Beschuldigter den zuständigen Staatsanwalt. Während der Verhandlung springt ein Mann auf den Richtertisch und verletzt den Juristen durch Schläge und einen Biss in die Hand. Nach einem Prozess um gefälschte Corona-Atteste umstellen Leute auf der Straße ein Auto, in dem Mitglieder der Strafkammer sitzen, und rütteln schimpfend an der Tür. Ein Gerichtsvollzieher wird mit einer Axt attackiert. Derartige Angriffe sind keine Einzelfälle mehr, wie eine Umfrage bei der Justiz ergab.

Tätliche Angriffe und Übergriffe auf Beschäftigte der Justiz sind in Sachsen allerdings eher die Ausnahme als die Regel. Nach Auskunft des Justizministeriums in Dresden gibt es vorwiegend Bedrohungen, besonders gegen Justizwachtmeister oder Beschäftigte in den Geschäftsstellen der Amts- und Landgerichte. Nur in Einzelfällen betreffe es auch Richter, Staatsanwälte oder Rechtspfleger.

Innerhalb der vergangenen fünf Jahre gab es 2019 mit 10 die meisten tätlichen Übergriffe jährlich und 2019 mit 17 die höchste Zahl an Bedrohungen. Insgesamt waren es 33 Angriffe sowie 67 Bedrohungen - 3 davon bei Verhandlungen oder der Vorführung Angeklagter, meldete das Landgericht Zwickau im vergangenen Jahr. Im Mai 2024 wurde ein Richter nach einem Verhandlungstermin am Dresdner Landgericht gegen eine Ärztin wegen gefälschter Corona-Atteste außerhalb des Saales bedroht, bedrängt und beleidigt.

Mit Ausnahme von 2020 verweigerten alljährlich Besucher von Gerichten die Personenkontrolle in den Gebäuden, wobei die Zahl der Fälle jeweils im unteren einstelligen Bereich liegt und bei maximal sechs 2019. Dazu kamen in fünf Jahren insgesamt fünfmal Hausfriedensbruch, 31 Fälle von Sachbeschädigung, 7 Bombendrohungen sowie 9 verdächtige Briefsendungen. "Insgesamt kann man in den letzten Jahren aber nicht von einer steigenden Entwicklung sprechen."

2012 wurde den Angaben nach eine Richterin angegriffen sowie 2013 eine Rechtspflegerin, von einem Besucher mit einem Messer in deren Büro. 2014 randalierte ein Angeklagter bei einer Verhandlung am Arbeitsgericht Bautzen, nachdem es ihm gelungen war, seine Fußfessel zu lösen - und 2015 nahmen selbst ernannte Hilfspolizisten im Umfeld der sogenannten Reichsbürger einen Gerichtsvollzieher fest.

Nach einem Bericht der "Deutschen Richterzeitung" reagieren Prozessbeteiligte und Zuschauer in ganz Deutschland zunehmend emotionaler. Statistiken über Beleidigungen, Bedrohungen oder körperliche Angriffe auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Justiz gibt es zwar nicht in allen Bundesländern. Doch der Eindruck ist überall gleich: Bedrohungslagen und kritische Situationen in den Gerichten haben zumindest subjektiv zugenommen. "Die Verrohung nimmt zu, die Konfliktfähigkeit schwindet", sagt Sven Rebehn, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbundes (DRB). (dpa)