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Sachsen

Schlafen hinter Windmühlenflügeln: So wohnt es sich in einer Mühle

Wer möglichst abseits von allem wohnen möchte, für den könnte eine Mühle das Richtige sein. In Nordsachsen hat sich ein Ehepaar seinen persönlichen Wohntraum erfüllt - allen Schwierigkeiten zum Trotz.

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Anke und Andreas Hüttner stehen im nordsächsischen Kupsal vor ihrer Turmwindmühle aus dem Jahr 1883.
Anke und Andreas Hüttner stehen im nordsächsischen Kupsal vor ihrer Turmwindmühle aus dem Jahr 1883. © dpa

Krostitz. Als Andreas Hüttner vor einigen Jahren über den Kauf eines Hauses nachdachte, war ihm ein Kriterium wichtig, das andere Menschen wahrscheinlich gruseln lässt: Möglichst einsam sollte es stehen. "Für mich war klar: Wenn ich ein Haus will, dann kein Reihenhaus", sagt der 50-Jährige. "Und in Alleinlage bestehen entweder Forsthäuser oder Mühlen." Nach einiger Suche wurde er in Nordsachsen fündig. Dort stand eine alte Turmwindmühle zum Verkauf. Hüttner beriet sich mit seiner Frau Anke - und zog schließlich 2019 mit ihr in die weiße Windmühle zwischen den Dörfchen Kupsal und Priester.

"Wir sind hier durch die Tür reingekommen - und es war sofort ein Gefühl wie zu Hause", sagt Hüttner. In dem Turm mit den pittoresken hölzernen Windmühlenflügeln leben Hüttners auf drei Etagen plus Boden. Unten ist eine wohnliche Küche, in der Mitte das Schlafzimmer, und oben hat sich Anke Hüttner ein Kreativzimmer eingerichtet. Dazu gibt es einen behaglichen Anbau mit Wintergarten und - ganz nach Andreas Hüttners Geschmack - ein 5.000 Quadratmeter großes Grundstück.

Ein Leben auf dem Dorf war dem Ehepaar bis dahin fremd gewesen. Die beiden Finanzbeamten stammen aus Kleinstädten und lebten vor dem Umzug in die Mühle in Leipzig. "Ich habe den Reiz des Dorflebens jetzt erst schätzen gelernt", sagt Anke Hüttner (49). "Für mich ist nach Hause fahren jetzt wie in den Urlaub fahren."

Anke und Andreas Hüttner drehen am tonnenschweren Kammrad.
Anke und Andreas Hüttner drehen am tonnenschweren Kammrad. © dpa

Doch das Leben in der Mühle hat auch seine Herausforderungen. Der Denkmalschutz hat natürlich ein Auge auf den Bau aus dem Jahr 1883. "Wir müssen das Sichtbild so erhalten, wie es ist", sagt Anke Hüttner. Dafür muss sich ihr Mann regelmäßig an die tonnenschweren Windmühlenflügel hängen. Weil durch Risse Wasser in das Holz eindringt, müssen die sogenannten Ruten aller paar Wochen gedreht werden, damit sie nicht vermodern. Das ist für Andreas Hüttner schwere Handarbeit, denn die Technik der Mühle läuft nicht mehr rund.

Anke Hüttner hat sich vorgenommen, noch mehr über ihre Mühle herauszufinden. So richtig viel wüssten sie nicht, sagt sie. Bis 1964 sei hier Gerste geschrotet worden - für eine nahegelegene Brauerei. "Wir waren also die wichtige Mühle", sagt Hüttner lachend. Danach sei die Mühle dem Verfall preisgegeben worden, bis sich 1984 ein Berufsschullehrer aus Leipzig ihrer Rettung verschrieb. Ihn haben Hüttners auch noch getroffen, aber inzwischen ist er gestorben.

In der Küche findet man noch das Zahnrad für den Antrieb der Mahlsteine.
In der Küche findet man noch das Zahnrad für den Antrieb der Mahlsteine. © dpa

In Sachsen sind noch relativ viele Mühlen zu finden. Die Deutsche Gesellschaft für Mühlenkunde und Mühlenerhaltung listet in einer Datenbank rund 450 auf. Bundesweit sind es etwa 8500.

Vor allem Nordsachsen sei eine wirklich mühlenreiche Gegend, sagt Andrea Heyn, Geschäftsführerin des Vereins Mühlenregion Nordsachsen. "Es sind aber vorwiegend Getreidemühlen, wir haben nur eine Sägemühle." Dass noch vergleichsweise viele Mühlen erhalten sind, liege auch an der DDR-Zeit. Nachdem die Anlagen in den 1960er Jahren außer Betrieb genommen wurden, sei kein Geld dagewesen, um sie zurückzubauen. Die Mühlen verfielen zwar - aber sie blieben stehen. "Das war vielleicht ein bisschen Glück", sagt Heyn.

Die historische Turmwindmühle aus dem Jahr 1883.
Die historische Turmwindmühle aus dem Jahr 1883. © dpa

Hüttners mit ihrem hübschen und wegen der Flügel schon von weitem als Mühle erkennbaren Zuhause seien in Nordsachsen etwas Besonderes. Zwar gebe es auch in anderen Orten Turmwindmühlen, die zu Wohnungen umgebaut wurden. Ihnen fehlten aber die Windmühlenflügel, berichtet Heyn.

Andreas Hüttner engagiert sich inzwischen auch im Mühlenverein. In diesem Jahr hat das Ehepaar zum Mühlentag die Türen für Gäste geöffnet. Der Andrang sei riesig gewesen, sagt Hüttner. 172 Menschen hätten die Gelegenheit genutzt, um sich umzusehen. Die Masse schreckt den glücklichen Mühlenbesitzer aber nicht ab. "Nächstes Jahr machen wir das wieder", sagt er. (dpa)