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Wanderwege in der Sächsisch-Böhmischen Schweiz: Macht die Grenze auf!

Eine Initiative fordert die Öffnung von mehr Wegen zwischen den Nationalparks Sächsische und Böhmische Schweiz. Aus Prag kommt ein positives Signal.

Von Steffen Neumann
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Die vorgeschlagenen grenzüberschreitenden Wanderwege liegen in den Kernzonen der beiden Nationalparks. Eine Öffnung dieser Wege wird als überaus problematisch eingeschätzt, heißt es aus dem sächsischen Umweltministerium.
Die vorgeschlagenen grenzüberschreitenden Wanderwege liegen in den Kernzonen der beiden Nationalparks. Eine Öffnung dieser Wege wird als überaus problematisch eingeschätzt, heißt es aus dem sächsischen Umweltministerium. © Archiv: Mike Jäger

Zwei Nationalparke, aber kaum Verbindungswege? So ist die Situation heute in der Sächsisch-Böhmischen Schweiz. Nach außen präsentieren sich die Nationalparke als zusammenhängendes Schutzgebiet. Auch touristisch werden beide Regionen erfolgreich gemeinsam vermarktet. Doch durch Wege sind beide Nationalparks nur in Ausnahmen verbunden. Heute gibt es entlang der rund 20 Kilometer langen Grenze zwischen den Nationalparks fünf Übergänge: neben dem Grenzübergang in Hřensko (Herrnskretschen) für Fußgänger und Fahrzeuge sind das noch vier kleinere, davon zwei für Fußgänger und Radfahrer an den früheren Orten Zadní Jetřichovice und Zadní Doubice sowie zwei nur für Fußgänger nahe der Niedermühle und am Zusammenfluss von Kirnitzsch (Křinice) und Brtnický potok (Zeidlerbach).

Viel zu wenig, beklagen schon seit Jahren Kritiker beiderseits der Grenze. Doch während ihre Rufe bisher ungehört verhallten, hat sich nun erstmals eine gemeinsame deutsch-tschechische Initiative formiert, die eine Wiedereröffnung von sieben historischen Wegen fordert. Einen entsprechenden Aufruf adressierte sie zeitgleich an das tschechische und das sächsische Umweltministerium. Neu ist nicht nur die gemeinsame deutsch-tschechische Initiative, sondern auch die Breite der Befürworter. Hinter dem Aufruf stehen Städte und Gemeinden im Nationalparkgebiet, die Tourismusverbände Sächsische und Böhmische Schweiz, der Verein tschechischer Touristen, aber auch der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge und sogar der Bezirk Ústí.

Zehn Kilometer ohne Weg

Vor allem zwischen dem Straßenübergang Hřensko und dem nächsten Übergang an der früheren Einschicht Zadní Jetřichovice gibt es auf zehn Kilometern, also rund der Hälfte der gemeinsamen Nationalparkgrenze, keine legale Möglichkeit, die Grenze zu überschreiten. Deshalb liegen die meisten vorgeschlagenen Wege in diesem Bereich. Zwischen Mezní Louka (Rainwiese) und dem Zschand soll ein Rettungsweg frei gehalten werden, der auch von Touristen genutzt werden kann. Auch der alte Stimmersdorfer Weg, der noch heute auf Höhe des Lindigtgründel im Kirnitzschtal abzweigt, soll wieder nach Stimmersdorf (heute Mezná) führen können. Weitere Vorschläge betreffen alternative Zugänge zum Prebischtor über den Fremdenweg bzw. von der Webergrotte her sowie in der Hinteren Schweiz den Wiederaufbau der Schönlinder Brücke (Krásnolipský most) und zwei neue Brücke für einen Rettungsweg im Kirnitzschtal.

„Ich appelliere an die Öffnung der historischen grenzüberschreitenden Wege. Ihre Erneuerung bedeutet zugleich einen deutlich besseren und schnelleren Zugang zu Brandherden“, betont einer der Unterzeichner, der Hauptmann des Bezirks Ústí, Jan Schiller, in einer Bilanz ein Jahr nach dem verheerenden Waldbrand, bei dem in Tschechien mehr als ein Fünftel der Nationalparkfläche betroffen war. „Wir brauchen funktionierende grenzüberschreitende Rettungswege“, stimmt Landrat Michael Geisler zu und verweist zugleich auf einen wichtigen Aspekt bei der Lösung des Problems der hohen Touristenzahlen an ausgewählten Orten: „Wenn wir es mit der Besucherlenkung ernst meinen, sollten wir auch die historischen Wege im Blick haben“, gibt der Landrat zu bedenken. Konkret könnte der alternative Zugang zum Prebischtor helfen, den wegen des Waldbrands aktuell einzigen Weg zu dem Sandsteintor von Hřensko her zu entlasten.

Die Unterzeichner gehen auch nicht davon aus, dass die neuen Wege von Touristenmassen genutzt werden. Wie schon bei den bestehenden Übergängen in der Hinteren Schweiz handele sich um Wege, die nicht vom und zum Auto, sondern nur in einer längeren Wandertour zu erreichen sind. Das würde sogar helfen, den Autoverkehr zu begrenzen, meint Zbyněk Linhart, der Vorsitzende des Verwaltungsrats des Tourismusverbands Böhmische Schweiz. „Heute konzentriert sich alles im Bereich Hřensko“, so Linhart. Die historischen Wege, zu denen unter anderem auch der Malerweg in seiner ursprünglichen Trassierung gehört, wurden nach 1945 durch die abgeriegelte Grenze der zwei „Bruderstaaten“ DDR und ČSSR gewaltsam unterbrochen. Nach 1989 wurden sie durch die EU-Außengrenze getrennt, waren aber immer noch in einem begehbaren Zustand.

© SZ Grafik

Bevor Tschechien 2007 dem Schengen-Raum beitrat, wurde auch auf tschechischer Seite der Nationalpark gegründet. Und nicht nur das. Entlang der Grenze wurde beiderseits die am strengsten geschützte Ruhezone eingerichtet. Das ist auch der Grund, warum die Frage neuer Wege über die Grenze bisher fast einem Tabu-Thema gleichkam. „Die vorgeschlagenen grenzüberschreitenden Wanderwege liegen in den Kernzonen der beiden Nationalparks. Eine Öffnung dieser Wege wird als überaus problematisch eingeschätzt, weil eine Beunruhigung in bisher nicht bzw. nur schwach frequentierte Bereiche hineingetragen wird“, schreibt Burkhard Beyer vom sächsischen Umweltministerium in einer ersten Reaktion.

Was den Brandschutz angeht, kommt Beyer sogar zu einer diametral anderen Einschätzung. Er geht davon aus, dass „die Brandgefahr durch fahrlässiges Handeln der Besucher deutlich steigen wird.“ Die Frage der Rettungswege sei deshalb unabhängig von den Wanderwegen zu prüfen und zu bescheiden. „Diese beiden Themen gilt es sauber zu trennen“, betont Beyer. Das sieht Landrat Geisler jedoch anders. Aus dem genannten Grund der Besucherlenkung sollten auch die Rettungswege für Gäste nutzbar sein.

Prag hat Interesse

Zumindest sind beide Ministerien im Gespräch, wie Referent Beyer bestätigt. In Prag sieht man eine Öffnung auch deutlich positiver und verfolgt das Thema offenbar schon länger. Und das auf allerhöchster Ebene, wie Umweltminister Petr Hladík bestätigt: „Bereits im Frühjahr habe ich bei unserem letzten Arbeitstreffen mit der sächsischen Seite unser Interesse an einer Öffnung historischer Wanderwege für Touristen vorgetragen“, so der Minister. Eins stehe aber wohl bereits fest. Eine Öffnung der Wege sei keine rein politische Frage. Voraussetzung sei eine Umweltverträglichkeitsprüfung.