Es ist ein magischer Moment. Einer, auf den Schlossbesitzer Sven-Erik Hitzer lange gewartet hat. Und nicht nur er. Dutzende Thürmsdorfer sind gekommen, um den Moment nicht zu verpassen. Der Moment, in dem der neue Turm auf das Thürmsdorfer Schloss gehoben wird. Etwa eine Tonne wiegt das hölzerne Konstrukt. Baumelnd an einem Kran schwebt es am Freitagnachmittag über die Köpfe der zahlreichen Besucher hinweg. Handys werden empor gereckt. Totenstille, dann tosender Applaus. Es ist geschafft.
Schloss Thürmsdorf bekommt nicht nur seinen alten Turm zurück. Das gesamte Dach wird umfassend saniert: der Dachstuhl, die Dacheindeckung, die Entwässerung und die Dachterrassen. Ein Großprojekt, in das rund eine Million Euro investiert werden. Der Großteil des Geldes, knapp 500.000 Euro, stammt aus Mitteln aus dem Denkmalschutz-Sonderprogramm des Bundes. Der Freistaat Sachsen gibt ebenfalls Fördergeld dazu: fast 400.000 Euro. Nicht zu vergessen die rund 155.000 Euro an Eigenmitteln, die der Schlossherr beisteuern muss. Viel Geld, "das nicht reichen wird", wie Hitzer zum Turmfest erklärte. Das historische Gemäuer sei eine Überraschungskiste.
Abgerissener Turm kehrt nach 70 Jahren zurück
Er muss es wissen. 1997 kaufte er das Schloss mit seiner Frau. Etwa drei Millionen haben sie eigenen Angaben nach bereits in das Gebäude investiert. "Ich habe mich damals von einer Idee locken lassen", sagt er heute. Plötzlich habe er nicht nur das Schloss, sondern auch den Park "an der Backe gehabt". Und den Willen, alles schrittweise zu sanieren. Das Ensemble sei sehr verspielt, entsprechend aufwändig sei eine Sanierung. Viel sei schon geglückt - Dank mehrere Förderprogramme. Nun folgt ein weiterer wichtiger Schritt mit der Sanierung des Daches.
"Wir haben immer versucht, das Schloss dicht zu halten", sagte Hitzer, der als Hotelier, Gastronom und Multi-Unternehmer in der Sächsischen Schweiz bekannt ist und unter anderem in Schmilka das Bio-Resort „Helvetia“ betreibt. Die Einbrüche im Dach seien in den letzten Jahren aber immer größer geworden. Dass Bund und Land 2023 die jetzt zum Einsatz kommenden Fördermittel beschlossen hätten, sei ein großes Glück, ein Meilenstein, ein historischer Moment.
Insgesamt zwei Bauabschnitte sind im Zuge der Dachsanierung geplant. Der erste konzentriert sich auf den alten Teil des Schlosses, das im 17. Jahrhundert gebaut wurde. Anschließend ist das Dach auf dem neueren Teil des Schlosses dran, das zwischen 1908 und 1911 ergänzt wurde. Hitzers Herzensprojekt ist dabei die Wiedererrichtung des Turmes auf der Südseite des alten Schlosses.
"Das Baujahr des Turmes ist gänzlich unbekannt", erklärte er. Was man weiß: Er muss Mitte der 1950er-Jahre abgerissen worden sein. Erst kürzlich sei ein Foto aufgetaucht, auf dem der alte Turm zu sehen ist. Ein Winterbild von 1953 um genau zu sein. Darauf zu erkennen ist der alte Schlossteil mit dem noch vorhandenen Turm. Das Foto ist jedoch nur eine Kopie. "Das Original suchen wir noch", so Sven-Erik Hitzer. Er vermutet, dass der Turm kurz darauf, im Jahr 1954, abgerissen wurde. "Niemand in Thürmsdorf weiß, wann genau."
Zimmerermeister braucht für Turmbau Nachhilfe
Nach dem Zweiten Weltkrieg seien viele historische Gebäude und auch Schlösser "geschleift" worden, sagt Zimmerermeister Thomas Leonhardi. Weg vom Alten, hin zum Neuem. Vermutlich ist der Turm diesem Trend auch zum Opfer gefallen. Leonhardi hat etwa vier Wochen lang an dem neuen Turm gebaut - in seiner Halle in Leupoldishain. Dafür kramte der Meister sogar alte Pläne heraus, die er während seiner Ausbildung anfertigte. Der Grund: Beim Turmbau war die "Vergatterung" gefragt. Ein Verfahren in der Handwerkszunft, mit dem gebogene Linien und Körper in unterschiedlichen Ansichten und zu unterschiedlichen Zwecken dargestellt werden. In der Meisterschule wird gelehrt, wie Vergattern geht. "Jetzt brauchte ich eine Auffrischung", sagt Leonhardi. Fichten- und Eichenholz hat er verwendet. Fertig ist der Turm aber noch nicht, denn er muss noch geschiefert werden.
Zum Turm gehört künftig auch eine Wetterfahne samt Kugel mit Zeitkapsel. "Aus Edelstahl, das hält ewig", sagte Schlossherr Hitzer. Er selbst hat sich da oben verewigen lasen, mit seinen Initialen "SEH". In der Zeitkapsel konnten sich wiederum die geladenen Gäste verewigen: mit besonderen Mitbringseln. Königsteins Bürgermeister Tobias Kummer (CDU) hatte neben guten Wünschen zum Beispiel den Königsteiner Ehrenamtstaler dabei. "Mit dem neuen Turm wird Thürmsdorf noch schöner", sagte Ortsvorsteher Colin Schuster und würdigte das langjährige Engagement Hitzers.
Das Schloss wird heute als Veranstaltungsort für Feste, Feiern und Hochzeiten genutzt. Zu DDR-Zeiten war es das Betriebsferienheim des Synthesewerks Schwarzheide, später wurde es zum FDGB-Erholungsheim umgewandelt. Auch die Grundschule der Gewerkschaft Forst- und Landwirtschaft nutzte einst die Räume im Schloss. Mit der Wende kam jedoch das Aus. Seit 1992 stand Schloss Thürmsdorf leer. Fünf Jahre später übernahm Sven-Erik Hitzer das Areal.