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Nach der Landtagswahl in Sachsen: Opferberatungen warnen vor mehr rechten Angriffen

Die hohe Zustimmung für rechtsextreme Parteien bei der Landtagswahl in Sachsen erzeuge viel Selbstbewusstsein bei den Tätern. Das bedrohe Geflüchtete und demokratische Initiativen.

Von Andrea Schawe
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Polizisten mussten den Umzug zum CSD in Bautzen gegen Angriffe von rechtsextremen schützen.
Polizisten mussten den Umzug zum CSD in Bautzen gegen Angriffe von rechtsextremen schützen. © Sebastian Willnow/dpa

Dresden. Nach den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen warnen die Opferberatungsstellen vor einer Zunahme rechtsextremer Gewalt. Sie befürchten einen "Flächenbrand" politisch rechts, rassistisch und antisemitisch motivierter Angriffe.

Gefährdet seien insbesondere Geflüchtete, Menschen mit Migrationshintergrund und politische Gegner wie Menschen, die sich in demokratischen Initiativen, Vereinen und Gewerkschaften engagieren, sowie Mandatsträger demokratischer Parteien. Schon in den Wahlkampf-Monaten haben die Opferberatungsstellen viele Angriffe verzeichnet.

"Viele Angegriffene, die von den Opferberatungsstellen unterstützt werden, fühlen sich angesichts der Mehrheitsverhältnisse in Landkreisen mit mehr als 40 bis 50 Prozent Zustimmung für die rechtsextreme AfD existenziell bedroht", sagte Andrea Hübler, Geschäftsführerin der Opferberatung Support der RAA Sachsen.

Extrem rechte Jugendkultur

Die Opferberatungsstellen befürchten, dass "die ohnehin schon erheblichen Beeinträchtigung des Alltags vieler Betroffener durch Bedrohungen und Angst nach den Landtagswahlen zunimmt". Bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen erreichte die in beiden Länder als rechtsextrem eingestufte AfD jeweils mehr als 30 Prozent.

Dieser Rechtsruck bringe "ein krasses Selbstbewusstsein junger Neonazis hervor" und eine Erweiterung des Täterkreises auf rassistisch und rechts eingestellte Menschen. "Wir sind mit einer extrem rechten Jugendkultur konfrontiert, wie wir sie seit den 1990er Jahren nicht mehr hatten", sagte Hübler.

Schon in den vergangenen Jahren habe man eine Normalisierung rechter Narrative und eine rechte Raumnahme gesehen. Hübler nannte unter anderem die Demonstration von Rechtsextremen zum Christopher Street Day (CSD) in Bautzen, wo die Abschlussparty nach dem Umzug von den Organisatoren wegen möglicher Bedrohung durch Rechtsextreme abgesagt worden ist. Auch der Leiter der Opferberatung Ezra in Thüringen, Franz Zobel, befürchtet eine "Normalisierung von Rassismus und Antisemitismus".

Vereine befürchten existenzielle Kürzungen durch AfD

Die Opferberatungen fordern sichtbare Unterstützung durch die demokratischen Parteien. Der Rechtsstaat müsse den Schutz von Betroffenen vor rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt zur Priorität machen.

"Eine Kultur von Straflosigkeit entmutigt die Betroffenen und ermutigt rechte Gewalttäter", sagte Andrea Hübler. Landes- und Bundespolitik seien in der Verantwortung, "die vielen Betroffenen nicht länger zu ignorieren und ihre berechtigten Ängste und Sorgen ernst zu nehmen".

Es brauche außerdem einen "Rettungsschirm" für die Opferberatungsstellen, Asyl- und Migrationsberatungen sowie zivilgesellschaftliche Demokratieprojekte, deren Abschaffung das erklärte Ziel der AfD ist.

Durch die veränderten Mehrheitsverhältnisse in Kommunen und Kreistagen drohten existenzielle Kürzungen in der Finanzierung. "Zur Beteiligung rufen wir sowohl große Stiftungen, Unternehmen und Zivilgesellschaft als auch die demokratische Mehrheit und die Bundes- und Landesregierungen auf", sagte Franz Zobel.

Im Durchschnitt zählte das Bundeskriminalamt seit Jahresbeginn 2024 täglich mindestens zwei politisch rechts motivierte Gewalttaten. 2023 wurden in Sachsen insgesamt 250 Gewalttaten registriert.