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Der Fall des bekannten Immobilienmaklers Beck: Eine Tragödie in Radebeul

Ein vermögender Bauunternehmer wird zum Pflegefall. Seiner Familie traut er nicht recht über den Weg, wohl aber einem Geschäftspartner. Das endet in einer Katastrophe.

Von Ulrich Wolf & Gunnar Klehm & Alexander Schneider
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Das Leben des bekanntesten Maklers der Region Dresden endete tragisch. Dem ging ein Streit um Millionen Euro voraus.
Das Leben des bekanntesten Maklers der Region Dresden endete tragisch. Dem ging ein Streit um Millionen Euro voraus. © www.imago-images.de

Ein sonniger Tag im Juni. Unter den Bäumen im Bestattungswald bei Coswig hat sich eine große Gruppe Menschen auf dem Andachtsplatz versammelt, sie lauscht den Tönen einer Saxofon-Spielerin. Es ist die Gedenkfeier für Jens Beck, einen der bekanntesten und gefragtesten Immobilienmakler und -gutachter der Region.

Sein Tod liegt Wochen zurück. Wie ein Lauffeuer hatte sich die Nachricht darüber Ende Mai verbreitet. Unfassbar waren die Umstände. Beck hatte sich mit 57 Jahren das Leben genommen, am Schießstand “Pulverfass” in Radebeul. Ein Schock für alle, die ihn kannten. Beck hinterlässt eine Frau und einen minderjährigen Sohn.

Beck hatte den Ruf eines Alles-ist-möglich-Machers. Als Triathlet ging er oft an seine Grenzen. In einer Traueranzeige auf der Homepage seiner früheren Firma wird er als "wacher, umsichtiger und vielseitiger Geist" beschrieben, der seine Familie, das Reisen, die Tierfotografie und den Sport liebte.

Mit dieser Anzeige informiert die Firma Beck & Holz Immobilien GmbH über den Tod ihres Gründers. Seine Frau führt nun die Geschäfte fort.
Mit dieser Anzeige informiert die Firma Beck & Holz Immobilien GmbH über den Tod ihres Gründers. Seine Frau führt nun die Geschäfte fort. © Holz und Beck Immobilien/Screenshot

Zu nahezu jedem schien Beck früher oder später einen Zugang zu finden. Auch zu schwierigen Charakteren. Zum knorrigen Bauunternehmer René Papai etwa. Ein 53 Jahre alter wohlhabender Unternehmer in Moritzburg, der sein Vermögen in der Baubranche gemacht hatte. Der Mann war nicht nur hart gegen sich selbst, sondern auch zu Geschäftspartnern und sogar zu seiner Familie. Sein Sohn Willy Hendrich schuftete jahrelang um die Anerkennung seines Vaters. Nichts sei gut genug gewesen, erzählt der Junior. "Selbst wenn ich tagelang von früh bis abends für die Firma unterwegs war."

Ein Draht zwischen zwei ungleichen Männern

Wen man auch fragt, selten bis nie hört man ein gutes Wort über Papai. Der Moritzburger Bürgermeister etwa war am Ende so genervt von dessen Auftreten, dass er nicht mehr persönlich mit ihm über dessen Grundstücke verhandeln wollte.

Wer jedoch Papais Vertrauen gewinnen konnte, war Beck. Alles begann mit einer Beratung in einer Immobilienangelegenheit. Sein Wort als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger hatte Gewicht. Becks Anwalt Klaus Voigt sagt, der Makler habe für Papai "lukrative Grundstücksgeschäfte" getätigt.

Beck und Papai fanden einen Draht zueinander, von dem nur wenige wussten. Sogar über Krankheit und Tod sprachen sie. Was sollte mal werden aus den vielen Papai-Millionen? Das Baumaschinen-Geschäft lief nicht mehr wie früher, die Abwicklung seines Lebenswerks belastete den schwer kranken Unternehmer zusätzlich.

Im Sommer 2023, wohl ahnend, dass es mit seinem Zustand nach einer Operation, weiter bergab gehen könnte, erteilt Papai vor einem Notar in Dresden dem Makler Beck eine Generalvollmacht für den Fall, dass er nicht mehr in der Lage sein sollte, für sich "selbst zu entscheiden und zu sorgen". Sohn Willy Hendrich sollte, so verfügt er, auf das Vermögen erst ab dem 30. Lebensjahr zugreifen dürfen. Becks Rechtsanwalt spricht von der "weitreichendsten Vollmacht, die mir je untergekommen ist". Sie sei "ein Ausdruck des absoluten Vertrauens".

Ein reicher Mann wird zum Pflegefall

Dem Notartermin folgt eine Kette folgenschwerer Ereignisse: Gut zwei Monate danach unternimmt Papai einen Suizidversuch. Er wird gerettet, kommt mit einer Kohlenmonoxidvergiftung und einem Schlaganfall erst in ein Krankenhaus, im Herbst 2023 dann in eine Reha-Klinik im Großraum Dresden. Dort gibt es eine eigens eingerichtete geschützte Station für schwer depressive, gar suizidgefährdete Menschen, geleitet von einer Neurologin. Eine Medizinerin, die zudem an Pflege-, Immobilien- und Vermögensverwaltungsfirmen beteiligt ist.

In einem Zwischenbericht konstatiert die Ärztin, Papai sei nicht mehr geschäftsfähig. Er werde "lebenslang auf umfangreiche pflegerische Unterstützung und Betreuung und auch Übernahme seiner weiteren Belange, insbesondere der finanziellen Belange, angewiesen sein". Damit tritt ein, was verabredet worden war: Beck hat die Fürsorge- und Generalvollmacht über alle Angelegenheiten Papais.

Ärztin kommt wegen Steuerhinterziehung vor Gericht

Die Ärztin lässt den Unternehmer – in Abstimmung mit Beck – in ein umgittertes Bett verlegen, er erhält ruhigstellende Medikamente. Das Betreuungsgericht in Kamenz genehmigt die "freiheitsentziehenden Maßnahmen". Zweimal wird die Reha verlängert. Im Entlassungsbericht der Ärztin heißt es: "Aus neuropsychologischer Sicht" sei Papais "Geschäftsfähigkeit nicht gegeben". Eine Besserung sei "aufgrund der erheblichen Schädigung der Gehirnstrukturen zeitlebens nicht zu erwarten".

Papai kommt in eine Pflege-WG nach Dresden. Die Trägerin der Betreuungseinrichtung gehört zu gleichen Teilen der Reha-Ärztin und ihrem Ehemann, ebenfalls Mediziner. Beide eint nicht nur die gemeinsame Branche, beide hatten sich Anfang dieses Jahres auch vor dem Amtsgericht Dresden zu verantworten: wegen Steuerhinterziehung. Während das Verfahren für den Ehemann wegen kleinerer Vergehen glimpflich ausging, verurteilte das Gericht in einem bislang nicht rechtskräftigen Urteil die Reha-Ärztin, Unternehmerin und Immobilieninvestorin zu einer Geldstrafe von 90.000 Euro.

Die Darlehen aus dem anvertrauten Vermögen

Damit nicht genug. Einen Tag bevor Beck starb, ließ die Staatsanwaltschaft Dresden Geschäfts- und Privaträume der Medizinerin durchsuchen: wegen des Verdachts der Beihilfe zur Untreue in einem besonders schweren Fall.

Beck hatte dem Ärzte-Ehepaar ein 1,6 Millionen Euro schweres Darlehen gewährt, finanziert aus dem ihm anvertrauten Papai-Vermögen. Zwar fließt von dem Geld ein gutes Vierteljahr später eine Tranche von 900.000 Euro wieder zurück, doch der Verbleib der restlichen Summe ist derzeit unklar.

Die Ärztin möchte sich nach Angaben ihrer Anwältin "zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zum Stand etwaiger Ermittlungen äußern". Bei der Reha-Klinik, in der Papai behandelt worden war, ist sie nicht mehr beschäftigt. Die Internetseite ihrer Betreuungs-GbR ist nicht mehr erreichbar. Sie hat Dresden verlassen und ist mittlerweile in Niedersachsen gemeldet.

Der Anwalt betont: "keine Kumpels-Geschäfte"

Es war nicht das einzige Geschäft, das Beck mit dem Papai-Geld einfädelte. Eine Viertelmillion Euro ging an eine Softwarefirma in Dresden. Eine Anfrage dazu beantwortete das Unternehmen nicht. Rund 150.000 Euro überwies der Makler an eine auf Sportwagentouren spezialisierte Eventagentur angeblich, um eine noch ausstehende Rechnung zu begleichen. An mindestens zwei von dieser Agentur veranstalteten Touren, die zu edlen Hotels in den Alpen oder in Südfrankreich führten, nahm Beck teil.

Im März 2024 sollte der geschäftsführende Gesellschafter der Agentur ein zweites Mal von seiner Beziehung zu Beck profitieren: Er erhält die vom Ärzteehepaar zurückgezahlten 900.000 Euro als weiteres Darlehen. Der Agenturchef teilt dazu mit, sein Anwalt habe ihm geraten, keine Auskünfte dazu zu geben.

Doch ist es verwerflich, aus einem anvertrauten Vermögen, über das man als Bevollmächtigter verfügt, private Darlehen auszureichen? Becks Anwalt sagt, die wesentlichen Rechtsgeschäfte, die sein Mandant als Bevollmächtigter über das Papai-Vermögen getätigt habe, seien notariell beurkundet worden. Die Darlehen hätten eine "marktübliche Verzinsung" gehabt.

Beck habe dafür auch die Zustimmung des möglicherweise nicht geschäftsfähigen Papais eingeholt. Es seien "keine Kumpels-Geschäfte" gewesen. Herr Beck sei möglicherweise "zu ambitioniert" gewesen, aber er, Voigt, könne bis heute "weder eine Gefährdungs- noch eine Schädigungsabsicht" erkennen.

Jens Beck und sein Unternehmen engagierten sich in der Region, unterstützten unter anderem das Musikfestival in Moritzburg oder den Bau der neuen Treppe im Bismarckturm in Radebeul.
Jens Beck und sein Unternehmen engagierten sich in der Region, unterstützten unter anderem das Musikfestival in Moritzburg oder den Bau der neuen Treppe im Bismarckturm in Radebeul. © SZ/Gunnar Klehm

Das geplatzte Ferrari-Geschäft

An sich selbst zahlte Beck "Betreuungsvergütung": 16.000 Euro im Dezember 2023, gut 14.000 Euro im Januar und 15.500 Euro im Februar 2024. Ohne nähere Bezeichnungen fließen zudem 70.000 Euro auf sein Konto "gemäß Vollmacht". Während all dieser Vorgänge lag Bauunternehmer Papai in der Dresdner Pflege-WG, inzwischen versehen mit einem Pflegegrad fünf und einem Bescheid seiner privaten Versicherung, demzufolge sie für die Pflegeleistungen aufkommt.

Plötzlich, im März dieses Jahres endet Becks Geldverteilung. Papai-Sohn Hendrich versichert dazu an Eides statt, Beck habe "unter Berufung auf die ihm erteilte Vorsorgevollmacht eine Rechnung einer Kfz-Leasingfirma über fast 564.000 EUR für den Erwerb eines Pkw Ferrari der Deutschen Bank AG zur Überweisung vorgelegt". Das Geldhaus habe die Auszahlung dieses Betrages verweigert, "weil es der Ansicht war, die Anweisung einer solchen Zahlung sei nicht bei der Vorsorgevollmacht erfasst".

Dass der Kauf eines Ferraris für einen schwerstpflegebedürftigen Menschen der Bank ungewöhnlich erscheinen musste, ist nachvollziehbar. Doch war das illegal? So ist unter Sportwagenfans bekannt, dass bestimmte Ferrari-Typen stabile Wertanlagen sind, weil die Fahrzeuge rar und nachgefragt sind.