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Wagenknecht: Ukraine-Friedensfrage entscheidend für Koalitionen

Im Landtagswahlkampf in Sachsen, Thüringen und Brandenburg nimmt die Wagenknecht-Partei BSW den Krieg in der Ukraine sehr wichtig - und macht eine Ansage an künftige Partner. Die CDU kontert.

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BSW-Parteigründerin Sahra Wagenknecht macht Koalitionen in Ostdeutschland auch von der Haltung der Partner zum Krieg in der Ukraine abhängig.
BSW-Parteigründerin Sahra Wagenknecht macht Koalitionen in Ostdeutschland auch von der Haltung der Partner zum Krieg in der Ukraine abhängig. © WDR

BSW-Parteigründerin Sahra Wagenknecht macht Koalitionen in Ostdeutschland auch von der Haltung der Partner zum Krieg in der Ukraine abhängig.

"Wir werden uns nur an einer Landesregierung beteiligen, die auch bundespolitisch klar Position für Diplomatie und gegen Kriegsvorbereitung bezieht", sagt die Vorsitzende des Bündnis Sahra Wagenknecht der Deutschen Presse-Agentur. Denn es sei klar, "dass ein neues Wettrüsten Milliarden verschlingt, die dringend für Schulen, Krankenhäuser, Wohnungen und höhere Renten gebraucht werden".

Die sächsische CDU konterte prompt: "Wir klären unsere Dinge in Sachsen selbst und lassen uns nicht von Leuten aus Berlin oder anderswo reinquatschen. Mit Saarländern haben wir sowieso schlechte Erfahrungen", erklärte CDU-Generalsekretär Alexander Dierks. Er spielte damit auf den früheren DDR-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker (1912-1994) an, der aus dem Saarland stammte. Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sei der erste Politiker gewesen, der sich zu Diplomatie und einem langfristigen Verhältnis zu Russland geäußert habe. "Er hat keinen Erklärungsbedarf. Andere allerdings schon!"

Im September werden in Sachsen, Thüringen und Brandenburg neue Landtage gewählt. Die Wagenknecht-Partei BSW stellt dabei neben Bildung und Migration auch das Thema Frieden in den Mittelpunkt - und findet in den drei Ländern mit Umfragewerten von 15 bis 20 Prozent viel Anklang. Auch die AfD greift das Thema auf. Beide Parteien sind gegen Waffenlieferungen an die Ukraine und für sofortige Verhandlungen der Ukraine mit Russland.

Wagenknecht: "Die Friedensfrage ist sehr wichtig"

"Die Friedensfrage ist sehr wichtig", sagt Wagenknecht. "Viele Menschen sind zu Recht beunruhigt, weil die Bundesregierung unser Land immer mehr zur Kriegspartei im Ukraine-Krieg macht und bisher jedes Bemühen um diplomatische Lösungen vermissen lässt." Sie kritisiert auch die Ankündigung, 2026 US-amerikanische Raketen in Deutschland zu stationieren. Bundeskanzler Olaf Scholz befürwortet dies als Reaktion auf eine wachsende russische Bedrohung.

Die sächsische BSW-Chefin Sabine Zimmermann bekräftigt die Position ihrer Parteichefin. "Die Menschen sehen ja das Leid in der Ukraine und fragen sich, warum alle anderen Parteien immer wieder für weitere Waffenlieferungen in Milliardenhöhe stimmen." Die Friedensfrage werde ihr auf den Marktplätzen immer wieder gestellt. Zimmermann führt den hohen Zuspruch für ihre Partei in Sachsen und Thüringen vor allem auf die klare Haltung des BSW zu Krieg und Frieden zurück.

Zwei Themen sind Zimmermann bei ihren Gesprächen dabei begegnet: "Erstens haben die Menschen wirklich Angst, dass wir Schritt für Schritt immer weiter in den Krieg hineingezogen werden. Das ist keine abstrakte politische Sorge, die da geäußert wird. Die Menschen öffnen uns am Wahlstand ihre Herzen und sagen, dass sie existenzielle Angst haben und hoffen, wir als neue Partei können dagegen was tun."

Und zweitens hätten die Ostdeutschen auch ein feines Gespür dafür, dass sie von vielen im Westen - auch von den Medien - in ihren Ängsten nicht ernst genommen werden. "Viele fragen sich: "Was ist da eigentlich los in Deutschland?" Da besteht schon die Sorge, dass ein medialer Mainstream ähnlich wie 2015 in der Migrationsfrage legitime Sorgen und Ängste einfach platt bügelt."

Zimmermann: Auch an die "Zeit nach Putin" denken

Zimmermann sieht gar nicht mal eine besondere Beziehung der Ostdeutschen zu Russland. "Das ist ein sehr realistisches und pragmatisches Verhältnis. Hier hat niemand Sympathien für Putins Entscheidung, die Ukraine anzugreifen." Doch die Ostdeutschen wüssten offenbar besser als die Westdeutschen, dass sich Russland auch bei fortgesetzten Waffenlieferungen des Westens an die Ukraine nicht einfach in Luft auflösen werden und man auch künftig mit einem schwierigen Nachbarn umgehen müsse. "Genau diese pragmatische Haltung haben wir wohl besser gelernt."

Es gelte auch an die "Zeit nach Putin" zu denken: "Womit will man die Beziehungen zu Russland reaktivieren? Am besten doch wohl über wirtschaftliche Beziehungen und kulturelle und gesellschaftliche Austausche. Und in diesen Bereichen ist Sachsen prädestiniert, die Verbindungen auch jetzt nicht vollständig abreißen zu lassen."

Der sächsischen BSW-Chefin ist völlig klar: Die Möglichkeiten, durch Landespolitik Einfluss auf die Verteidigungs- und Außenpolitik Deutschlands zu nehmen, sind begrenzt. "Aber wir haben ein scharfes Schwert: die Bundesratsinitiative", sagt Zimmermann. Wenn ihre Partei nach dem 1. September in Sachsen an einer Regierung beteiligt wäre, könnte der Freistaat via Bundesrat diplomatische Initiativen zu einer sofortigen Verhandlungsrunde ohne Vorbedingungen einfordern. Eine sächsische Landesregierung, die dem aktuellen Kurs der Bundesregierung widerspricht, hätte auch eine nicht zu unterschätzende symbolische Wirkung, ist Zimmermann überzeugt.

Zimmermann berichtet von eigenen Kriegserfahrungen

Zimmermann hat vor nicht langer Zeit mit eigenen Augen gesehen, was Krieg bedeutet. Am 7. Oktober 2023 war sie mit ihren Enkelkindern gerade in Israel, als Terroristen der islamistischen Hamas aus dem Gazastreifen nach Israel eindrangen und ein beispielloses Massaker mit mehr als 1.200 Toten verübten. "Ich hatte in meinem Leben noch nie so viel Angst um meine Familie wie in diesen vier Tagen."

Vier Tage lang sei sie mit den Enkeln nicht aus Tel Aviv weggekommen, ständig habe es Bombenalarm gegeben. "200 Meter neben uns ging eine Bombe nieder. Im Sekundentakt waren Einschläge zu hören. Wer das erlebt, sieht Krieg noch einmal anders. Deswegen werde ich - wo ich kann - gegen Krieg kämpfen." (SZ/dpa)