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Anschlag von Solingen: Diese Konsequenzen fordern Sachsens Politiker

Nach der Messerattacke von Solingen fordert CDU-Innenminister Armin Schuster konsequentere Abschiebungen - und erntet dafür Kritik von den Linken. Die SPD-Sozialministerin Petra Köpping warnt vor einer Instrumentalisierung.

Von Erik Geipel & Tobias Winzer
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Für Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) ist der Angriff in Solingen ein deutliches Zeichen für die gescheiterte Flüchtlingspolitik der Bundesregierung. Auch Sozialministerin Petra Köpping (SPD) findet deutliche Worte.
Für Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) ist der Angriff in Solingen ein deutliches Zeichen für die gescheiterte Flüchtlingspolitik der Bundesregierung. Auch Sozialministerin Petra Köpping (SPD) findet deutliche Worte. ©   dpa

Solingen/Dresden. Nach dem tödlichen Messerangriff von Solingen zeigen Politikerinnen und Politiker aus ganz Deutschland ihre Anteilnahme für die Opfer, die am Samstag ihr Leben verloren. Bei dem Angriff auf einem Stadtfest waren am Freitagabend drei Menschen getötet worden. Acht Menschen wurden verletzt, fünf davon schwer. Die Polizei in Nordrhein-Westfalen stufte die Tat wegen des zielgerichteten Vorgehens des Täters als Anschlag ein.

Auch aus Sachsens Politik kommen nun Forderungen nach Konsequenzen. Manche warnen aber auch vor voreiligen Schlüssen.

Innenminister Schuster kritisiert Ampelregierung

Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) appelliert erneut für stärkere Grenzkontrollen und konsequentere Abschiebung: "Meine Geduld mit der Artikulation von Bestürzung und politischen Beteuerungen ist aufgebraucht. Die Ampel ist in der Migrationspolitik vom ersten Tag an ein säumiger Schuldner geblieben", sagte er. Zudem verlangte er Abschiebeflüge nach Syrien und Afghanistan. Schuster kritisiert die Ampel-Koalition und fordert den Familiennachzug für Personen mit subsidiärem Schutz auszusetzen. "Deutschland hat sich in den zurückliegenden Jahrzehnten zu einem Asylmagneten entwickelt und um das umzukehren, müssen wir einen harten und in der Welt spürbaren Kurswechsel vollziehen."

Kritik an der Reaktion von Schuster kommt von Sachsens Linken. "Es hätte mich auch sehr gewundert, wenn Innenminister Armin Schuster nicht versucht hätte, den Anschlag von Solingen für seinen Wahlkampf zu instrumentalisieren. Unverantwortlich und eklig", schreibt die Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz auf X.

Ähnlich äußert sich auch die Linke-Landtagsabgeordnete Juliane Nagel, ebenfalls auf X. "Was es nun braucht sind Empathie & Fürsorge für die Hinterbliebenen & zielgenaue Ermittlungen", schreibt sie. "Was es nicht braucht sind Schuldzuweisungen an eine Herkunfts- oder Religionsgruppe, das Schüren von Rassismus und Angriffe auf das Recht auf Asyl oder einen hysterischen Überbietungswettbewerb an Forderungen nach politischen Verschärfungen, von denen Expert*innen sagen, dass sie nichts bringen."

Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sieht nach dem Terroranschlag von Solingen die Bundesregierung in der Pflicht. "Bei aller Trauer muss aber auch klar sein: Jetzt ist Schluss mit Beschwichtigungen und Aussitzen: Die Bundesregierung muss endlich handeln. Damit dem Hass Einhalt geboten wird, braucht es die Einsicht zum notwendigen und entschlossenen Reagieren", sagte Kretschmer.

Auf X veröffentlichte ein längeres Statement zu dem Anschlag. Darin fordert er erneut eine Obergrenze für Asylbewerber. "Statt 320.000 Schutzsuchende wie im vergangenen Jahr, muss das Zielbild der deutschen Flüchtlingspolitik eine niedrige Zahl, um die 50.000 Personen, für die kommenden Jahre sein", so Kretschmer. "Unser Nachbarland Dänemark zeigt wie es geht."

Insgesamt dringt die Union nach der Messerattacke in Solingen auf Konsequenzen im Asylrecht. Die wenigsten Bewerber bekämen Asyl wegen des Schutzes nach dem Grundgesetz, sagte der Bundestagsabgeordnete Alexander Throm (CDU) am Montag im ARD-"Morgenmagazin". Die meisten, insbesondere aus Afghanistan und Syrien, erhielten subsidiären Schutz, sie seien in ihrer Person nicht verfolgt oder bedroht. In Afghanistan fänden keine Kampfhandlungen mehr statt, in Syrien nur lokal begrenzt. "Deswegen muss der subsidiäre Schutz für Afghanen und für Syrer wegfallen."

Throm forderte zudem weitere Kontrollen an den deutschen Grenzen. Dort müsse es auch Zurückweisungen von Menschen geben, die in einem sicheren Drittstaat oder in einem anderen EU-Land hätten Asyl beantragen können.

Dagegen wehrt sich SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert. "Die Antwort kann doch nicht sein, dass wir Menschen, die selber vor Islamisten fliehen, weil sie von denen für ihre Lebensweise verfolgt werden, jetzt die Tür vor der Nase zuschlagen", sagt Kühnert. Man müsse sich jetzt anschauen, warum die Rückführung des mutmaßlichen Täters nach Bulgarien nicht geklappt habe. Bulgarien sei nach allem, was man wisse, bereit gewesen, ihn zurückzunehmen. "Zuständig sind für Abschiebungen in Deutschland die Länder, das wäre in diesem Fall Nordrhein-Westfalen gewesen." NRW müsse jetzt die Fakten auf den Tisch legen, warum nicht gehandelt worden sei.

Petra Köpping zeigt sich betroffen und wütend

Sachsens Sozialministerin Petra Köpping (SPD) ist in Gedanken bei den Opfern der Tat. Sie verurteilt den feigen und brutalen Anschlag bei X, ehemals Twitter. Für die Spitzenkandidaten der Sachsen-SPD ist die Tat in Solingen menschenverachtend. "Sie zeigt einmal mehr die furchtbaren Wirkungen des islamistischen Terrorismus. Es ist richtig, mit klaren gesetzlichen Regelungen und leistungsfähigen Sicherheitsbehörden für die Bekämpfung von Terrorismus und Gewalt zu sorgen. Es braucht aber genauso eine besonnene gesellschaftspolitische Debatte. Eine parteipolitische Instrumentalisierung verbietet sich von selbst", so Köpping.

Am Montag legte Köpping nach: "Niemand sollte so tun, als hätte diese Tat durch die eine oder die andere einzelne Maßnahme verhindert werden können. Bevor das große Fingerzeigen auf andere losgeht, sollten wir gemeinsam schauen, was zu tun ist", sagte die Spitzenkandidatin der SPD bei der anstehenden Landtagswahl. Das Ziel der Terroristen sei doch, die demokratische Gesellschaft zu spalten. "Von uns allen, egal ob Bund oder Land, sollte kein Signal einer solchen Spaltung ausgehen. Denn dann verlieren wir alle. Insbesondere verbietet sich eine Instrumentalisierung im Wahlkampf." Es sei schlimm genug, dass die Rechtsextremen das tun. "Wir Demokraten sollten besonnen handeln."


Auch Parteikollege und Bundeskanzler Olaf Scholz zeigt sich betroffen: " Der Anschlag in Solingen ist ein schreckliches Ereignis, das mich sehr bestürzt", erklärte der SPD-Politiker auf der Plattform X. Er habe mit Solingens Oberbürgermeister Kurzbach bereits gesprochen. "Wir trauern um die Opfer und stehen an der Seite der Angehörigen. Den Verletzten wünsche ich eine schnelle Genesung", erklärte der Kanzler und ergänzte: "Der Täter muss rasch gefasst und mit der vollen Härte des Gesetzes bestraft werden."

Vize-Kanzler Robert Habeck (Grüne) erklärte auf Instagram seine Anteilnahme. "Gewalt gegen Menschen, die einfach nur glücklich feiern wollten, ist verdammenswert." Er fordert eine schnelle Aufklärung der Tat.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat nach dem Anschlag von Solingen striktere Abschiebepraxis für abgelehnte Asylbewerber in Deutschland gefordert. "Jemand der Asylbewerber ist, aber keinen Asylanspruch hat, der muss das Land verlassen", sagte Söder am Sonntag im ARD-Format "Frag selbst", bei dem Bürger online Fragen an Politiker stellen können. Die Antworten wurden über Social-Media-Kanäle der ARD ausgestrahlt.

Schärferes Waffenrecht? Uneinigkeit bei FDP

Der sächsische Bundestagsabgeordnete der FDP, Torsten Herbst, sieht die Notwendigkeit, das Asylrecht, strikter anzuwenden. Eine ebenfalls diskutierte Verschärfung des Waffenrechts lehnt er ab. "Das schreckliche Attentat von Solingen zeigt kein Problem des Waffenrechts, sondern ein Problem mit dem Asylrecht und dessen konsequenter Anwendung", schreibt Herbst auf X. "Wer sich vorsätzlich einer Abschiebung entzieht, darf keinen neuen Schutzstatus in Deutschland erhalten."

Der sächsische FDP-Bundestagsabgeordnete und Rechtsanwalt, Philipp Hartewig, äußert sich ähnlich: "Die Diskussion um schärfere Waffengesetze ist eine Scheindebatte und geht am Thema vorbei. Das Tatmittel in Solingen war mutmaßlich ein Küchenmesser, da bringt auch ein neues Waffenrecht kein Mehr an Sicherheit." Die Probleme lägen im strukturellen Islamismus und in fehlerhafter Vollzugspraxis. "Statt uns in Pseudo-Debatten bezüglich der Änderung des Waffengesetzes zu verlieren, müssen wir sicherstellen, dass der Rechtsstaat konsequent durchgesetzt wird. Dazu gehört, mit aller Härte gegen islamistische Gefährder vorzugehen und diejenigen abzuschieben, die in unserem Land keine Aufenthaltsgenehmigung erhalten." Die Bundespolizei müsse beispielsweise die Befugnis erhalten, Abschiebungen selbst durchführen zu können.

FDP-Bundesjustizminister Marco Buschmann kündigte unterdessen aber Verhandlungen über das Waffenrecht für Messer an. "Wir werden nun in der Bundesregierung darüber beraten, wie wir den Kampf gegen diese Art der Messer-Kriminalität weiter voranbringen", sagte der FDP-Politiker der "Bild am Sonntag". Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kündigte am Montag eine Verschärfung des Waffenrechts an.

Auch Vertreter der AfD sehen den Anschlag als Folge der Asylpolitik der Bundesregierung. Der Europaabgeordnete Maximilian Krah schreibt bei X: "Der Anschlag von Solingen ist die Folge des Asylrechts und der zugehörigen Verwaltungspraxis, beides exakt so politisch ins Werk gesetzt." (mit dpa)