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Grüne nach der Landtagswahl: "Eine Entschuldigung seitens des Ministerpräsidenten wäre angemessen"

Die Grünen haben es in den Landtag aber nicht mehr in die Regierung geschafft. Franziska Schubert erklärt, was das für die Partei bedeutet und warum sie auch Michael Kretschmer verantwortlich macht.

Von Andrea Schawe
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Franziska Schubert war eine der Spitzenkandidaten der Grünen bei der Landtagswahl.
Franziska Schubert war eine der Spitzenkandidaten der Grünen bei der Landtagswahl. © dpa

Die sächsischen Grünen haben bei der Landtagswahl am 1. September den Einzug in das Parlament geschafft - mit 5,1 Prozent. 2019 hatten die Grünen noch 8,6 Prozent der Stimmen erhalten. In Dresden und Leipzig konnten mit Thomas Löser und Claudia Maicher zwei Abgeordnete ihr Direktmandat verteidigen. Die neue Fraktion wir demnach kleiner: statt bisher zwölf sitzen in der kommenden Legislaturperiode nur noch sieben Abgeordnete für die Partei im Landtag.

Der Stimmenverlust haben Konsequenzen: Für eine Fortsetzung der bisherigen Kenia-Koalition reicht es nicht. Die Grünen werden wohl in der Opposition ihre Rolle finden müssen.

Frau Schubert, die Grünen haben es in den Landtag geschafft, die neue Fraktion ist aber um die Hälfte kleiner als die alte. Wie ist die Stimmung bei Ihnen?

Es schon ein Unterschied von zwölf auf sieben Abgeordnete. Aber wir sind drin und wir werden das Beste daraus machen. Wir sind ja erfahren in der Oppositionsarbeit. In den vielen Schalten mit unserer Basis spürt man auch eine Erleichterung darüber, dass wir es in den Landtag geschafft haben. In die Opposition zu gehen, stößt bei unserer Basis durchaus auch auf Wohlwollen. Man merkt, dass es aktuell schwierig zu vermitteln wäre, wenn wir etwas anderes machen würden.

Erststimmen:

Für eine Fortsetzung der bisherigen Koalition mit CDU und SPD reicht es knapp nicht mehr. Sie haben Ihre Regierungsarbeit aber immer als erfolgreich bewertet. Woher kommen nun diese Vorbehalte?

Auch unsere Mitglieder sehen diese Erfolge. Aber der Umgang von Michael Kretschmer mit uns wirkt sehr stark nach. Die letzten anderthalb Jahre, eigentlich seit die Ampel im Bund regiert, gab es dieses Theater, diese unsäglichen Bilder und Karikaturen. Das wirkt richtig krass nach. Und das merken wir auch, wenn wir mit den Mitgliedern sprechen.

Die CDU hat angekündigt, dass sie allen im Landtag vertretenen Parteien – außer der AfD und der Linken – Gespräche anbieten will. Würden Sie das trotzdem machen?

Bevor man wieder in Gespräche einsteigt, wäre eine Entschuldigung seitens des Ministerpräsidenten angemessen für die Art und Weise, wie er und seine CDU-Fraktion in Sachsen die Grünen diffamiert haben. Als Demokraten sind wir gesprächsbereit, aber es gibt in aller Deutlichkeit eine starke Zurückhaltung bei uns, die auch verständlich ist.

Der Landtag ist in den kommenden Jahren bunter, mit einer geschrumpften Linksfraktion, einer großen AfD-Fraktion und den Abgeordneten des Bündnis Sahra Wagenknecht. Was erwarten Sie in der nächsten Legislaturperiode?

Ja, das wird nicht schöner und auch nicht besonders stabil. Ich weiß nicht, ob es fünf Jahre lang eine stabile Regierung geben oder ob wir uns von Übergang zu Übergang hangeln und Sachsen zum politischen Experimentierfeld wird. Es wird Abstimmungen geben, bei denen man die demokratische Opposition braucht, etwa bei der Wahl der Verfassungsrichter. Und da muss ich klar sagen: Das sind keine Selbstläufer.

Wie meinen Sie das?

Der Ministerpräsident ist gefragt. Er sollte aufpassen, welche Signale er sendet. Jedem, der denkt, es würde mit Erpressung weitergehen, muss ich eine klare Absage erteilen. Das Motto „Wenn ihr nicht mitmacht, dann macht eben die AfD mit“ wird nicht funktionieren. Ich bin zuversichtlich, dass wir uns als Grüne im neuen Landtag sortieren, arrangieren und positionieren können. Aber es sind ja nicht nur die Grünen, die sich mit sich selbst befassen sollten, sondern insbesondere auch die CDU. Sie hat das schlechteste Wahlergebnis für sich und für Sachsen eingefahren und etliche Direktmandate verloren. Da wäre Selbstreflexion angebrachter als eine große Klappe und Falschdarstellungen. Dieses Wahlergebnis ist kein Erfolg, wie die CDU das jetzt hinstellt. Denn erstens gab es erneut viele Leihstimmen, dazu wieder kein Wort, und zweitens ist die demokratische Mitte destabilisiert worden. Ich frage mich, wer zukünftig unser Gesprächspartner sein soll. Da ist so viel kaputtgegangen und ohne Not zerstört worden. Das macht mich nachdenklich.

Inwiefern?

Ich mache mir keine Sorgen um unseren Anstand in der Sprache, um unsere demokratische Grundlage und unsere Einstellung als Bündnisgrüne. Die wird sich nicht ändern, wir sind Demokraten durch und durch. Aber die letzten Monate haben etwas mit uns gemacht, genauso wie das Wahlergebnis. Jenseits der Frage, wie wir das intern selbstverständlich auch selbstkritisch aufarbeiten müssen und werden, sind wir nicht für die jetzige Situation verantwortlich. Ich sehe auf Sachsen instabile Zeiten zukommen. Mit so einer massiven AfD-Fraktion wird die Grundstimmung noch männlicher, noch aggressiver, noch treibender. Das wird heftig. Aber als Opposition gibt es Chancen für uns, die müssen wir ergreifen und das Beste draus machen.

Welche Schwerpunkte wollen Sie als Oppositionskraft setzen?

Das ist noch sehr früh. Aber natürlich wissen wir, woran es im Freistaat krankt. Aus der Opposition heraus lässt sich dazu eine ganz andere Sacharbeit machen, als das vielleicht in der Koalition möglich gewesen ist. Da haben wir uns innerhalb des Koalitionszwangs befunden. Für die Themen Standortbedingungen und Daseinsvorsorge in Stadt und Land braucht es Antworten, die es bisher nicht gibt. Das Thema des erstarkenden Rechtsextremismus, auch in Jugendstrukturen, liegt klar auf der Hand. Die Kinder und Jugendlichen sind die Grundlage für ein gesellschaftlich gutes Klima in der Zukunft. Aufgaben gibt es viele. Mit sieben Abgeordneten müssen wir sehen, wo wir Schwerpunkte setzen. Wir werden auch weiterhin aufmerksam im Dialog mit Netzwerken und Partnern etwa in der Zivilgesellschaft oder der Wirtschaft sein.

Bei den Grünen herrscht beim Blick auf die ersten Ergebnisse der Landtagswahl am Wahlsonntag betretendes Schweigen.
Bei den Grünen herrscht beim Blick auf die ersten Ergebnisse der Landtagswahl am Wahlsonntag betretendes Schweigen. © dpa

Ihre beiden Landesparteivorsitzenden sagten nach der Wahl, dass die Grünen mit ihren Themen im Wahlkampf wohl nicht durchgedrungen sind. Sehen Sie das auch so?

Ich habe viel darüber nachgedacht in den letzten Tagen. Wo sind Stellschrauben? Wo hätten wir die Dinge auch anders machen können? Wenn ich jetzt durch die Lausitz fahre, hängen noch diese ganzen AfD-Plakate. Sie hatten bestimmt 50 Plakatmotive, zu jedem Thema irgendein Statement. Das kann man finden, wie man will. Wir hatten sechs Themen-Plakate, bei denen wir uns bewusst für grüne Kernthemen entschieden haben. Es wäre vielleicht wichtig gewesen, auch zu anderen Themen noch einmal klar sichtbar Position zu beziehen. In diesem Wahlkampf ging es aber insgesamt wenig um landespolitische Inhalte. Das Thema strategisches oder taktisches Wählen hat alles überlagert. Es ging fast nur darum, oder um außenpolitische Themen wie den Krieg in der Ukraine und Migration.

Wird es innerhalb der Grünen eine kritische Aufarbeitung dieses Wahlkampfs und des Ergebnisses der Landtagswahl geben?

Ja, das wird eine Aufgabe der nächsten Zeit und Jahre sein. Wir müssen uns ganz grundsätzlich damit auseinandersetzen, welchen Stand wir bei der Jugend oder den über-60-Jährigen haben. Es geht um unsere Bekanntheit und die Zuschreibungen, die wir bekommen. Das kann man vielleicht in der Opposition besser sortieren. Denn das Regieren war auch ein Kraftakt, unbenommen von der Art und Weise, wie versucht wurde, uns unter Wasser zu drücken.

Wie wird diese Aufarbeitung aussehen?

Wir sind derzeit in Gesprächen mit der Basis, mit den Direktkandidaten und den Kreisverbänden. Das ist sicherlich noch nicht zu Ende. Wir nehmen das sehr ernst und müssen entscheiden, wie wir uns die nächsten Jahre aufstellen. Das Ziel muss sein, dass wir wieder stärker werden. Und auch, dass sich das Bild von uns in der Öffentlichkeit wieder verändert. Das halte ich für dringend notwendig, weil dort absolut etwas in die Schieflage geraten ist.

Am 17. September will sich die neue Grüne-Fraktion konstituieren. Werden Sie erneut für den Fraktionsvorsitz kandidieren?

Es gibt keine angezeigten Gegenkandidaten. Ich mache dieses Angebot. Ich habe die Fraktion in den letzten Jahren souverän geführt und möchte das auch weiterhin tun.