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Morgenlage in Sachsen: Rücktritt + Rückblick + Rückschritt

Der Rücktritt von Dirk Neubauer hinterlässt viele Fragezeichen + Was fünf Jahre grüner Umweltminister dem Freistaat brachten + Ex-Pegida-Anführerin Festerling verurteilt

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Der Landrat des Kreises Mittelsachsen, Dirk Neubauer (parteilos), tritt zurück.
Der Landrat des Kreises Mittelsachsen, Dirk Neubauer (parteilos), tritt zurück. © dpa

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Guten Morgen,

es sind ganz schön turbulente Tage in Sachsen, mit denen der Countdown in den Landtagswahlkampf hierzulande gerade gestartet ist. Erst verabschiedet sich Mittelsachsens Landrat Dirk Neubauer von der landespolitischen Bühne, dann wird nach so vielen Jahren des Wartens und Zweifelns nun endlich bei der Bahn eine Bremse gelöst und es soll losgehen mit dem Ausbau der Schnellzugverbindung von Berlin über Cottbus nach Görlitz. Alles lange versprochen, nun ist die Finanzierungszusage amtlich. Ja, auch das gehört in Wahlkampf-Zeiten – das Erfolge-Verkaufen, Bändchen durchschneiden und gegenseitiges Lob für Erreichtes. Nun, womöglich kam genau das auch gelegentlich auf landespolitischer Ebene etwas zu kurz.

Rückblickend möchte man sagen: ein ganz normaler Tag in Sachsen. Mit all seinen Höhen und Tiefen, Ecken, Kanten und – wie soll man es nennen – regional „besonderen“ Nachrichten. Vom Hort, in dem Grundschul-Kinder Steine in Hakenkreuz-Form legen und „Ausländer raus“ singen, einem Simson-Treffen in Zwickau, bei dem übelste rassistische Parolen gebrüllt werden, aber niemand so richtig dazwischen geht.

Und dann fällt mir wieder dieser mahnende Satz von Dirk Neubauer ein: „Ich gebe auf, weil da draußen zu viele den Mund halten.“

Herzlichst,

Ihre
Annette Binninger,
Chefredakteurin Sächsische.de

Das Wichtigste am Morgen:

Dirk Neubauers Rücktritt hinterlässt viele Fragezeichen

Die Reaktionen auf den Wahlsieg von Dirk Neubauer bei der Landratswahl 2022 in Mittelsachsen waren deutlich. Als Neubauer mit der Unterstützung von SPD, Grünen und Linken ins Amt kam, war das ein Hoffnungssignal für linke Bündnisse. Motto: Wenn sich die drei zusammentun, lässt sich in einer guten Konstellation etwas gegen die konservative Dominanz in Sachsen ausrichten. Am Dienstag ist Neubauer zurückgetreten. Doch warum der Schritt und weshalb jetzt? Sächsische.de-Reporterin Andrea Schawe und Sächsische.de-Reporter Thilo Alexe gehen der Frage auf dem Grund, ob die Amtszeit des Mittelsächsischen Landrates von Beginn an zum Scheitern verurteilt war und warum die Liaison zwischen Neubauer und Mittelsachsen an einigen Punkten auch ein großes Missverständnis war.

So reagiert Sachsen auf den Rücktritt von Dirk Neubauer

Der parteilose Landrat des Kreises Mittelsachsen, Dirk Neubauer, tritt zurück. In einer persönlichen Erklärung auf seinen Social-Media-Kanälen begründete er den Schritt am Dienstag vor allem mit Anfeindungen und fehlenden Durchsetzungsmöglichkeiten. Petra Köpping, SPD-Spitzenkandidatin und Sozialministerin reagierte bestürzt: "Ich kann gut verstehen, wie Dirk Neubauer sich fühlt. Wir müssen als Gesellschaft insgesamt überlegen, wie wir mit unseren gewählten Verantwortungsträgern umgehen. Auch Justizministerin Katja Meier (Grüne) war vom Rücktritt überrascht: "Es sollte uns alle in Sachsen nachdenklich stimmen, wenn sich engagierte Politiker wie Yvonne Magwas oder Dirk Neubauer aus dem politischen Leben zurückziehen."

Aus der sächsischen CDU kamen bislang kaum Reaktionen auf Neubauers Rücktritt. Mit einer Ausnahme: Mathias Kretschmer reagierte auf Social-Media mit den Worten, es sei „nicht die Zeit für täglichen Murks und schönem Gerede“. Der in Bockelwitz in Neubauers Landkreis Mittelsachsen lebende Kretschmer interpretierte den Rücktritt zudem als „parteilos, planlos, ratlos … und nun sein Amt los“. Einen ähnlichen Tonfall stimmt Götz Ulrich CDU-Landrat des Burgenlandkreises in Sachsen-Anhalt an: "Wem überlassen wir unser Land, unsere Landkreise, unsere Städte und Gemeinden, wenn wir zurücktreten, weil wir als gewählte Landräte, Bürgermeister oder Ehrenamtliche in den Kommunen vor Hass und Hetze, vor Bedrohungen und Eingriffen in unsere Privatsphäre zurückweichen?"

Neubauers Amtszeit wäre noch bis 2029 gelaufen. Der gelernte Journalist war 2022 gewählt worden - als einziger Landrat in Sachsen, der nicht der CDU angehört oder von der Union unterstützt wird. Seine Kandidatur war von SPD, Linke und Grünen unterstützt worden.

Ex-Pegida-Anführerin Festerling wegen Beleidigung verurteilt

Am Amtsgericht im Osterzgebirgischen Dippoldiswalde wurde Tatjana Festerling wegen Beleidigung verurteilt. Bekannt wurde sie in der Region, als sie 2015 für Pegida zur Dresdner Oberbürgermeisterwahl als Kandidatin antrat und mit knapp zehn Prozent der Stimmen scheiterte. Der Verhandlung blieb die 60-Jährige allerdings fern, sie wurde von ihrem Anwalt vertreten. Die Richterin verhandelte trotz Festerlings Abwesenheit und verurteilte diese wegen Beleidigung in 14 Fällen zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je zehn Euro. Die Tat liegt schon lange zurück. Anfang 2019 hat Festerling eine "Galerie des Grauens" von 269 Personen auf ihrer Homepage veröffentlicht und diese unter anderem als "rote Vollpfosten" und "selbsternannte Herrenmenschen" beleidigt.

Was fünf Jahre grüner Umweltminister dem Freistaat brachten

Das im Koalitionsvertrag verankerte Ziel hat Sachsen verfehlt. Vier Terawattstunden zusätzlichen Strom, sollte durch erneuerbare Energien im Freistaat entstehen. Erreicht hat man trotzdem viel, meint Sachsens Energie- und Umweltminister Wolfram Günther (Grüne). Der Grund dafür ist die enorme Dynamik beim Ausbau der Solarenergie. Die Anzahl der Photovoltaik-Anlagen hätte sich in der Wahlperiode verdreifacht, die Leistung verdoppelt. Es sei gelungen, die Bevölkerung dabei mitzunehmen. Als Beleg nannte er rund 12.000 Balkonkraftwerke, die vom Freistaat gefördert wurden. Bis Jahresende liege der Zuwachs im Bereich der Photovoltaik bei 3,4 Terawattstunden.

Günther gibt sich optimistisch, auch wenn bisher nur wenig Windräder im Freistaat aufgestellt wurden, befinden sich unglaublich viele im Genehmigungsverfahren. Er betont auch eine Veränderung im Denkverhalten, vieler Bürgerinnen und Bürger: "Jedes Windrad wurde als Konkurrenz für "unsere" Braunkohle betrachtet. Das war die Denkhaltung“, so der Grünen-Politiker. Würden alle im Genehmigungsverfahren sich befindlichen 139 Anlagen in Betrieb gehen, könnten damit rund 800.000 bis eine Million private Haushalte versorgt werden.

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© SZ

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