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Sachsen

Morgenlage in Sachsen: Ergebnisse, Reaktionen und Analysen zur Wahl

CDU knapp vor AfD + Das sind die Reaktionen der Parteien und Spitzenkandidaten + Analyse: AfD und BSW erfolgreich "ohne viel eigenes Zutun"

Von Tobias Winzer
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Sachsens Ministerpräsident und CDU-Spitzenkandidat, Michael Kretschmer, sieht seine Partei nach den ersten Wahlprognosen in der Lage, weiter die Regierung im Land zu bilden.
Sachsens Ministerpräsident und CDU-Spitzenkandidat, Michael Kretschmer, sieht seine Partei nach den ersten Wahlprognosen in der Lage, weiter die Regierung im Land zu bilden. © dpa

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Guten Morgen,

Michael Kretschmer hat es doch noch mal geschafft. Nach einem nächtlichen Kopf-an-Kopf-Rennen hat der sächsische Ministerpräsident die AfD auf Platz 2 verwiesen. Das sollte aber auch in der CDU niemanden darüber hinwegtäuschen: Hinter dem hohen Wert für die CDU steckt eine nicht zu unterschätzende Zahl von Wählerinnen und Wählern, die mit ihrem Kreuzchen bei der CDU taktisch gewählt haben, um die AfD als stärkste Kraft im Land zu verhindern. Viele haben so gehandelt, auch wenn ihre eigenen inhaltlichen Überzeugungen eigentlich bei einer ganz anderen Partei beheimatet sind.

Doch letztlich hatte es eben für viele Menschen Priorität, dass die vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestufte AfD auf keinen Fall in Regierungsverantwortung im Freistaat kommt. So bleibt die CDU stärkste Kraft im Freistaat, während in Thüringen die AfD erschreckend weit vorne liegt.

Ansonsten bleibt nicht mehr viel so, wie es einmal war in Sachsen. Die Linkspartei stürzt ab, hat den Nimbus der Volkspartei des Ostens wohl endgültig verloren. Doch sie rettet sich mit zwei Direktmandaten wieder in den Landtag. Während die FDP fast unter die Messgrenze fällt, bleibt die SPD zwar klein-dimensioniert, kann aber dennoch darauf hoffen, dass sie wieder in Regierungsverantwortung kommt. Doch für eine Fortsetzung der "Kenia-Koalition" mit den stark geschrumpften Grünen dürfte es nicht mehr reichen. Dafür steigt das junge Bündnis Sahra Wagenknecht quasi aus dem Nichts auf ungeahnte Höhen.

Das BSW dürfte zum Königsmacher für Michael Kretschmer werden. Mit allen Risiken, die dazu gehören. Mit allen geforderten Zugeständnissen an Sahra Wagenknecht, die einstige Speerspitze der kommunistischen Plattform der Linkspartei, die ja dann auch mit am Verhandlungstisch in Dresden sitzen will. Jedes Bündnis scheint nur mit dem BSW aufzugehen. Entweder mit einem dritten Partner, der SPD oder mit der Linkspartei – doch die dürfte dem konservativen CDU-Landesverband in Sachsen endgültig zu viel sein.

Michael Kretschmer hat nun die schwere Aufgabe, aus dem Ergebnis dieses Wahlsonntags eine stabile Regierung zu formen. Leicht wird das nicht. Und obwohl er an diesem Sonntag noch einmal siegreich aus der Wahl-Arena herausgegangen ist, seine Macht und sein Spielraum in der sächsischen Union dürfte dadurch nicht gewachsen sein.

Annette Binninger, Chefredakteurin Sächsische.de

Das Wichtigste am Morgen:

Das vorläufige amtliche Endergebnis

Das vorläufige amtliche Endergebnis:

CDU 31,9 Prozent
AfD 30,6 Prozent
BSW 11,8 Prozent
SPD 7,3 Prozent
Grüne 5,1 Prozent
Linke 4,5 Prozent
Sonstige 8,7 Prozent

Hier geht es zum Wahlcenter mit allen Ergebnissen.

Das sind die Reaktionen der drei Gewinner

Sachsens Ministerpräsident und CDU-Spitzenkandidat, Michael Kretschmer, sieht seine Partei nach den ersten Wahlprognosen in der Lage, weiter die Regierung im Land zu bilden. "Das wird alles nicht einfach", sagte Kretschmer auf der Wahlparty der CDU. "Aber eins gilt: Mit vielen Gesprächen und dem Willen etwas für dieses Land zu tun, kann es gelingen, mit diesem Wahlergebnis Sachsen eine stabile Regierung zu geben, die dem Land dient und mit Demut vorangeht." Daran müsse sich jeder, der mitmachen wolle, messen lassen. Die CDU stehe bereit, weiter Verantwortung für dieses Land zu übernehmen. "Der Koalitionsvertrag wird für das Land und die Menschen gemacht und dann kommt erst mal eine ganze Weile nichts."

Der sächsische AfD-Spitzenkandidat Jörg Urban will den Druck auf eine künftige Landesregierung als Oppositionspartei weiter aufrechterhalten. "Wir werden das machen, was wir die ganzen Jahre hier im sächsischen Landtag gemacht haben: Wir werden diese Regierung vor uns hertreiben", sagte er am Sonntagabend in der ARD. "Es ist jetzt abzusehen, dass es wahrscheinlich weiter geht wie bisher."

Die sächsische BSW-Spitzenkandidatin Sabine Zimmermann hat erneut einer möglichen Koalition mit der AfD eine Absage erteilt. "Wir schließen eine Koalition mit der AfD klar aus", sagte sie im ZDF. Stattdessen blicke die Partei auch auf die Christdemokraten. "Wir werden sehen, wie die CDU sich entscheidet, ob sie mit den Grünen und mit der SPD weiter machen wollen, dann bleibt alles so wie es ist - oder ob sie Gespräche sucht mit dem BSW." Dann könne die Partei etwas verändern.

So reagieren die Parteien

Der Görlitzer CDU-Landrat Stephan Meyer räumt offen ein: "Ich tue mich sehr schwer mit dem BSW, weil es ein Gemischtwarenladen ist – von ganz links bis fast ganz rechts. Und dem eine Regierungserfahrung völlig fehlt. Hier konkrete Punkte für ein gemeinsames Regierungsprogramm zu vereinbaren, dürfte sehr schwer werden. Wir müssen sehen, was geht."

Der AfD-Landtagsabgeordnete André Barth fasst den frühen Abend so zusammen: "Fürs Land ist das ein gutes Ergebnis, für uns ist das nicht Fisch, nicht Fleisch." Der Dresdner AfD-Politiker André Wendt, Vizepräsident des bisherigen Landtages, hat sich mehr erhofft. "Mir ist bewusst, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen", sagt er.

BSW-Landeschef Jörg Scheibe ist bereit für Sondierungen mit der CDU. "Die CDU muss sich entscheiden, ob sie weitermachen will, wie bisher. Wenn nicht, stehen wir für Gespräche bereit", sagt Scheibe. Er sehe unter anderem in der Wirtschaftspolitik Gemeinsamkeiten, etwa wenn es um den Abbau von Bürokratie geht.

Der SPD Landesvorsitzende Henning Homann nennt für Koalitionsverhandlungen in den nächsten Monaten als oberstes Ziel eine stabile Regierung. Stabilität sei nicht in erster Linie rechnerisch zu verstehen. Es komme darauf an, mit welchen Partnern es in der Landespolitik die größten inhaltlichen Schnittmengen gebe.

"Michael Kretschmer muss sich entscheiden, ob er mit Rechtsextremen oder Putin-Freunden zusammenarbeiten will und dieses Land ins Chaos stürzt oder weiterhin mit uns als verlässlichem Partner das Land gestalten will", teilen die Grünen kurz nach 19 Uhr mit. "Wir sind gesprächsbereit."

Die Spitzenkandidatin der Linken, Susanne Schaper, verteilt einige Seitenhiebe an das BSW, auch wenn Schaper den Namen Wagenknecht nicht in den Mund nimmt. "Jeder und jede von euch hätte es einfacher haben können und überlaufen können", sagt sie. "Aber ihr habt es nicht gemacht. Weil unser Herz links schlägt." Weiter teilt sie aus: "Wir haben das Linkssein nicht einfach wie einen Mantel abgelegt und auf das Gendern und Minderheitenthemen diffamiert." Sie seien nicht links wegen schicker Posten oder um im Fernsehen zu sein, sondern aus Überzeugung.

"Wir haben bei den Wählern nicht genug Sicherheit erzeugt, dass wir drin sind", resümiert zudem Freie-Wähler-Spitzendkandidat Matthias Berger. Er schätzt, dass das BSW die Stimmen teilweise weggenommen hat.

Hier sind alle Reaktionen aus Sachsens Politik zusammengefasst.

Analyse I: Verlierer, Gewinner, mögliche Koalitionen

CDU profitiert von Duell im Wahlkampf
AfD kann Ergebnis erneut steigern
Das BSW ist der große Gewinner des Abends
Die Linke kommt nur über Umwege in den Landtag
FDP stürzt in Bedeutungslosigkeit
Mögliche Koalitionen in Sachsen: "Kenia" vor dem Aus
Wahlbeteiligung hoch

Hier geht es zur kompletten Analyse

Analyse II: AfD und BSW erfolgreich "ohne viel eigenes Zutun"

Die CDU in Sachsen hat nach einer Wahlforscher-Analyse den Landtagswahl-Erfolg ihrem Ministerpräsidenten Michael Kretschmer und der ihr zugeschrieben Sachkompetenz zu verdanken. Das CDU-Wahlergebnis basiere "auf einem Mix aus starkem Spitzenkandidaten, Sachkompetenz und dem Wunsch nach CDU-Regierungsführung", schreibt die Forschungsgruppe Wahlen. AfD und BSW seien "ohne viel eigenes Zutun" erfolgreich gewesen. Eine Beteiligung der AfD an der nächsten Landesregierung wird von der Mehrzahl der Sachsen abgelehnt. 57 Prozent der Befragten fänden eine Regierungsbeteiligung der AfD schlecht, nur 37 Prozent gut, 4 Prozent wäre das egal. Beim Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) sind die Meinungen geteilt.

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