Partner im RedaktionsNetzwerk Deutschland
Update Politik
Merken

So reagiert Sahra Wagenknecht auf die Kritik von DDR-Bürgerrechtlern

Das BSW um Sahra Wagenknecht strebt unter anderem in Sachsen eine Regierungsbeteiligung an. Ehemalige DDR-Bürgerrechtler warnen in einem offenen Brief vor einer Koalition. So reagiert Wagenknecht darauf.

Von Tobias Winzer
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Ehemalige DDR-Bürgerrechtler werfen dem BSW um Sahra Wagenknecht Lügen vor und warnen die "demokratischen Parteien" und vor allem die CDU, mit dem Bündnis zu koalieren.
Ehemalige DDR-Bürgerrechtler werfen dem BSW um Sahra Wagenknecht Lügen vor und warnen die "demokratischen Parteien" und vor allem die CDU, mit dem Bündnis zu koalieren. © Archivbild: dpa/Kay Nietfeld

Das BSW um Parteichefin Sahra Wagenknecht will bei den anstehenden Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg in den Landtag einziehen und hat darüber hinaus gute Chancen, an Regierungen beteiligt zu sein. In einem offenen Brief, den unter anderem der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk auf der Plattform X geteilt hat, werfen ehemalige DDR-Bürgerrechtler dem BSW Lügen vor und warnen die "demokratischen Parteien" und vor allem die CDU, mit dem Bündnis zu koalieren.

Es herrsche eine große Beunruhigung, dass das BSW mitregieren könnte, vor allem wegen der außenpolitischen Positionen der Wagenknecht-Partei, sagte die ehemalige Chefin der Stasi-Unterlagen-Behörde, Marianne Birthler, der Deutschen Presse-Agentur. Die Initiative zu dem Offenen Brief sei von Sachsen ausgegangen, und sie habe dies gern unterstützt. Auch der frühere Bürgerrechtler und letzte DDR-Außenminister, Markus Meckel (SPD), bestätigte der dpa, dass er das Schreiben mitträgt.

Warum geht das BSW auf Zustände in Russland nicht ein?

BSW-Mitglieder behaupteten immer wieder, dass in der Ukraine Faschisten regieren würden, heißt es in dem Brief. "Wie soll das gehen, wenn sowohl Präsident als auch Ministerpräsident Juden sind?" Sie prangern an, dass das BSW auf die Zustände in Russland nicht eingeht: Dabei herrsche mit Wladimir Putin im Kreml ein Autokrat, der sich wie ein Faschist benehme, Opposition verbiete und prominente Oppositionelle umbringen lasse. "Warum spricht das BSW die Abschaffung der Medienfreiheit in Russland nicht an?"

Außerdem zählen die Unterzeichner weitere Fälle von Desinformation vonseiten Wagenknechts und des BSW auf: So habe die Partei schnell die Falschmeldung über angeblich in der Ukraine eingesetzte französische Soldaten aufgenommen, obwohl der französische Präsident Emmanuel Macron dementiert habe. Die Meldung hat demnach zuerst der russische Staatssender Sputnik verbreitet, der in der EU gesperrt ist.

"Kann es sein, dass die Parteigründerin lügt?"

"Kann es sein, dass die Parteigründerin lügt?", fragen die Unterzeichner. "Ja, es kann nicht nur sein, es ist offensichtlich so." Die demokratischen Parteien – "wir denken hier insbesondere an die CDU" – sollten sich daher überlegen, ob sie nach den Landtagswahlen "mit derartigen Lügnerinnen und Lügnern" koalieren oder sich von ihnen tolerieren lassen wollten. "Sie sollten sich auch viel klarer als bisher vom BSW wegen seiner Vorstellungen eine 'nationalen Sozialismus' distanzieren", heißt es weiter. Mit dem BSW sei eine weitere Partei in das "dubiose Spektrum deutscher pro-russischer Parteien" eingetreten. Dazu nennen sie die AfD und die MLPD.

Es gibt auch Reaktionen aus der sächsischen Landespolitik. Die Fraktionschefin der Grünen im Landtag, Franziska Schubert, teilte den offenen Brief.

"Es hat Gründe, warum sie es ausgerechnet mit aller Macht in Ostdeutschland versucht und dabei mit Lügen arbeitet", schreibt sie. "Widerstand, das können sie - unsere Bürgerrechtler:innen von Bündnis90. Ich verneige mich vor euch."

Wagenknecht: "Beleidigung für Millionen Ostdeutsche"

Wagenknecht reagierte scharf auf den offenen Brief. "Der Brief ist wohl kaum im Sinne der DDR-Bürgerrechtsbewegung, von der sich viele unter den Slogans "Frieden schaffen ohne Waffen" und "Schwerter zu Pflugscharen" für Frieden, Diplomatie und ein Ende des Wettrüstens einsetzten", erklärte die BSW-Vorsitzende auf Anfrage.

"Das Bemühen um eine diplomatische Beendigung des Ukraine-Krieges als russische Propaganda zu diffamieren, ist auch eine Beleidigung für Millionen Ostdeutsche, die zu Recht Angst vor einem großen europäischen Krieg haben."

Hier solle offenbar eine neue Partei, die vielen Menschen aus dem Herzen spreche, wenige Wochen vor entscheidenden Wahlen diskreditiert werden, mutmaßte Wagenknecht. "Dass sich aktuell viele Ostdeutsche bei politischen Debatten wieder an die Enge der DDR-Zeit erinnert fühlen, müsste eigentlich frühere Bürgerrechtler auf den Plan rufen." Doch hätten die Briefeschreiber offenkundig den Kontakt zur Bevölkerung weitgehend verloren.

Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtler wie Meckel und Birthler oder der Sachse Martin Böttger, jetzt Initiator des Offenen Briefs, hatten im Herbst 1989 gegen die DDR-Einheitspartei SED und die Staatsführung in Ostberlin protestiert, bis diese stürzten. Wagenknecht trat hingegen noch 1989 der SED bei. Sie verteidigte die DDR noch Jahre nach deren Ende. Davon distanzierte sie sich später.

Den offenen Brief unterzeichnet haben Martin Böttger, Marianne Birthler, Rainer Eckert, Markus Meckel, Reinhard Weißhuhn, Christian Dietrich, Katrin Eigenfeld, Joachim Goertz, Christian Halbrock, Gerold Hildebrand, Almut Ilsen, Gisela Kallenbach, Uwe Lehmann, Thomas Pilz, Ulrike Poppe, Utz Rachowski, Lothar Rochau, Mario Schatta, Siegbert Schefke, Jutta Seidel, Barbara Sengewald, Wolfram Tschiche, Esther-Marie Ullmann-Goertz, Reinhard Weißhuhn und weitere Mitglieder der DDR-Bürgerbewegung.(mit dpa)