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BSW steht für Sondierungen mit der CDU bereit

Das Bündnis Sahra Wagenknecht ist mit ihrem zweistelligen Ergebnis sehr zufrieden. Zum Mitregieren sei man unter einer Bedingung bereit.

Von Gunnar Klehm
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Waren zur Wahlparty in Dresden erleichtert und zufrieden: BSW-Landes-Vorsitzender Jörg Scheibe, Generalsekretär Christian Leye (M.) und Spitzenkandidatin Sabine Zimmermann.
Waren zur Wahlparty in Dresden erleichtert und zufrieden: BSW-Landes-Vorsitzender Jörg Scheibe, Generalsekretär Christian Leye (M.) und Spitzenkandidatin Sabine Zimmermann. © Jürgen Lösel

Der Jubel war groß, als die Prognosen für das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) auf der Leinwand skizziert wurden. Die Partei lud am Sonntag rund 200 Mitglieder und Unterstützer ins Dresdner Penck-Hotel in der Stadtmitte. Auch 80 Journalisten wurden akkreditiert, die über die erstaunliche Entwicklung der erst im Januar neu gegründeten Partei berichten wollten. Zwölf Prozent hieß es zum Zeitpunkt des ersten Jubels, würde das BSW erhalten.

Damit zieht das BSW nur wenige Monate nach der Gründung furios in den Landtag in Sachsen ein. Landesvorsitzende und Spitzenkandidatin Sabine Zimmermann rief ihren Anhängern zu, dass man Geschichte geschrieben habe, aus dem Stand ein zweistelliges Ergebnis zu erzielen. "Und das ausschließlich mit Politikern im Ehrenamt", sagte sie und bedankte sich bei allen Unterstützern.

Mit 16 Mandaten kann das BSW im Landtag Sachsens rechnen. Sieben davon waren schon in der PDS oder später in Die Linke aktiv. Zimmermann saß für diese 16 Jahre im Bundestag. Der Pirnaer Lutz Richter und Janina Pfau waren Landtagsabgeordnete der Linken in Sachsen. Beide sind mit ihren Plätzen 5 und 9 auf der BSW-Landesliste sicher im Landtag. Mindestens die Hälfte der neuen Fraktion werden aber politische Neulinge sein.

Jubel bei Grünen-Absturz

"Wir sind nicht die Linke 2.0", sagt Jörg Scheibe, Co-Landeschef und Spitzenkandidat in Sachsen. Der 62-jährige Unternehmer betreibt ein Planungsbüro in Chemnitz. "Wir wollen einen starken Sozialstaat, damit es allen gut geht. Aber Voraussetzung dafür ist eine funktionierende Wirtschaft", erklärt er, der zuvor weder der PDS noch der Linken angehörte. "Wir sind in die Lücken gestoßen, die die anderen Parteien gelassen haben", sagt er.

Sahra Wagenknecht war zwar nicht persönlich in Dresden aber auf Plakaten omnipräsent selbst an der Garderobe zur Wahlparty.
Sahra Wagenknecht war zwar nicht persönlich in Dresden aber auf Plakaten omnipräsent selbst an der Garderobe zur Wahlparty. © Jürgen Lösel

Der erste Jubel brandete auf der Wahlparty auf, als die Prognose für die Grünen in Thüringen auf den Fernsehbildern gezeigt wurden. Die sind dort mit aller Wahrscheinlichkeit an der 5-Prozent-Hürde gescheitert. Dann wurden die 16 Prozent für das BSW im Nachbarbundesland genannt und sorgte für noch lautere Jubelarien.

Die gab es zwar auch, als 12 Prozent für das BSW in Sachsen angezeigt wurden. Doch das war schon fast verhaltener. Offenbar hatten einige sogar mit mehr gerechnet. Immerhin holte das BSW zur Europawahl im April sachsenweit bereits 12,6 Prozent. Jetzt war die Wahlbeteiligung höher. Das BSW konnte ihr Ergebnis trotzdem halten.

Was nicht verhandelbar ist

Im sächsischen Landtagswahlprogramm erklärte Sahra Wagenknecht im Vorwort, dass "mitregieren real ist". Für Landeschef Scheibe sei das nicht vordergründig, aber man sei bereit für Sondierungen mit der CDU. "Die CDU muss sich entscheiden, ob sie weitermachen will, wie bisher. Wenn nicht, stehen wir für Gespräche bereit", sagt Scheibe. Er sehe unter anderem in der Wirtschaftspolitik Gemeinsamkeiten, etwa wenn es um den Abbau von Bürokratie geht.

Ob er selbst als Minister zur Verfügung stehen würde, sagte er nicht. Man würde erst mal Inhalte sondieren wollen. Über Personal würde später gesprochen. Eines sei jedoch nicht verhandelbar: die Einstellung einer sächsischen Landesregierung mit BSW-Beteiligung zur Friedenspolitik. "Wenn wir in eine Koalition gehen, muss diese eine Initiative über den Bundesrat starten, in der die Bundesregierung aufgefordert wird, sich für eine diplomatische Lösung im Ukraine-Krieg einzusetzen", erklärt Scheibe.

Das BSW forderte in ihrem Wahlprogramm außerdem eine "kontrollierte Migration ohne Diskriminierung und ohne Rassismus". Wie genau das umgesetzt werden kann, ist fraglich. Spannend dürften auch die inhaltlichen Forderungen des BSW sein, etwa nach 14 Euro Mindestlohn. Zudem will die Partei "mindestens bis zum Ende der Grundschule Handys und Tablets aus Klassenräumen verbannen". Diese Geräte würden den "Wissenserwerb nachweislich erschweren".

Erwartungshaltung der Wähler

BSW-Generalsekretär Christian Leye wehrte sich gegen die Behauptungen der Mitbewerber im Wahlkampf, man sei eine „Wundertüte“. „Es ist bekannt, wer auf unseren Listen kandidierte und alle waren jederzeit ansprechbar und die Vita eines jeden öffentlich einsehbar“, sagte er am Wahlabend in Dresden. Die Partei würde den gesamten Querschnitt der Bevölkerung abbilden. „In unseren Reihen sind Unternehmer wie Betriebsräte, Alleinstehende, Wissenschaftler, Pensionäre wie auch junge Leute“, erklärte Leye.

Selbst für den früheren Linken-Abgeordneten Lutz Richter wäre jetzt eine Koalition mit der CDU denkbar, die er früher kategorisch ausgeschlossen hätte. „Voraussetzung ist jedoch, dass man namhaft etwas erreichen kann und wir damit die Erwartungshaltung der Wähler erfüllen“, sagt Richter. Seine neue Partei richte zudem den Blick stärker weg von städtischem Milieu in ländliche Regionen. Er freue sich schon auf die Zusammenarbeit mit den politischen Quereinsteigern beim BSW. „Das weitet den eigenen Blickwinkel“, sagt er.

Ob es diese Möglichkeit zum Regieren geben wird, hänge vom endgültigen Wahlergebnis ab. Am Abend gab es noch einige Verschiebungen bei den Ergebnissen.

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