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Lehrermangel belastet Schulen in Sachsen zusätzlich

In Sachsen sind fast 300 Stellen nicht besetzt. In manchen Schulen fallen bestimmte Fächer deshalb monatelang aus. Corona verschärft die Situation noch.

Von Andrea Schawe
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Stühle stehen in einer Dresdner Schule auf den Tischen. Unterricht fällt wegen Lehrermangels immer öfter aus.
Stühle stehen in einer Dresdner Schule auf den Tischen. Unterricht fällt wegen Lehrermangels immer öfter aus. ©  Archivbild: Sebastian Kahnert/dpa

Kein Mathe, Biologie oder Deutsch: An manchen Schulen in Sachsen fallen nicht nur einzelne Stunden aus, sondern es können monatelang für ganze Klassen und Klassenstufen bestimmte Fächer nicht unterrichtet werden. Wenn der Fachlehrer auf unbestimmte Zeit nicht eingestellt werden kann, fallen Fächer dauerhaft aus. Der Grund: In Sachsen fehlen Lehrer – durch Krankheit oder Schwangerschaft, aber auch durch den Renteneintritt von Lehrern oder nicht besetzte Stellen.

„Je nach konkreter Situation an der Schule fallen bei einzelnen Klassen bestimmte Fächer über Wochen und Monate komplett aus“, sagt Thomas Brewig vom Vorstand des Landeselternrats. Den Landeselternrat erreichen von Schulen im Chemnitzer Raum, aber auch aus einigen anderen Kreisen Informationen zu langfristigen und zum Teil massiven Unterrichtsausfällen. Zum Teil müssten Schulleitungen die Stundentafel kürzen, um eine Minimalversorgung für bestimmte Klassenstufen sicherzustellen.

So würden statt vorgesehener vier Mathestunden nur zwei unterrichtet. „Von einzelnen Schulen wurde mir von bis zu sechs Stunden Ausfall pro Woche pro Klasse berichtet.“ Aktuelle Zahlen zum Unterrichtsausfall gibt es nicht. Das Kultusministerium erstellt die Statistik halbjährig und veröffentlicht die Zahlen erst zu Beginn des zweiten Schulhalbjahres. Im vergangenen Schuljahr wurde allerdings wegen der coronabedingten Schulschließungen keine Erhebung durchgeführt.

186 Lehrkräfte wegen Corona oder Mutterschutz befreit

Die Corona-Krise verschärft die Situation an den Schulen nur noch. Im aktuellen Schuljahr sind nach Angaben des Kultusministeriums derzeit 186 Lehrkräfte wegen Corona oder Mutterschutz vom Präsenzunterricht befreit. Es werde versucht, den Unterrichtsausfall durch Abordnungen, Vertretungen oder durch externe Kräfte wie etwa Lehrer in Rente zu kompensieren. Der Pool ist allerdings ausgeschöpft.

„Bereits vor Corona sorgte eine jahrzehntelange verfehlte Einstellungspolitik dafür, dass es landesweit und insbesondere außerhalb der Ballungszentren bei jedem Einstellungsverfahren an vollständig ausgebildeten Lehrkräften mangelte“, sagt Michael Jung, der stellvertretende Vorsitzende des sächsischen Lehrerverbandes. Die tatsächlichen Bedarfe an den Schulen würden weder berücksichtigt noch veröffentlicht.

Unklar ist etwa, wie viele Lehrer an sächsischen Schulen gebraucht werden, um sowohl den Grundbereich als auch den Ergänzungsbereich vollständig abzudecken und die Renteneintritte auszugleichen. Es sei bekannt, dass die Zahl der ausscheidenden Lehrkräfte höher ist als die Zahl der Einstellungen, so Jung. Eine verlässliche Prognose dazu ist nach Angaben des Ministeriums insbesondere deshalb so schwierig, weil die übergroße Mehrheit der Lehrkräfte den Schuldienst vor Erreichen der Regelaltersgrenze verlässt und dies oft auch recht kurzfristig anzeigt.

Vor allem an Ober- und Förderschulen fehlen Lehrkräfte

Im Einstellungsverfahren im August konnten nicht alle ausgeschriebenen Stellen besetzt werden. 1.071 grundständig ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer und pädagogische Fachkräfte wurden eingestellt, dazu kommen noch 166 Seiteneinsteiger. In der Region Zwickau blieben 41 Stellen offen, in Bautzen waren es 13. Besonders groß ist der Lehrermangel an Ober- und Förderschulen.

Nach Angaben des Kultusministeriums sind mit Stand September fast 291 Vollzeitstellen an sächsischen Schulen nicht besetzt. Insgesamt stehen im Haushalt 30.716 Stellen zu Verfügung, die rund 31.000 Lehrerinnen und Lehrer innehaben – manche von ihnen teilen sich eine Stelle in Teilzeit.

Der sächsische Lehrerverband fordert deswegen, zum nächsten Einstellungstermin am 1. Februar 2022 alle grundständig ausgebildeten Bewerber einzustellen. Zudem müssen auch während des Schuljahres Einstellungen in allen Schularten möglich sein, „schulscharf und nach Liste“, sagt Jung. „Anders ist dem Personalmangel nicht mehr zu begegnen.“

Lehrerverbeamtung ist bislang bis 2023 befristet

Auch der Landeselternrat fordert ein Umdenken bei der Einstellung und Ausbildung der Lehrer. Vorstandsmitglied Thomas Brewig hat dafür eine Petition gestartet. Ziel ist es, dass das Kultusministerium die Anzahl der fehlenden Lehrkräfte auf Basis der Stundentafel, der Lehrpläne für den Grund- und den Ergänzungsbereich, aufgeschlüsselt in die entsprechenden Fächer erstellt und auch die zukünftigen Renteneintritte und den durchschnittlichen Krankenstand berücksichtigt.

Um die großen Probleme bei der Nachwuchsgewinnung zu beheben, soll die Lehrerausbildung in den Regionen erfolgen, wo sie dringend gebraucht werden. Vorgeschlagen wird die Gründung zusätzlicher pädagogischer Fakultäten an den Fachhochschulen in Zwickau und Zittau/Görlitz sowie der Ausbau vorhandener Studiengänge etwa in Chemnitz, heißt es in der Petition. Die wieder eingeführte Grundschullehrerausbildung in Chemnitz konnte den Lehrermangel in dieser Schulart schon teilweise ausgleichen.

Sachsens Lehrerverband fordert außerdem, dass sich der Freistaat auch nach 2023 zum Beamtenstatus der Lehrer bekennt. Die Lehrerverbeamtung ist bislang befristet. Kultusminister Christian Piwarz (CDU) unterstützt das. „Ich mag mir nicht vorstellen, wo wir stünden, wenn wir die Verbeamtung 2019 nicht eingeführt hätten“, sagte er. Früher seien etwa 60 Prozent der Referendare in Sachsen geblieben, mittlerweile sind es 80 Prozent. „Die Verbeamtung macht Sachsen wieder konkurrenzfähig auf dem bundesweiten Lehrermarkt.“ (mit dpa)