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Digades in Zittau ist insolvent - aber entwickelt und fertigt weiter

Der Elektronik-Spezialist aus Zittau hat unter anderem das eingebrochene Kerngeschäft nicht kompensieren können. Dank Einsparungen und anderer Produkte blickt er dennoch positiv in die Zukunft.

Von Thomas Christmann & Ulrich Wolf
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Sascha (links) und Tim Berger leiteten bis Ende März die Digades-Geschicke gemeinsam - dann schied Tim Berger aus.
Sascha (links) und Tim Berger leiteten bis Ende März die Digades-Geschicke gemeinsam - dann schied Tim Berger aus. © PR

Zittau. Die Digades GmbH aus Zittau ist insolvent. Darüber informierte Geschäftsführer Sascha Berger am Donnerstag erstmals die Öffentlichkeit. Demnach stellte er bereits Anfang Juli den Antrag mit dem Ziel, die Firma mit noch 96 Mitarbeitern in Eigenregie zu sanieren. Seinem Ansinnen stimmte das Amtsgericht Dresden zu. "Das freut und motiviert mich", sagte er. Berger sieht in dem Verfahren eine große Chance.

Als einen Grund für die wirtschaftlichen Schwierigkeiten nannte der 37-Jährige die sinkende Nachfrage nach Funkfernbedienungen für Standheizungen. Die hatten einmal 90 Prozent der Produktion ausgemacht. In diesem Segment stieg der Elektronikspezialist einst zum Weltmarktführer auf. Doch zuletzt setzten die Autohersteller vermehrt auf die Steuerung per Smartphone.

"Wir haben versucht, das Geschäft zu kompensieren", sagte Berger. "Das ist uns aber nicht gelungen." Stattdessen investierte Digades in neue Projekte und Geschäftsfelder. Dazu zählte mit dfreeeze eine eigene App-Steuerung für Standheizungen und mit diguard ein intelligentes Motorrad-Notrufsystem. "Davon haben wir nicht genügend verkauft", berichtete der Geschäftsführer.

Andererseits blieben und stiegen die Kosten für Energie und Personal. Mitarbeiter entlassen wollte und durfte Berger zunächst nicht. Der Grund dafür ist das im Jahr 2018 bezogene Entwicklungszentrum am Firmensitz an der B96 in Zittau. Für den Millionenbau flossen Fördermittel unter der Bedingung, dass die Zahl der Beschäftigten auf 180 wächst. Digades gelang es nicht, das zu erreichen; aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklungen fehlte auch die Liquidität für die nunmehr drohende Rückzahlung. Am Ende handelte Berger im Herbst 2023 eine dreijährige Schonfrist heraus.

Anschließend schickte er diesen März seine 150 Mitarbeiter in Kurzarbeit und verringerte die Arbeitszeit um ein Fünftel. Zudem zog sich seine Firma aus sämtlichen regionalen Sponsoring-Aktivitäten zurück. Im April verließ dann Bruder und Mit-Geschäftsführer Tim Berger das Familienunternehmen. Seitdem führt der 37-Jährige den Betrieb allein weiter, der zudem Vorstandsmitglied im Arbeitgeberverband Sachsenmetall ist. Anfang Mai verkündete Berger, dass Digades rund ein Drittel seiner Beschäftigten entlassen muss.

Zwei Millionen Euro sollen jährlich gespart werden

Bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens Ende September zahlt die Arbeitsagentur die Gehälter der verbliebenen 96 Mitarbeiter. Das freigewordene Geld hat der Unternehmer genutzt, um die Lieferanten zu bedienen, die - bedingt durch die Situation - oft nur noch Vorkasse anbieten. Darüber hinaus greifen weitere Einsparungen, etwa die Einstellung unrentabler Produkte. Zudem wird Digades weniger Miete für die Gebäude zahlen und auch weniger Fläche nutzen. Unterm Strich will Berger dadurch jährlich zwei Millionen Euro sparen. Das helfe, "die Nischenmärkte zu stabilisieren und darin zu wachsen", sagte er.

Dazu gehören neben Steuergeräten für Autos auch digitale Zugangstechnologien für Fahrzeuge anderer Art wie Schneemobile, Boote, Motorräder, Quads, Kehrmaschinen, Bagger und Landmaschinen. Dort seien kleinere Stückzahlen gefragt und damit für große Hersteller nicht lukrativ, sagte der Geschäftsführer. Für den Elektronikspezialisten hingegen schon; es hat dafür bereits einen Millionen-Auftrag eines Zweiradherstellers nach Zittau geholt. Ein weiteres Geschäftsfeld ist der wachsende Markt für Fahrzeug-Bedienelemente wie Tasten. Dafür konnte das Unternehmen einen US-Autohersteller als Kunden gewinnen. Dazu kommen weitere kleinere Aufträge in allen drei Bereichen.

Wenn alles läuft, plant Berger mit Digades Anfang 2025 wieder in den Regelbetrieb überzugehen. "Als starkes und solides Zittauer Unternehmen, das wachsen will." Nach den Prognosen soll der Umsatz dieses und kommendes Jahr bei 16,5 Millionen Euro liegen und 2026 auf 18 Millionen Euro steigen.

Von der Insolvenz nicht betroffen ist die Digades-Building GmbH & Co. KG, der das Betriebsgelände und die Immobilien an der B96 gehören. Sämtliche Finanzströme des Unternehmens fließen in einer Vermögensverwaltungsfirma zusammen: der Buskam Investment GmbH mit Sitz in Berlin. Es ist eine Briefkastenfirma, verwaltet von einer Wirtschaftskanzlei. Sie gehört dem inzwischen 60 Jahre alten Unternehmensgründer Lutz Berger. Seit 2008 existiert ein Gewinnabführungsvertrag zwischen Digades und Buskam Investment, der früheren Digades Holding GmbH.