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Tote Oma, Gräupchen, Schnudendunker: Sächsisch kochen mit Kristina vom Dorf

In der Kochshow „Sächsisches Allerlei“ wärmen Kristina vom Dorf und Jörg Färber alte Ostgerichte neu auf. Das gefällt sogar jungen Menschen.

Von Susanne Plecher
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Kristina vom Dorf und Jörg Färber suchen nach ausgefallenen und traditionellen Gerichten aus Sachsen.
Kristina vom Dorf und Jörg Färber suchen nach ausgefallenen und traditionellen Gerichten aus Sachsen. © Sachsen Media/ Michel Deter

Können Sie sich noch an den Gräupcheneintopf aus der Schulkantine erinnern? Grau und schleimig und völlig zerkocht? Oder an Tote Oma? Wer in der DDR aufgewachsen ist und in Speiseeinrichtungen das Mittagsmahl zu sich nahm, dem wird auch da was dämmern. Für das Gericht mit dem fiesen Namen wird Grützwurst aus der Pelle geschält, zerkleinert und erhitzt. Serviert wird es mit Sauerkraut und Kartoffeln.

„Auch für viele Jüngere ist das ein Begriff“, sagt Kristina vom Dorf. Als sie neulich bei einer Lesung vor Zehn- bis 15-Jährigen danach fragte, wer Tote Oma kenne, hätten sich 80 Prozent der Jugendlichen gemeldet. „Fakt ist, wer das früher mochte, kocht es heute noch, auch, weil er es an seine Kinder oder Enkel weitergeben will“, sagt sie.

Kristina vom Dorf, die sich auch Sachsen Muddi nennt, produziert sächsische Inhalte auf Plattformen wie Instagram, Youtube oder Facebook – in schönstem Westsächsisch. Ihr neuester Coup: die Kochshow „Sächsisches Allerlei“, für die sie zusammen mit Jörg Färber traditionelle und außergewöhnliche Gerichte aus Sachsen zubereitet.

Bekannt geworden ist die Autorin und Journalistin, die sich hinter dem Pseudonym verbirgt, jedoch mit ihren Büchern, in denen sie vom Leben auf dem Dorf erzählt. Das kennt sie genau. Aufgewachsen ist sie in Langenreinsdorf im Landkreis Zwickau. Im „Weißen Schwan“, der Gaststätte ihrer Eltern und der einzigen im Ort, hat sie früher gekellnert. „Ich war ein Kneipenkind“, sagt sie. Selber koche sie eher sporadisch und unaufwendig. Aber im Essen sei sie groß, sagt sie. Und im Reden. Deshalb ist die Arbeitsaufteilung bei ihrem neuen Projekt ganz logisch: Sie spricht, der Mann kocht. „Das kann ich am besten“, sagt sie.

Kristina ist wirklich vom Dorf. Aufgewachsen ist sie in Langenreinsdorf im Landkreis Zwickau.
Kristina ist wirklich vom Dorf. Aufgewachsen ist sie in Langenreinsdorf im Landkreis Zwickau. © kairospress

Den Mann hat sie zufällig gefunden, als sie im April dieses Jahres auf der Leipziger Buchmesse ihr neues Buch präsentierte. Färber stand unweit und stellte sein Leipzig-Kochbuch vor. „Wir Sachsen können mehr als das Leipziger Allerlei und Sauerbraten“, sagt er. Gebratenes Schweinefilet mit Leberwurstsoße und Spitzkohl zum Beispiel. Das ist derzeit sein sächsisches Lieblingsgericht.

Leberwurstsoße? „Ja“, sagt Färber und kommt ins Erzählen: In Leipzig hat es früher viele Gosenschänken gegeben. In einer davon habe der Wirt jedes Essen mit Leberwurstsoße übergossen. Das Rezept dafür hat Färber während der Recherchen für sein Kochbuch entdeckt, nachgekocht und Freunden und Familie vorgesetzt. „Sie gehen alle ab, weil sie das nicht kennen, aber die Soße so herrlich würzig ist“, sagt er.

Färber hat nach seiner Kochlehre elf Jahre im Beruf gearbeitet, unter anderem in einem Hamburger Sterne-Lokal und in Spitzen-Restaurants in Italien und Kanada. Dann ging er zur Berufsfeuerwehr in seiner Heimatstadt Leipzig, wo er Hauptbrandmeister und Notfallsanitäter ist. „Retten ist mein Beruf, Kochen mein Hobby“, sagt er. „Man kann alles auch mal gut kochen“, ist er überzeugt.

Sogar "Tote Oma" geht lecker

Tote Oma sah in vielen Kantinen unappetitlich aus: Als eine Kelle breit gelaufener, dunkelbrauner Masse mit weißen Fettklümpchen ist sie vielen Ostdeutschen in schauerlicher Erinnerung. „Ich wollte in der Schulzeit auch keine Tote Oma essen“, sagt Färber. Doch dann kochte jemand das Gericht für ihn – frisch, mit Äpfeln, Zwiebeln und Leberwurst – und Färber wurde Fan. Seine Adaption des Rezeptes lässt sich bei Youtube anschauen. Kristina schnippelt, fragt und sächselt, Jörg kocht und erklärt. Es ist das erste Rezept, das die beiden gemeinsam medial aufgearbeitet haben. Seit Ende Juli ist es online. Nun kommen die Gräupchen dazu.

Ihre Kochshow „Sächsisches Allerlei“ ist Teil von „So geht sächsisch“, der Dachmarke des Freistaats Sachsen. Gedreht haben sie in der Kochschule „Ganz und Gar“ in Leipzig. „Drei Gerichte haben wir an einem Drehtag geschafft“, sagt Kristina vom Dorf. Natürlich wird dort ein bisschen getrickst. Vieles ist vorbereitet, geschnitten, vorgekocht. Jedes Essen wird vorab einmal fertiggestellt. „Man schafft es ja sonst gar nicht, die Garzeiten einzuhalten“, erklärt Kristina. Wichtig ist aber, die einzelnen Schritte zu filmen, damit jeder daheim auch weiß, was er als Nächstes tun muss auf dem Weg zur „besten Toten Oma der Welt“.

Die unterhaltsame Kurzversion auf Instagram haben knapp 700 Leute mit einem Herzchen versehen. Die lange Version auf Youtube schaut, wer das Gericht nachkochen möchte. Die Kommentare sind mitunter ebenfalls erhellend. So schreibt ErrorBug404: „...ein topp Essen. Gibts alle 2 Wochen zum Freitag“. Lothardietmarrichter3993 fügt an: „Es gibt auch noch Verkehrsunfall“. Für alle, die sich jetzt schütteln: Das ist Tote Oma plus ausgelassenem und angebratenem Bauchspeck.

Auch Gräupcheneintopf verdient eine neue Chance

Die dritte Folge zum Schnudendunker, einem traditionellen erzgebirgischen Auflauf bestehend aus Hackfleisch, Tomaten und viel Zwiebeln, wird im September veröffentlicht. Fortsetzungen sind geplant, Ideen dafür erwünscht. „Wir suchen nach außergewöhnlichen Gerichten. Es gibt viel Schönes, was im Verborgenen liegt, weil es niemand in ein Kochbuch geschrieben hat“, sagt Färber.

Anderes verdient eine neue Chance. Wie die Gräupchen. Denn auch die waren in der Schulkantine kulinarisch selten erbaulich: „Die hatten keine Konsistenz, waren glitschig. Das will doch keiner essen!“, hatte Kristina zu Jörg gesagt, als es um die Auswahl weiterer Gerichte ging. „Aber dann habe ich seine Gräupchen gesehen, mit kross gebratenem Bacon und essbaren Blumen. Das sah aus wie der edelste Eintopf, den man sich nur wünschen kann“, sagt sie.

So appetitlich kann ein Gräupcheneintopf aussehen - wenn Jörg Färber ihn gekocht hat.
So appetitlich kann ein Gräupcheneintopf aussehen - wenn Jörg Färber ihn gekocht hat. © Sachsen Media/ Michel Deter

„Früher standen sie so lange auf dem Herd, dass die Stärke herausgekocht wurde. Deshalb waren sie schleimig und grau“, erklärt Färber. Bei der Zubereitung ist es für ihn daher besonders wichtig, die Gräupchen zu wässern, um die Stärke auszuspülen. Buntes Gemüse wie Porree, Stangensellerie, Möhren und Erbsen geben der modernen Version des Eintopfs Farbe. Die bleibt, weil das Gericht nur so lange kocht, bis alle Zutaten bissfest sind. Sehen lassen kann sich das.

Perlgraupen-Eintopf mit Kassler, Wiener und Knackwurst

Zutaten für „einen“ großen Topf

150 Gramm Perlgraupen, eine Gemüsezwiebel, eine halbe Stange Porree, 200 Gramm Stangensellerie, 200 Gramm Kartoffeln, ein kleiner Kohlrabi, zwei mittelgroße Karotten, 100 Gramm aufgetaute Erbsen, ein Esslöffel Rapsöl, 250 Gramm Kassler-Nacken, vier Scheiben Bauchspeck, zwei Knackwürste, zwei Wiener Würste, ein Liter Gemüsebrühe (Bio-Instant), zwei Lorbeerblätter, vier Pimentkörner, frische Petersilie und Schnittlauch, Salz und Pfeffer, Worcestersoße bei Bedarf, Kerbel, Veilchen oder Gänseblümchen zur Garnitur

Zubereitung:

Perlgraupen in ein Sieb geben und waschen. Zwiebel schälen und klein schneiden. Porree halbieren, längs halbieren, waschen und klein schneiden. Kartoffeln, Kohlrabi und Möhren schälen und in gleich große Würfel schneiden. Stangensellerie waschen und ebenfalls in Würfel schneiden. Kassler abwaschen, trocken tupfen und in Würfel schneiden. Knackwurst und Wiener in Scheiben schneiden. Das Rapsöl in einem großen Topf erhitzen. Kassler, Bauchspeck und Zwiebeln darin farblos anbraten. Kartoffeln, Möhren, Sellerie, Kohlrabi, Knackwurst und Perlgraupen zugeben, mit Brühe auffüllen. Lorbeerblätter und Piment zugeben. Den Eintopf aufkochen und bei mittlerer Temperatur köcheln lassen. Nach etwa 15min Garzeit Erbsen und Wiener zugeben und für weitere 10 min „quackern“ lassen. Bei Bedarf noch etwas Brühe aufgießen. Petersilie und Schnittlauch waschen, trocken schütteln, fein schneiden und kurz vor Ende der Garzeit unterrühren. Lorbeer und Piment herausnehmen. Den Eintopf mit frischem Pfeffer aus der Mühle würzen. Bei Bedarf salzen. In Schüsseln mit Kerbel und Gänseblümchen anrichten.