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Sechs Mythen über Leitungswasser - und was wirklich dran ist

Viele Menschen schleppen lieber Flaschen mit Mineralwasser, weil sie Leitungswasser nicht trauen. In den meisten Fällen sind die Bedenken aber unbegründet.

Von Sylvia Miskowiec
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Preisgünstig und leicht verfügbar. Aber auch unbedenklich?
Preisgünstig und leicht verfügbar. Aber auch unbedenklich? © 123rf

Nur in seltenen Fällen können bei Häusern, die vor 1973 erbaut wurden, noch Bleileitungen vorhanden sein, die Blei ans Trinkwasser abgeben können. Im Zweifel sollten Mieter bei der Hausverwaltung beziehungsweise dem Vermieter nachfragen. Der Wasserversorger ist nur für die Qualität bis zum Zähler im Haus verantwortlich.

Zwischen Wasserzähler und Hahn muss sich der Eigentümer des Gebäudes um unbedenkliches Trinkwasser kümmern. Für Haushalte mit Säuglingen können zudem frisch installierte Kupferrohre ein Problem sein. Sind diese seit weniger als einem Jahr eingebaut, geben sie erhöhte Mengen des Metalls ans Wasser ab. Eltern können sich ans örtliche Gesundheitsamt wenden, wenn sie Bedenken haben, ob ihr Trinkwasser fürs Baby geeignet ist.

Mythos 1 - Wasser aus dem Hahn kann Schadstoffe aus der Leitung enthalten

Für zehn Euro gibt es rund 4.000 Liter Leitungswasser – oder zwei bis 20 Liter Mineralwasser, je nach Marke und Einkaufsort. Leitungswasser ist also unschlagbar günstig. Und umweltfreundlich, wie die Verbraucherzentrale Sachsen vorrechnet: „Die Klimabelastung vor allem von Mineralwasser in Einwegflaschen ist in Deutschland fast 600-mal größer als bei Leitungswasser“, sagt Energiereferent Lorenz Bücklein. „Wenn alle Menschen in Deutschland auf Leitungswasser umsteigen würden, wäre die CO2-Ersparnis so hoch wie das Anderthalbfache des jährlichen innerdeutschen Flugverkehrs vor der Coronazeit.“

Trotzdem kaufen viele Menschen weiterhin Mineral- oder Tafelwasser in Flaschen. „Meist haben sie Angst vor möglichen Schadstoffen“, sagt Philip Heldt von der Verbraucherzentrale NRW – und räumt mit den häufigsten Vorurteilen auf.

Mythos 2 - Leitungswasser muss ich erst lange laufenlassen, bevor ich es trinke

Das stimmt nur bedingt. Leitungswasser, das länger als vier Stunden in den Rohren stand, ist tatsächlich nicht mehr frisch. Das lange Verweilen in der Leitung begünstigt eine mögliche Verkeimung und die Übertragung von Stoffen aus den Armaturen. Deshalb gilt: erst mal laufenlassen, bis es kühl rauskommt. Das kann bis zu 30 Sekunden dauern. Dieser erste Wasserschwall morgens oder nach dem Urlaub kann problemlos zum Blumengießen, Spülen oder Putzen benutzt werden.

Mythos 3 - In Leitungswasser sind doch aber keine Mineralstoffe enthalten

Niemand muss befürchten, beim Verzicht auf Mineralwasser zu wenig Mineralstoffe wie Calcium, Magnesium und Co. aufzunehmen. Denn zum einen enthält auch Leitungswasser Mineralstoffe, während manche gekauften Mineralwasser gar nicht besonders mineralstoffreich sind, was ein Blick auf das Etikett verrät. Zum anderen werden Mineralstoffe dem Körper vor allem über feste Lebensmittel zugeführt.

Mythos 4 - Ich fürchte, dass Medikamenten- und Pestizidrückstände enthalten sind

Sogenannte Spurenstoffe wie Medikamenten- und Pestizidrückstände sind inzwischen nicht nur in einigen Trinkwässern nachweisbar, sondern auch Mineralwasser sind nicht immer frei davon. Das zeigten Tests der Stiftung Warentest. Die im Trinkwasser vorhandenen Spuren der unerwünschten Substanzen sind in der Regel jedoch erheblich geringer als in vielen anderen Lebensmitteln. Im Juni 2023 wurde außerdem die Trinkwasserverordnung novelliert – in Zukunft werden noch mehr Substanzen überwacht und einige Grenzwerte werden verschärft.

Mythos 5 - Leitungswasser muss ich extra noch filtern

Aus Sicht der Verbraucherzentrale NRW ist der Einsatz von Trinkwasserfiltern zur Entfernung von Schadstoffen nicht notwendig. Auch von spezieller Wasseraufbereitung raten die Verbraucherschützer ab. Anbieter, die mit ihren Geräten beispielsweise versprechen, Wasser zu „energetisieren“, zu „vitalisieren“ oder in seinen „ursprünglichen Zustand“ zu versetzen, verkaufen meist teure Produkte, die keinen naturwissenschaftlich anerkannten Nutzen erbringen.

Unter Umständen können zusätzliche Filter und Aufbereiter die Trinkwasserqualität sogar noch verschlechtern, zum Beispiel wenn Tischwasserfilter verkeimen, weil das Wasser darin zu lange steht. Vorgeschrieben und sinnvoll sind hingegen mechanische Partikelfilter, die sich direkt hinter der Wasserzähleranlage im Haus befinden.

Mythos 6 - Ich muss mein Leitungswasser erst analysieren lassen

Leitungswasser gehört zu den am strengsten überwachten Lebensmitteln in Deutschland. So sieht etwa die Trinkwasserverordnung sehr strenge Grenzwerte vor. In Sachsen kümmern sich vor Ort die Gesundheitsämter um die Qualität des Trinkwassers. Kontrolleure sind täglich im gesamten Freistaat unterwegs, um Anlagen zu besichtigen und Wasserproben zu entnehmen.

Zudem sind in Deutschland die lokalen Wasserversorger verpflichtet, Informationen zum Trinkwasser zur Verfügung zu stellen. Damit ist eine eigene Analyse des Leitungswassers eigentlich nicht notwendig beziehungsweise allenfalls für Stoffe wie Blei angesagt, die eventuell über die Leitungen des Hauses ins Wasser übergehen können.

Das sächsische Sozialministerium führt eine Landesliste mit rund 40 Laboren, die seriöse Untersuchungen des Trinkwassers vornehmen. Allerdings bietet nicht jedes Analysen für Endverbraucher an. Interessierte sollten sich am besten telefonisch über die Leistungen informieren. Auch ein Preisvergleich ist sinnvoll.