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Von DDR-Klassiker bis Lieblingsessen: So schmeckt es in Bautzens Landkantine

Das Technologie- und Gründerzentrum Bautzen hat neue Betreiber für die Cafeteria gefunden. Sina und Dirk Reck sind von der Kantine in Gnaschwitz hierher gewechselt und müssen sich auf neue Portionsgrößen einstellen.

Von Miriam Schönbach
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Sina und Dirk Reck kochen jetzt im TGZ Bautzen. Ihr Markenzeichen: frisch zu bereitete Hausmannskost.
Sina und Dirk Reck kochen jetzt im TGZ Bautzen. Ihr Markenzeichen: frisch zu bereitete Hausmannskost. © Steffen Unger

Bautzen. Früh kurz nach 9 Uhr wollen die meisten Gäste nur eine Tasse Kaffee und wenig Konversation. Sina Reck schenkt ihnen den Muntermacher in großen Pötten und mit einem Lächeln aus. Letzteres gibt die Landkantinen-Chefin gratis dazu im Erdgeschoss im Technologie- und Gründerzentrum (TGZ) in Bautzen. Dort haben sie und ihr Mann Dirk Reck seit Anfang September 2024 ihr neues Domizil bezogen. Nach zweieinhalb Jahren in der einstigen LPG-Kantine in Gnaschwitz wollen sie nun in Bautzen die Suppenkelle für den guten Geschmack schwingen.

Sina Reck geht vom Kantinen-Tresen nach hinten in die Küche. Die 38-Jährige will noch schnell die Salate frisch zubereiten. Eine Gurke schneidet sie schnell in Scheiben, aus den Tomaten kommt der Strunk raus. Nebenbei pellt ihr Mann schon die gekochten Eier. Hier sitzt jeder Handgriff, die Eheleute sind inzwischen ein eingespieltes Duo am Herd. Wer ist hier der Chef? Der gelernte Schlachter schickt seiner Frau nur ein breites Lächeln rüber und kümmert sich dann weiter ums Gemüse. Zwiebeln schälen. Im Radio Schlagerparadies läuft Claudia Jungs Super-Hit „Finderlohn“.

Köchin kehrt aus Bayern in die Heimat zurück

„Du musst dein Herz verlieren“ trällert es aus dem Handy. „Ich mag es ja musikalisch lieber etwas härter. AC/DC geht auch“, sagt die Chefin. Mit der Selbstständigkeit hat sich die Zweifach-Mama einen großen Traum erfüllt. Ihren Weg in der Gastronomie beginnt sie in Bayern. Nachdem sie ihren Traumjob als Kfz-Mechanikerin nicht bekommt, entscheidet sie sich für eine Ausbildung zur Hotelfachfrau in Unterhaching. Ihr weiterer Berufsweg führt die Frau aus dem Großdubrauer Ortsteil Spreewiese dann über das Schloss Dachau als Servicekraft und einen Rewe-Markt im bayrischen „Exil“ wieder zurück in die Heimat.

Arbeit bei Edeka, bei der Post, beim Präzisionswerkzeugbau und schließlich als Köchin in der Kita, zählt Sina Reck ihre berufliche Vita auf. Von der letzten Station bringt sie ihre Urkunde als „Genussbotschafterin“ mit. Die Fortbildung hat die leidenschaftliche Ausprobiererin bei der Sarah-Wiener-Stiftung absolviert – und dabei nochmal ihren Stil verfeinert. „Wir kochen alles frisch und ziehen die Soßen noch selbst“, sagt sie. Hausmannkost zwischen Experimentierfreude mit Hähnchencurry zum Beispiel und DDR-Klassikern wie Soljanka sozusagen.

Auch Laufkundschaft ist in der "Landkantine" willkommen

Das „Dreamteam“ steht seit 7 Uhr in der Kantinenküche. Dort macht Dirk Reck nun die Buletten. Nach den Zwiebeln schneidet er die Brötchen in Scheiben und zerteilt große Stücke Fleisch in lange Streifen. Das Gemisch kommt in den Fleischwolf, dann noch abschmecken. Währenddessen wird schon die viereckige Bratpfanne heiß. In Windeseile dreht er die Frikadellen ab. Die meisten haben die Größe einer Handfläche, ein paar Exemplare sind gleich mal doppelt so groß. „Das ist eine Spezialbestellung“, sagt Sina Reck – für besonders hungrige Mittagesser.

Überhaupt muss sich das Zwei-Mann-Unternehmen erstmal auf neue Portionsgrößen einstellen. „In Gnaschwitz sind vor allem Landwirte und Handwerker mit großem Hunger auf Fleisch gekommen, aber auch Rentner aus der Gemeinde haben gern bei uns gegessen“, sagt die Jungunternehmerin. Ihr Dorfkapitel ging durch die Kündigung des Vermieters zu Ende.

Jetzt schlagen sie und ihr Mann in der Stadt ein neues Kapitel auf – mit 44 Sitzplätzen, Außenterrasse, Catering und eben Portionsgrößen und Wunschessen für Büro- statt Bauarbeiter. Die Marke „Landkantine“ bleibt zum Wiedererkennen. Neben den TGZ-Mietern und Gästen ist auch Laufkundschaft herzlich willkommen.

Freunde und Familie haben beim Umzug geholfen

Wieder geht eine Tasse Kaffee über den Tresen. „Habt ihr wieder die überbackenen Mettbrötchen?“, fragt der Gast sehnsüchtig. Sina Reck vertröstet den Hungrigen auf den nächsten Tag und stellt die Info gleich zu ihrem Mann durch, dass er den Snack wieder auf die Vorbereitungsliste nehmen soll. Überhaupt wollen die zwei erstmal schauen, welche Lieblingsessen bei den Städtern gefragt sind – deftiger Herzgulasch oder vielleicht doch eher vegetarische und leichte Küche? Vor den Recks hat Vesna Mladenovic zwischen 2013 und 2023 die Cafeteria im TGZ betreut. Danach ist sie mit ihrem eigenen Restaurant auf die Bautzener Reichenstraße gezogen.

Nach ihrem Neuanfang in der Altstadt wurde die Kantine in der Preuschwitzer Straße für die neuen Mieter nochmal vorgerichtet. „Wir hatten mehrere Angebote, aber hier gefiel es uns am besten. Viele Stammkunden sind auch mitgekommen“, sagt Sina Reck. Ausschlaggebend war unter anderem die Barrierefreiheit. Übrigens haben auch bei diesem Umzug wieder Freunde und Familie geholfen.

Gäste können an der Müllerwiese parken

Neben dem Frühstück und dem Mittagstisch vor Ort hole inzwischen zum Beispiel ein Pflegedienst das Essen für die Senioren. Gut sei das Catering angenommen worden. Hungrigen Mittagsgästen mit Auto empfiehlt die Landkantinen-Chefin, auf dem Platz an der Müllerwiese zu parken.

Doch jetzt ist genug geredet, die Kartoffel müssen auf den Herd, der Rosenkohl in den Dampfgarer und noch unzählige andere Handgriffe erledigt werden. Währenddessen wendet Dirk Reck die Buletten. Ihr Duft zieht inzwischen durchs Haus. Mittagstisch gibt es aber erst ab 11.30 Uhr. Davor müssen noch die Hähnchenschenkel in den Backofen, für den Rosenkohl würfelt der 44-Jährige schon den Speck, irgendwie nebenbei. Dabei lädt das Schlagerparadies eigentlich zum Eins-Zwei-Tipp ein. Doch getanzt wird hier erstmal nur mit Messer, Pfannenwender und Suppenkelle zwischen Herd und Arbeitstisch.