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Superfood aus Sachsen: Wie die Dresdner Firma Algenwerk Eis aus Algen herstellt

Im Algenwerk in Dresden wird das Superfood Spirulina gezüchtet und frisch abgezapft. Nun gibt es bald ein neues Produkt aus der grünen Alge: Eis. Bringen die Macher damit einen neuen Foodtrend auf den Markt?

Von Juliane Just
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Algen aus dem Rohr: Gunnar Mühlstädt, Geschäftsführer vom Algenwerk in Dresden, und Antonia Bätzold vom Marketing stehen vor den Anlagen, in denen Algen wachsen. Die Spirulina gibt es frisch abgezapft in Gläsern - und bald auch als Wassereis.
Algen aus dem Rohr: Gunnar Mühlstädt, Geschäftsführer vom Algenwerk in Dresden, und Antonia Bätzold vom Marketing stehen vor den Anlagen, in denen Algen wachsen. Die Spirulina gibt es frisch abgezapft in Gläsern - und bald auch als Wassereis. © René Meinig

Dresden. Es sieht ein bisschen aus wie grüne Grütze. Was in Hellerau durch die Rohre schlackert, ist allerdings kein Dessert, sondern es sind Algen. Die wachsen und gedeihen hier und werden schließlich in Gläser abgefüllt - zum Verzehr. Was erstmal komisch klingt, hat im Ernährungsbereich längst für Wellen gesorgt. Spirulina heißt die grüne Alge, die hier in Dresden ihren Durchbruch schaffen könnte.

In einer riesigen Halle wabert "Dresdens grünem Wunder", wie es auf der Website benannt wird, durch tausende Rohre - und das schon seit einigen Jahren. Es war Gunnar Mühlstädt, der sich vor Jahren der Alge mit Leib und Seele verschrieben hat. Eigentlich ist der 46-Jährige Diplom-Ingenieur im Bereich Maschinenbau, stolperte aber durch Zufall über Algen. "Ich habe gesehen, dass man Algen im Rohr kultivieren kann. Mich hat dieses Thema fasziniert", sagt er noch heute.

Bis dato wusste noch keiner, wie eine solche Anlage zur Kultivierung von Algen aussehen könnte. Über viele Jahre tüftelt der Anlagenbauer daran und entwickelt ein Wassergewächshaus, das rund um die Uhr die perfekten Bedingungen für die Algen schafft.

"Es ist wie ein Schlaraffenland für Spirulina", sagt der gebürtige Rochlitzer. Unter dem Namen Puevit entstehen die Anlagen zur Kultivierung der Mikroalgen, die Marke Algenwerk sorgt dafür, dass die Spirulina zum Endkunden kommt.

Spirulina wird als Superfood gehypt

Doch was ist Spirulina eigentlich? Es handelt sich um Mehrzeller, die Chlorophyll enthalten und Sauerstoff produzieren. In Drogerie- und Supermärkten gibt es Spirulina bereits in Pulver- oder Tablettenform als Nahrungsergänzungsmittel. Es ist eine vegane Proteinquelle, ein Immunbooster, enthält Vitamine, Mineralstoffe, ungesättigte Fettsäuren, Mikronährstoffe und Antioxidantien - und wird deshalb längst als Superfood vermarktet. Die Verbraucherzentrale äußert sich aber auch kritisch ob des Hypes, weil die Studienlage zu dünn ist.

Doch Mühlstädt betont: "Als frisches Lebensmittel ist die Spirulina so spannend und gesund." Die Spirulina aus dem Algenwerk in Dresden unterscheidet sich nämlich von den Supermarkt-Varianten. Die grüne Alge wird im Werk in Hellerau frisch in Gläser abgezapft, die Konsistenz ähnelt Pudding. Die Qualität der Dresdner Variante ist laut Gunnar Mühlstädt einzigartig in Deutschland. "Wir sind uns sicher, dass durch die Trocknung ganz viele Inhaltsstoffe der Spirulina kaputtgehen", sagt er. Ein Glas mit 170 ml frischer Spirulina kostet 15,90 Euro - nichts für Schnäppchenjäger also.

Im Algenwerk in Dresden gab es bisher frische Spirulina aus dem Glas und ein blaues Algen-Meersalz. Das erste Algeneis der Firma geht als Produkt gerade frisch an den Markt.
Im Algenwerk in Dresden gab es bisher frische Spirulina aus dem Glas und ein blaues Algen-Meersalz. Das erste Algeneis der Firma geht als Produkt gerade frisch an den Markt. © René Meinig
Im Algenwerk in Dresden wurde lange an verschiedenen LEDs gearbeitet, die verschiedene Eigenschafte der Alge beim Wachsen triggern.
Im Algenwerk in Dresden wurde lange an verschiedenen LEDs gearbeitet, die verschiedene Eigenschafte der Alge beim Wachsen triggern. © René Meinig
In unzähligen Rohren wird in der großen Produktionshalle in Hellerau Spirulina produziert.
In unzähligen Rohren wird in der großen Produktionshalle in Hellerau Spirulina produziert. © René Meinig
Das Algenwerk vermarktet die frische Spirulina als "Dresdens grünes Wunder". In dem Mixer ist ein Smoothie zu sehen, dem die Alge seine intensive Farbe gegeben hat.
Das Algenwerk vermarktet die frische Spirulina als "Dresdens grünes Wunder". In dem Mixer ist ein Smoothie zu sehen, dem die Alge seine intensive Farbe gegeben hat. © René Meinig

Während die getrocknete Variante einen mineralischen Eigengeschmack aufweist, ist die frische Spirulina geschmacksneutral. Das Produkt muss durchgehend gekühlt werden und hält sich dann acht Wochen. Dort gibt es aber auch einen Haken an der Erfolgsgeschichte: "Ein Lebensmittel auf den Markt zu bringen, das nach nichts schmeckt, ist schwierig." Wie bringt man die Kunden dazu, Spaß am Konsum von Algen zu haben? Zuerst tüftelte das siebenköpfige Team an Rezepten, um Foodies anzulocken. Pasta, Smoothies und Pancakes gibt es auf der Website in Spirulina-Art und damit in Grün.

Algeneis aus Dresden startet im Großhandel

"Die Alge ist noch lange nicht angekommen in unserer Ernährung und eher negativ behaftet", ist sich Gunnar Mühlstädt sicher, der nach eigenen Angaben täglich zwei Esslöffel davon zu sich nimmt. Um das zu ändern und den Kunden zu helfen, tüftelte das Team auch an neuen Produkten. Und was lieben die Menschen besonders? Eis.

Gesagt, getan. Seit 2017 arbeitet das Team in Dresden an Algeneis. "Gerade die Rezeptur war eine Herausforderung." Mühlstädt hält einen kleinen Becher in den Händen. "Ais" steht darauf, um auf den besonderen Inhalt hinzuweisen. Darin enthalten sind 65 Prozent Algen, es wurde ohne Milch produziert und enthält laut dem Hersteller 30 Prozent weniger Zucker als herkömmliche Eissorten. "Wir wollten versuchen, ein gesünderes Eis mit Algen zu produzieren, ohne geschmackliche Abstriche machen zu müssen", sagt Mühlstädt.

Und das scheint gut gelungen. Die Sorten Schokolade, Erdbeere und Haselnuss gehen gerade als Pilot-Produkte in Gastro-Großmärkte wie Metro, Transgourmet und Selgros. Zwei der drei Sorten sind grün, das Schokoeis ist braun. Mehrere Testmargen werden nun entscheiden, ob es das Dresdner Algeneis auch bald deutschlandweit gibt. Für den 100-Milliliter-Becher sind 3 Euro angedacht. "Das Algeneis könnte ein Mainstreamprodukt werden. Es hat eine riesige Chance", ist sich Gunnar Mühlstädt sicher.

"Wir wollen dem Lebensmittelmarkt auf die Beine helfen"

Das Projekt steckt aber noch in den Kinderschuhen. Denn: Die Produktion muss erheblich wachsen, um das Eis in größeren Mengen herzustellen. Bis zu 100 Kilogramm Spirulina können in Dresden am Tag produziert werden, alle drei Tage kann geerntet werden. Die Zusammenarbeit mit der TU stärkt das kleine Unternehmen.

Die Arbeit in mehreren Bereichen von Algenzüchtung bis Produktentwicklung zahlte sich schließlich aus: Im Juni 2024 ging die Algenproduktion in Hellerau in die Vollproduktion. All das ist nur Dank des Investors Alfred Pürstinger als Eigentümer der Pürstinger Gruppe möglich, der an diese Idee glaubt.

Ein Vorteil hat sich für das Algeneis bereits ergeben: Bei der Eisherstellung entsteht viel Abwärme, Algen wiederum mögen es warm. Eine Win-win-Situation. Mühlstädt würde gern regionale Produktionen aufbauen, beispielsweise bei Landwirten. Dort könnten die Algenanlagen stehen und die Algen frisch produzieren - deutschlandweit, ja sogar weltweit denkbar. "Wir wollen dem Lebensmittelmarkt auf die Beine helfen", sagt er.

Das Algenwerk, Am Torfmoor 1c, bietet einen Werksverkauf von Montag bis Donnerstag bis 11 bis 17 Uhr und Freitag 11 bis 15 Uhr an.

Transparenzhinweis: In einer früheren Version dieses Textes war der Preis für ein Glas frisch gezapfter Spirulina nicht korrekt. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen.