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Filmgenuss im Wagen: Autokinos sind rar in Sachsen

Der Sommer neigt sich dem Ende, doch für Sachsens Autokinos läuft die Saison nach wie vor. Sie sind nach dem Boom zur Corona-Pandemie aber wieder selten geworden. Was macht ihren Charme heute aus?

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Autos stehen in der Dämmerung in einem Autokino
Autos stehen in der Dämmerung in einem Autokino © Jens Kalaene/dpa (Symbolbild)

Geyer/Langenhessen. Die große Leinwand erleuchtet den Parkplatz am Waldrand bei Geyer im Erzgebirge, davor sind etliche Fahrzeuge aufgereiht. Wenn die Dämmerung hereinbricht, heißt es hier: Film ab! Einige gute Kinofilme hätten die aktuelle Saison gerettet, erzählt Jörg Nicolai, Inhaber des Autokinos Greifensteine. "Nur bei guten Produktionen kommen auch die Leute." Seit 25 Jahren präsentiert er neben seinem Hauptberuf das aktuelle Kinoprogramm am Abend, meist täglich und in zwei Durchgängen. "Autokino ist eine entspannte Sache. Unsere Gäste können es sich gemütlich machen, den Hund, das Baby oder Essen mitbringen und mitten in der Natur die neuesten Filme genießen."

Bequem im Auto Kinofilme schauen, solche Angebote sind rar in Sachsen. Doch auch in Langenhessen (Landkreis Zwickau) blickt Andreas Osse auf eine über 30-jährige Geschichte zurück. Eine Sieben-Tage-Woche, viel Engagement und Abstriche beim Familienleben gehörten dazu, um "das kleine Unternehmen am Laufen" zu halten, sagt der Betreiber des größten Autokinos im Freistaat. "Aber der Erfolg gibt uns recht."

Schon in der DDR habe es an der jetzigen Stelle an der Koberbachtalsperre bei Werdau ein Freilichtkino gegeben, erzählt Osse. In den 1990er Jahren hätten sich viele Menschen in Ostdeutschland dann über ein neues Auto gefreut – und ein Autokino füllte eine Art Marktlücke, erinnert er sich an die Zeit, in der er das Autokino ins Leben rief. "In Westdeutschland entstanden Autokinos in den 1950er Jahren eher in größeren Städten, in Ostdeutschland später an Talsperren oder in Tourismusgebieten."

Boom während der Corona-Pandemie

Die Filmförderungsanstalt in Berlin zählte Ende 2020 insgesamt 454 Autokino-Leinwände in Deutschland, 28 davon in Sachsen. Ende 2023 waren es bundesweit nur noch 31 Leinwände und davon 5 im Freistaat. Diese fünf gemeldeten Leinwände seien auf zwei Autokinos aufgeteilt. Dem standen im Freistaat im letzten Jahr 94 klassische Kino-Spielstätten mit 248 Leinwänden gegenüber.

Dass in der Corona-Zeit die Zahl der Autokinos auch in Sachsen zunahm, sei nur ein sehr kurzer Trend gewesen, erläutert Osse. Sie gehörten damals zu den wenigen Einrichtungen, die während der Pandemie öffnen durften. "Das waren Veranstaltungsagenturen, die nichts mit dem eigentlichen Charakter eines Autokinos zu tun hatten. Nach der Zeit verschwanden sie wieder und es blieben wieder die übrig, die seit Jahrzehnten im Geschäft sind."

Nur die Enthusiasten seien beim Betrieb eines Autokinos geblieben, formuliert es Nicolai. Bis vor zwei Jahren leitete er neben dem Autokino Greifensteine noch eines in Leipzig. "Die Bedingungen in der Stadt sind schwieriger. Platzmieten sind höher und viele Menschen besitzen kein eigenes Auto mehr. Mit Bus oder Bahn kommt man nicht zu uns."

Autokinos vor allem auf dem Land gefragt

Im ländlichen Raum hingegen schätzten es viele, entspannt im eigenen Wagen zu sitzen und nicht "eng zusammengepfercht" in einem Kinosaal. Und die Saison ist bei den beiden sächsischen Autokinos noch lange nicht vorbei. Von März bis Anfang November haben sie geöffnet. "Abhängig vom Wetter", so Osse. Die Gästezahlen seien bei ihm bis Frühsommer eher verhalten gewesen. "Aber die Zeit der Schulferien lief hervorragend."

Animationsfilme wie "Ich - Einfach unverbesserlich 4", "Alles steht Kopf 2" oder Actionfilme wie "Bad Boys" hätten viele Besucher angelockt. "Familienfilme kommen immer besser an, früher standen Action- und Horrorfilme an erster Stelle." Drei Leinwände machten es möglich, ein breites Spektrum abzudecken, was für das kleine Unternehmen überlebenswichtig sei. "Auch dass wir Essen und Snacks über Inlineskater direkt zu den Autos bringen, ist einmalig."

Am Wochenende kommen dadurch 300 Besucher zusammen, in Bestzeiten auch mal 500, rechnet Osse vor. "Trotzdem müsste sich die Situation für kleinere Unternehmen in Deutschland dringend verbessern. Weniger Bürokratie, weniger Steuerlast, das würde uns den Arbeitsalltag enorm erleichtern."

Betreiber: Autokino hat als Nische eine Zukunft

Ein Verschwinden des klassischen Kinos scheint es in Sachsen vorerst nicht zu geben, wie die Zahlen der Filmförderungsanstalt zeigen. Sie verzeichnete 2013 insgesamt 86 Spielstätten an 43 Standorten. Zehn Jahre später 2023 waren es 94 Spielstätten an 47 Standorten. Weniger wurden aber die Besucher: Waren es 2013 5,3 Millionen, wurden 2023 rund 4,4 Millionen Tickets verkauft.

Von diesen Entwicklungen scheinen Autokinos weniger betroffen, meint Osse. "Wir sehen, dass feste Kinos eher zu kämpfen haben. Wir können uns durch unser spezielles Angebot besser halten." Trotz zunehmender Beliebtheit von Streamingdiensten – auch für Betreiber Nicolai hat das Autokino als Rarität und Nische in Sachsen eine Zukunft.

"Es kommen viele Stammgäste und Liebhaber dieser speziellen Atmosphäre." Acht Euro verlange er seit Jahren für ein normales Ticket. Besonders freut sich der Chef der Einrichtung in der Nähe der Greifensteine auf "Joker 2" in den nächsten Wochen. "Ich weiß schon jetzt, dass der gut laufen wird." (dpa)