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Riesas Stadtwerke-Chef kritisiert Gesetzgeber

Solarparkbau, E-Auto-Ladensäulen und mehr: Der Anspruch zwischen politischen Wünschen und tatsächlichen Regeln klafft laut René Röthig teils deutlich auseinander.

Von Eric Weser
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René Röthig ist seit nahezu 15 Jahren Chef der Riesaer Stadtwerke. Am Thema Energiewende kommt auch die städtische Tochtergesellschaft nicht vorbei.
René Röthig ist seit nahezu 15 Jahren Chef der Riesaer Stadtwerke. Am Thema Energiewende kommt auch die städtische Tochtergesellschaft nicht vorbei. © Andreas Weihs

Riesa. Der Geschäftsführer der Riesaer Stadtwerke René Röthig hat beim Treffen des Vereinigten Wirtschaftsforums Region Riesa gesetzgeberische Vorgaben kritisiert, die aus seiner Sicht die Energiewende bremsen. Röthig machte vor Vertretern verschiedener regional ansässiger Unternehmen auf mehrere Punkte aufmerksam, die aus seiner Sicht einen Widerspruch zwischen politischen Zielvorstellungen einerseits und den tatsächlichen Regeln andererseits zeigen. Es gebe bei der Decarbonisierung als Thema der Zeit einiges an Potenzial für verbesserte Rahmenbedingungen, so der 53-Jährige, der seit 2009 die Geschicke der Stadtwerke Riesa lenkt.

Viel Zeit für Artenschutz

Zur Illustration verwies er auf das 2022 realisierte Solarpark-Projekt seines Unternehmens an der Rostocker Straße in Riesa. Dort wurde eine rund sieben Hektar große Fünf-Megawatt-Photovoltaikanlage auf dem Gelände eines ehemaligen Kohlehandels errichtet. Der eigentliche Solarpark-Bau habe dabei acht Wochen gebraucht – von Oktober bis Dezember vorigen Jahres. Zuvor sei jedoch viel Zeit nötig gewesen, um artenschutzrechtliche Auflagen zu erfüllen: Allein anderthalb Jahre seien für "Eidechsengucken" samt anschließendem "Eidechsensammeln" benötigt worden. Röthig verwies auf den Bau von "Lurchhotels" – speziellen Haufen aus Holz und Steinen, in die zuvor auf der Brache gesammelte Tiere verbracht worden waren. Ob die Tiere dort bleiben, sei unklar.

Der Solarpark der Stadtwerke Riesa auf dem ehemaligen Kohlehandel-Gelände an der Rostocker Straße: Gut zwei Monate brauchte der Bau. Die Projektvorbereitung dagegen Jahre – auch wegen der Auflagen im Zusammenhang mit geschützten Tierarten.
Der Solarpark der Stadtwerke Riesa auf dem ehemaligen Kohlehandel-Gelände an der Rostocker Straße: Gut zwei Monate brauchte der Bau. Die Projektvorbereitung dagegen Jahre – auch wegen der Auflagen im Zusammenhang mit geschützten Tierarten. © Andreas Weihs

Die Lurche hätten sich auch auf den Betonflächen des ehemaligen Kohlehandels wohlgefühlt, so Röthig. Der Zweck der Haufen sei daher fragwürdig, ihr Bau kostenintensiv und mache somit auch die erneuerbaren Energien teurer. Gleichzeitig fordere die Politik, dass es beim Ausbau erneuerbarer Energien schneller vorangehen müsse. "Da muss man sagen: Wer solche Rahmenbedingungen beim Artenschutz aufstellt, muss sich nicht wundern, wenn Anlagen mit acht Wochen Bauzeit drei Jahre Planungszeit haben", so der Stadtwerke-Chef, der auf kurzfristig geänderte EEG-Regeln hinwies, mit denen sich das Projekt ebenfalls konfrontiert sah. Gesetzliche Grundlagen änderten sich derzeit oft so schnell, dass Investitionsvorhaben zusätzlich erschwert würden.

Krisenregelung als betriebswirtschaftliches Problem

Als Hemmnis für Investitionen stellte Röthig daneben die sogenannte Erlösabschöpfung im Stromsektor heraus. Bei dieser – zumal in Zeiten steigender Energiepreise – erlassenen Regel habe der Gesetzgeber außer Acht gelassen, dass höhere Umsätze benötigt werden, um gestiegene Preise zu decken. Wegen der Erlösabschöpfung ergebe sich für Energieversorger wie die Stadtwerke daher ein betriebswirtschaftliches Problem. Der Gesetzgeber müsse "dringend nachdenken", ob er auf diese Weise eingreife, wenn er wolle, dass künftig Investitionen passieren, so Röthigs Mahnung. Mit der Erlösabschöpfung wollte die Bundesregierung 2022/23 "Zufallsgewinne" bei Stromerzeugern infolge der erhöhten Strompreise abschöpfen, um damit Energiepreisbremsen zu finanzieren. Die Regelung stand von Beginn an in der Kritik und wurde Ende Juni dieses Jahres abgeschafft.

Zwangsrückzug bei E-Ladesäulen

Eine E-Auto-Ladesäule der Stadtwerke am Riesaer Käferberg: Im gesamten Stadtgebiet hat der Versorger mehr als ein Dutzend solcher Stationen errichtet. Weitermachen darf er nicht.
Eine E-Auto-Ladesäule der Stadtwerke am Riesaer Käferberg: Im gesamten Stadtgebiet hat der Versorger mehr als ein Dutzend solcher Stationen errichtet. Weitermachen darf er nicht. © Lutz Weidler

Deutliche Kritik übte René Röthig derweil an einer weiteren, mithin bestehenden Regelung, wonach Betreiber von Elektroverteilnetzen – dazu gehören auch Riesas Stadtwerke – kein Eigentümer vom Ladepunkten für E-Mobilität sein dürfen und sie diese Ladepunkte auch nicht mehr entwickeln, verwalten oder betreiben dürfen. "Stadtwerken wie uns wird damit per Gesetz verboten, den Ausbau voranzutreiben, den der Gesetzgeber als Ziel bis 2030 formuliert hat, um die E-Mobilität voranzubringen." Röthig: "Ein Mediziner hätte an dem Punkt vielleicht eine Schizophrenie diagnostiziert." Man habe auch einen SPD-Bundestagsabgeordneten mit dem Thema konfrontiert. Doch geändert hat das offenbar nichts. Man möge sich bitte nicht wundern, dass sich die Stadtwerke aus dem Ausbau der E-Mobilitäts-Ladeinfrastruktur zurückziehen, erklärte der Stadtwerke-Chef beim Wirtschaftsforum.

In den vergangenen Jahren haben die Stadtwerke ein 14 Ladesäulen umfassendes Netz im Stadtgebiet aufgebaut. Neben den Stadtwerken betreiben auch weitere Unternehmen Ladepunkte in der Stadt, insgesamt waren es nach Zahlen aus dem Frühjahr 2023 in Riesa 18 Stück; Riesa war damit Spitzenreiter im Landkreis Meißen.

Trotz der neuen Regelung sollen Stadtwerke-Ladesäulen nicht an einen Dritten abgegeben werden müssen, wie René Röthig auf Nachfrage mitteilte. Man habe eine gesetzeskonforme Verlagerungsmöglicheit innerhalb der eigenen Konzernstruktur gefunden. Das Geschäftsfeld solle an die Esam übertragen werden, eine Tochterfirma der Stadtwerke. "Somit wird für die Nutzer der Ladesäulen in Riesa im Wesentlichen keine Einschränkung spürbar sein."

Trotz aller Herausforderungen seien die Stadtwerke bemüht, im Spannungsbogen zwischen Ökologie, Ökonomie und Technologie ihrer Aufgabe der Daseinsvorsorge nachzukommen, unterstrich René Röthig beim Wirtschaftsforum. Als eines der nächsten größeren Projekte im Zusammenhang mit der Energiewende plant der Energieversorger den Bau einer Großwärmepumpe nahe dem Krankenhaus in Riesa. Geplante Kosten des auch vom Bund geförderten Vorhabens: rund eine Million Euro.