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"Wenig kundenfreundlich": Riesaer erhebt Vorwürfe gegen Vermieter

Ein Mann will seinem pflegebedürftigen Nachbarn in Riesa beim Umzug in eine neue Wohnung helfen. Doch das Ganze steht unter keinem guten Stern.

Von Eric Weser
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Ein Wohnblock in Riesa-Weida: Ein betagter Anwohner will innerhalb des Stadtteils umziehen.
Ein Wohnblock in Riesa-Weida: Ein betagter Anwohner will innerhalb des Stadtteils umziehen. © Archivfoto: Sebastian Schultz

Riesa. Es geht um eine Unterschrift unter einen neuen Mietvertrag – und die Frage, wo sie passieren soll. Leisten soll die Unterschrift Norbert C. (Name geändert), ein fast 80-jähriger, pflegebedürftiger Mann aus Riesa. Nach fast vier Jahrzehnten will er aus seinem Wohnblock in Riesa-Weida aus- und in eine behindertengerechte Wohnung im selben Stadtteil umziehen. Sein Vermieter soll dabei derselbe bleiben: die städtische Wohnungsgesellschaft Riesa (WGR).

Andreas Drechsel kritisiert das Unternehmen scharf. Der 65-Jährige wohnt derzeit im selben Hauseingang wie Norbert C. – und hat nach eigenem Bekunden von seinem betagten Nachbarn eine Vollmacht erhalten, in Wohnungsangelegenheiten Dinge für ihn regeln zu dürfen. Andreas Drechsel findet, die Wohnungsgesellschaft sollte sich bei der für Donnerstagvormittag angesetzten Mietvertragsunterzeichnung entgegenkommender verhalten. Doch das Unternehmen beharre darauf, dass Norbert C. trotz Pflegegrad 3, stark eingeschränkter Mobilität und Schmerzen die Unterschrift unter seinen neuen Mietvertrag am Geschäftssitz der WGR leisten solle. Dieser liegt reichlich zweieinhalb Kilometer entfernt in der Stadtmitte.

Ein nicht zumutbarer Weg

Der Weg sei Norbert C. nicht zuzumuten, meint Andreas Drechsel, und verweist auch auf ein Attest vom Hausarzt des Seniors, dass das bescheinigt; es liegt der SZ vor. Während bei Arztterminen die Kosten für Transporte von der Kasse übernommen würden, sei das im Falle der Mietvertragsunterzeichnung nicht möglich. Drechsel ist deshalb der Auffassung, die WGR solle Kosten tragen – oder ermöglichen, dass Mitarbeiter zur Vertragsunterzeichnung in der alten Wohnung vorbeikommen.

Im Schriftverkehr mit Andreas Drechsel lehnt die WGR beides ab, verweist darauf, Ort und Modalitäten des Vertragsabschlusses vom Vermieter nach eigenem Ermessen festlegen zu dürfen. Das sei „nicht nur rechtlich zulässig, sondern auch erprobt“ und diene auch dem Vermeiden von Missverständnissen und dem Schaffen klarer Verhältnisse.

Auf Nachfrage zu dem Fall äußert sich WGR-Geschäftsführer Roland Ledwa. Er betont, dass dem Großvermieter daran gelegen sei, „jeden Mieter optimal zu bedienen“. Grundsätzlich sei man auch bereit, von der Praxis der Vertragsunterzeichnung in den eigenen Geschäftsräumen abzuweichen. Es gebe bei dem Fall auch keinerlei Problem mit dem Mieter, also Norbert C., so Roland Ledwa. Nachbar und Bevollmächtigter Andreas Drechsel sei jedoch bei vergangenen Terminen gegenüber WGR-Mitarbeitern derart verbal ausfällig geworden, dass er seine Leute nicht mehr nach Weida in die Wohnung schicken wolle, so Roland Ledwa.

Nach Angaben des WGR-Chefs vom Mittwoch hat Norbert C. die Vollmacht für seinen Nachbarn zurückgezogen. Wegen der geänderten Lage der Dinge sei nun geplant, dass es am Donnerstag doch zur Vertragsunterzeichnung in Weida kommt – im künftigen Wohnhaus von Norbert C.

Mieterlobby: "Wenig kundenfreundlich"

Andreas Drechsel sagte am Mittwoch zur SZ, er wisse vom Entzug der Vollmacht nichts. Seinen Nachbarn wolle er am Donnerstag auf jeden Fall zum Termin begleiten. Dass dieser an der neuen Wohnadresse stattfinden soll, findet Drechsel fragwürdig. Das Transport- samt Kostenproblem für Norbert C. bleibe damit.

Irritiert von dem Fall zeigt sich der Vorsitzende des Meißner Mietervereins Eyk Schade: Er finde es unseriös und wenig kundenfreundlich, dass ein Mietvertrag in der Geschäftsstelle des Vermieters unterschrieben werden solle, sagt er auf Nachfrage. Eigentlich würden Vermieter Verträge vorab den künftigen Mietern zuschicken. Das lasse vor Unterzeichnung die Möglichkeit, sich zum Beispiel bei einem Mieterverein beraten zu lassen, ob der Vertrag rechtskonform sei.

Bei der WGR sei es Praxis, Mietverträge zunächst in einem persönlichen Gespräch zwischen Mietinteressenten und Mitarbeitern zu besprechen, um Fragen zu klären, sagt dazu Roland Ledwa. Er halte das für eine gute Variante. Den Vertrag mitzunehmen, um sich vor einer Unterzeichnung von Dritten beraten zu lassen, sei aber grundsätzlich möglich, so der WGR-Chef.

Hinweis der Redaktion: Der Hausarzt von Norbert C. hatte ein Attest ausgestellt, dass der Senior seine Wohnung nicht verlassen kann. Wir haben diese Information im Text ergänzt.