Partner im RedaktionsNetzwerk Deutschland
SZ + Riesa

Treff der DDR-Ungarn: "Riesa ist meine zweite Heimat"

1967 kamen die ersten Arbeiter aus Ungarn nach Riesa. Manche leben noch heute in der Stadt. Ein Fest soll jetzt Raum für Erinnerungen und Gespräche geben.

Von Stefan Lehmann
 3 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Eine Linde in Erinnerung an die DDR-Ungarn: László Szevald kam in den frühen 1970er-Jahren nach Riesa und ist hier heimisch geworden. Zum Baum soll demnächst noch eine Plakette kommen - im Rahmen einer Veranstaltung in Riesa-Weida.
Eine Linde in Erinnerung an die DDR-Ungarn: László Szevald kam in den frühen 1970er-Jahren nach Riesa und ist hier heimisch geworden. Zum Baum soll demnächst noch eine Plakette kommen - im Rahmen einer Veranstaltung in Riesa-Weida. © Sebastian Schultz

Riesa. Die Linde ist schon gepflanzt. Was noch fehlt, sagt László Szevald, ist die Plakette daneben. Sie soll gemeinsam mit dem "Freundschaftsbaum" erinnern an die ungarischen Jugendlichen, die ab 1967 in Riesa gearbeitet haben. Jugendliche wie er.

Szevald ist einer von vielen Ungarn, die ab den späten 1960er-Jahren im Zuge eines Abkommens mit der Ungarischen Volksrepublik in die DDR kommen - auch nach Riesa. Hintergrund der Aktion sei es gewesen, die durch Abwanderung und Misswirtschaft fehlenden Arbeitskräfte zu ersetzen, teilt Ramona Geißler vom Riesaer Stadtmuseum mit. Wer einreiste, durfte keine Familienmitglieder mitbringen, daher kamen meist junge und unverheiratete Leute in die DDR.

Die wirtschaftlichen Gründe waren für László Szevald zweitrangig, als er 1970 aus Dunaújváros nach Sachsen kam. "Ich wollte damals die Sprache lernen", erzählt Szevald und fügt mit einem verschmitzten Grinsen noch an: "Uns wurde auch erzählt: In der DDR gibt es viele Mädels. Als junger Mann lockt so etwas an."

Einige Hundert Arbeiter aus Ungarn könnten es schon gewesen sein, die dann vor allem in der Schwerindustrie gearbeitet haben, schätzt er. Genaue Zahlen kann er nicht nennen. Für Szevald geht es erst als Schlosser ins Riesaer Stahlwerk, später nach Zeithain als Rohrwalzer. "Das war gute Arbeit." Ein kleiner Schock sei aber die Ankunft im Werk gewesen, wo die Technik aus Sicht der Ungarn veraltet gewesen sei.

Untergebracht sind die Ungarn damals in Weida, vor allem im Hochhaus an der Chemnitzer Straße 26. Zwei Stockwerke des Arbeiterwohnheims seien vornehmlich mit seinen Landsleuten belegt gewesen, erinnert sich László Szevald. Alte Fotos zeigen ihn und die Kumpel beim Einkaufen, im Freibad, auf der Hochhaus-Terrasse, beim Feiern oder Kochen. Auch eine eigene "Hochhaus-Auswahl" im Fußball stellen die Ungarn in Riesa.

Viele Ungarn waren im Hochhaus an der Chemnitzer Straße 26 untergebracht.
Viele Ungarn waren im Hochhaus an der Chemnitzer Straße 26 untergebracht. © Foto: SZ/Eric Weser
László Szevald und Freunde beim Einkaufen in der Kaufhalle.
László Szevald und Freunde beim Einkaufen in der Kaufhalle. © Foto: SZ/Eric Weser
Gekocht wurde teils in Gemeinschaftsräumen. Ziemlich typisch für die Jugendlichen seien die Frauenbilder an der Wand gewesen, erzählt László Szevald.
Gekocht wurde teils in Gemeinschaftsräumen. Ziemlich typisch für die Jugendlichen seien die Frauenbilder an der Wand gewesen, erzählt László Szevald. © Foto: SZ/Eric Weser
Beim Fußball stellten die Ungarn eine eigene Auswahl auf.
Beim Fußball stellten die Ungarn eine eigene Auswahl auf. © Foto: SZ/Eric Weser
Ein weiteres Mannschaftsfoto der Riesaer Ungarn-Auswahl - László Szevald spielte Stürmer.
Ein weiteres Mannschaftsfoto der Riesaer Ungarn-Auswahl - László Szevald spielte Stürmer. © Foto: SZ/Eric Weser

Jede Woche tanzen

Wenn Ende August die Plakette am Freundschaftsbaum eingeweiht wird, erwartet László Szevald jedenfalls ein großes Hallo. Um die 60 Personen werden für die Einweihung erwartet, die der Verein der DDR-Ungarn NDK organisiert hat. Der OB wird eine Rede halten, anschließend soll es auf der Festwiese in Riesa-Weida die Möglichkeit zur Begegnung geben. Eine ähnliche Veranstaltung ist tags darauf auch in Coswig geplant. Einige Besucher werden extra aus Ungarn anreisen, teilweise bei Bekannten schlafen. Ansonsten habe die Wohnungsgesellschaft sowohl die Pflanzung als auch die Organisation des Vereins sehr gut unterstützt, betont László Szevald.

Ende der 1980er-Jahre beschäftigten DDR-weit 45 Betriebe zirka 4.000 Ungarn. Umgekehrt waren 330 DDR-Bürger im Rahmen des Abkommens in ungarischen Unternehmen tätig. In Riesa ist László Szevald heute einer von wenigen Ungarn, die dageblieben sind.

Ganz richtig ist das streng genommen auch nicht: Er ist zurückgekehrt. "Mir gefällt es in Riesa, es ist meine zweite Heimat." Er habe sich damals schnell eingelebt. Nach zwei Wochen Deutschunterricht ging es für die ungarischen Gastarbeiter jedenfalls eigentlich jede Woche tanzen. "In Bobersen, in Merschwitz und Röderau." Was junge Leute eben so machen. Häufig habe es gute Livemusik gegeben, von den Puhdys oder der Stern-Combo-Meißen etwa. Im früheren Arbeiterwohnheim lebt er nicht mehr. In Weida aber ist er geblieben - in Sichtweite zum neu gepflanzten Baum an der Chemnitzer Straße.

  • Das Treffen der DDR-Ungarn in Riesa am 21. August beginnt 11 Uhr an der Ecke Chemnitzer/Stralsunder Straße mit der Einweihung einer Gedenktafel, anschließend geht es auf der nahen Festwiese weiter.
  • Die Veranstaltung in Coswig ist tags darauf um 15 Uhr geplant. Treffpunkt dort ist der "Ungarn-Block" an der Moritzburger Straße/Ecke Platanenweg.