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Goethe trifft Rockmusik in Riesa: "So ein Publikum wie bei Faust hab ich noch nie erlebt"

In der Schule konnte Jimmy Gee nicht viel mit Goethe anfangen. Heute holt er mit "Faust'n Roll" den Stoff neu auf die Bühne - mit Anleihen an Rockmusik der 70er und 80er.

Von Stefan Lehmann
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Komponist und Gitarrist für "Faust'n Roll": JImmy Gee, hier umringt von Darstellern des Rocktheaters.
Komponist und Gitarrist für "Faust'n Roll": JImmy Gee, hier umringt von Darstellern des Rocktheaters. © PR/André «ArtFiction» Gehrman

Riesa. Goethe wäre heute Beatles-Fan, sagt Jimmy Gee. "Deren Geschichten sind nicht minder interessant", sagt er. "Das waren auch kleine Goethes." Der 46-Jährige stand mit seiner Band auch außerhalb Deutschlands schon auf der Bühne. Seit einigen Jahren ist die Gruppe mit "Faust'n Roll" unterwegs: Texte von Goethe treffen auf Rockmusik im Stil von Bon Jovi oder White Snake. Am 27. September tritt das "Rocktheater" erstmals in der Stadthalle Stern in Riesa auf. Was dahinter steckt, erklärt Jimmy Gee im Interview.

Jimmy Gee, wahrscheinlich hat jeder Deutsche in der Schulzeit seine ersten Erfahrungen mit Goethe gesammelt. Welche waren deine?

Ich hatte nur negative Erfahrungen! Ich habe sechs Sechsen und eine Fünf in der Schule eingefangen in der 8. Klasse, weil ich den Zauberlehrling nicht lernen wollte. Das war meine Erfahrung mit Goethe. Danach dachte ich, um Goethe komm' ich herum.

  • Neben der Abendvorstellung am 27. September um 19.30 Uhr gibt es auch eine Vorstellung um 11 Uhr für Schüler und Lehrer. Tickets dafür gibt es zum ermäßigten Preis von 12 Euro ausschließlich per Mail an [email protected]

Falsch gedacht! Wie kamst du denn zu Faust'n Roll?

Goethe oder allgemein klassische Literatur zu "verrocken", das hat man schon in den 70er-Jahren gemacht. Es gab ja auch schon etliche Jahre die Rockoper. Produzent Michael Manthey wollte irgendwann noch mal was Neues, Frisches machen. Dazu brauchte er einen Hauptdarsteller, einen Sänger. Das sollte ich werden.

Du solltest als Sänger auf die Bühne?

Ich wurde angerufen, ob ich das singen würde. Ich sagte: kein Problem. Dann haben sie mir gesagt, wie viel das wäre. Ich hab mein Leben lang noch nie auf Deutsch und so eine Masse an Text gesungen. Ich habe dann gesagt: Tut mir leid, ich kann das hier nicht unterschreiben. Da waren die Leute richtig traurig, ich sollte eigentlich Mephisto werden. Aber dann fragte mich Michael Manthey, ob ich nicht komponieren möchte, weil es da nicht richtig voranging. Ich habe dann ganz schnell, innerhalb von paar Tagen, die ersten Stücke komponiert. Das kam gut an und wir haben später das ganze Stück noch mal neu geschrieben.

Worin liegt der Unterschied zwischen Rockoper und Rocktheater?

Unser Rocktheater hat mehr Musik. Wir nennen es Rocktheater, aber eigentlich kann man auch sagen, es ist ein Rock-Musical.

Welche Musik steckt denn im Rocktheater drin?

Wir machen viel 70er- und 80er-Jahre-Rockmusik. Viele epische Balladen und richtig coole Rocknummern. Wenn man da schreibt "Musical", dann kommen die ganzen Biker auf keinen Fall in diese Show.

A propos: Wer kommt denn alles in diese Shows?

Wir haben so ein unterschiedliches Klientel, dass man das nicht beantworten kann. Es gibt Shows, da ist der Altersschnitt eher Richtung 70 oder 80. Dann haben wir aber auch Konzerte wie in Rathen, die hervorragend gemischt sind. Da saßen Kinder und Jugendliche, es waren Altrocker dabei und auch Leute, die eher wegen der Goethe-Texte da waren.

Wie schwierig ist es denn, zu einem Werk wie Faust passende Musik zu komponieren?

Das war sehr einfach für mich. Ich hab vom Chef ein Drehbuch bekommen. Da waren mit Post-its auch schon Hinweise drin, etwa: "Mystisch, tragend." So wusste ich sofort, was die wollten, hab den Text angeguckt und die Zeilen abgemessen. Das ist bei Goethe hervorragend, viel geiler als bei Schiller. Bei Goethe hat alles ein super Versmaß. Dann hab ich einfach losgelegt und komplett komponiert, ohne den Gesang. Der ist erst entstanden, als ich das Buch in die Hand genommen und auf den Song raufgesungen hab.

Wie kommen denn die Aufführungen beim Publikum an?

Ich wollte die Songs so einfach halten, wie es geht - damit die Leute nicht zu den komplizierten und tiefen Texten auch noch komplizierte Musik bekommen. Ich wollte, dass sie Leute rausgehen und sagen: "Boah, ich habe noch die Melodie von dem und den im Kopf." Das ist mir absolut gelungen. Die Leute kaufen CDs und USB-Sticks.

Man sieht's auch in Videos von den Konzerten, in denen das Publikum gegen Ende im Takt klatscht und mitgeht.

Ich war ja als Rockmusiker schon in sehr vielen Ländern, bin seit 30 Jahren im Business. Normalerweise bin ich da der Frontmann. So ein Publikum wie bei Faust hab ich vorher noch nie erlebt: Die sitzen ganz still da und beobachten das Geschehen auf der Bühne. Wenn ich sonst ein Gitarrensolo gespielt hab, guckten mich da 5.000 Leute an. Wenn ich jetzt Solo spiele, gucken die Leute alle zu den Tänzern. Die Leute sind still und aufmerksam, sie wollen nicht stören. Da denkt man manchmal: Die sind stocksteif, die haben gar keinen Bock heute. Dann kommt die Zugabe und die rasten völlig aus. Daran muss man sich erstmal gewöhnen.

Du hast eingangs gesagt, dass du mit dem Zauberlehrling deine Probleme hattest. Hat sich deine Haltung zu Goethe mittlerweile verändert, fasziniert dich das vielleicht sogar?

Ja, mega sogar! Ich hätte nicht gedacht, dass man so schön schreiben kann. Ich bin begeistert von dieser Tiefe. Wir hatten das Stück schon fünf, sechs Mal gespielt, da habe ich erst geschnallt, was wirklich da noch zwischendurch stattfindet. Das fasziniert mich bis heute. Ich liebe Faust! Meine Lieblingsstelle ist die, als Faust auf den Erdgeist trifft. Daraus hab ich mir ein Zitat auf die Brust tätowieren lassen. Und den Zauberlehrling hab ich mittlerweile auch aufgenommen, als progressive Rockfassung. Gibt's auch auf Youtube. Ich hatte so eine Freude an Goethe und am Komponieren. Ich glaube, das hört man auch an den Songs.