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Gröditz: Witwe mit Kindern soll neuem Ärztehaus weichen

Der Vermieter bietet Hilfe bei der Suche nach einer neuen Wohnung an. - So wichtig wäre ein Ärztehaus für Gröditz in den kommenden Jahren.

Von Jörg Richter
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Jeanette Glowka (47) soll mit ihren Kindern bis Ende Januar aus diesem Haus in der Reppiser Straße ausziehen. Es soll zum Ärztehaus umgebaut werden.
Jeanette Glowka (47) soll mit ihren Kindern bis Ende Januar aus diesem Haus in der Reppiser Straße ausziehen. Es soll zum Ärztehaus umgebaut werden. © Jörg Richter

Gröditz. Im Hinterhof steht ein Baumarkt-Pool. Das Wasser ist noch drin, aber bereits grün. Eine fehlende Scheibe in der Haustür ist behelfsmäßig mit Brettern repariert. Der Vorraum ist kalt. Über eine Holztreppe geht es ins erste Obergeschoss. Auf einem alten Schuhschrank steht eine Kleintier-Gitterbox, in der ein Zwergkaninchen an etwas Essbarem knabbert. Zwei Wohnungen gibt es. Die linke steht leer. Die rechte nicht.

Hier wohnt Jeanette Glowka mit ihren beiden jüngeren Söhnen, die sieben und 13 Jahre alt. Ein älterer Sohn, 27, lebt im Dachgeschoss. Die Treppe dorthin sei schon mal durchgebrochen gewesen, erzählt die Witwe. Seit dem Tod ihres Mannes vor zwei Jahren versucht die 47-Jährige, allein um die Runden zu kommen. Mit Hartz IV und einen Minijob als Pflegehelferin auf 165-Euro-Basis ist das nicht leicht.

Die Schränke in der Küche und im Schlafzimmer stammen noch von ihren Eltern, erzählt die Gröditzerin. Die anderen Möbel habe sie damals mit ihrem Mann über das Jobcenter erhalten, als sie 2018 vom Zeithainer Wohngebiet Nikopoler Straße nach Gröditz gezogen waren. Sie hängt an diesen Dingen, ist froh, dass sie sie hat. Das Modernste in der Stube ist der Fernseher.

Zufrieden über das Dach überm Kopf

Ein schönes Zuhause stellen sich manche Menschen vielleicht anders vor. Trotzdem haben sich Jeanette Glowka und ihre Jungs mit ihrem schwarzen Hund Blacky hier eingerichtet und sind zufrieden, ein Dach über den Kopf zu haben.

Doch all das ist gefährdet. Die Familie soll aus dem Haus an der Reppiser Straße ausziehen. Der bisherige Besitzer aus Berlin hat es an das Gröditzer Unternehmerpaar Henry und Grit Wendt verkauft. Die Eheleute besitzen bereits mehrere Häuser in der Stadt. Meist sanieren sie alte Gebäude und machen daraus schicke Wohnungen.

Am 19. September wurde der Kaufvertrag notariell beglaubigt. Einen Tag später habe sich Henry Wendt das erste Mal bei Jeanette Glowka gemeldet. Per Whatsapp-Nachricht habe er um einen kurzfristigen Gesprächstermin gebeten. "Normalerweise macht man das ja schriftlich per Post", sagt die 47-Jährige und war darüber etwas verwundert.

Erst keine Rede von Kündigung

In diesem ersten Gespräch habe Wendt die Familie darüber informiert, dass er der neue Besitzer des Hauses sei und vorhabe, daraus ein Ärztehaus zu machen. Bis zu diesem Zeitpunkt sei nur die Rede davon gewesen, dass die Praxen im Erdgeschoss eingerichtet werden sollen - und zwar dort, wo früher der Discountmarkt "Connys Container" eingemietet war. Familie Glowka sollte für die Dauer der Umbaumaßnahmen vorübergehend in eine andere Wohnung ziehen, wobei ihr Henry Wendt bei der Suche helfen wolle. Danach könnten die Witwe mit ihren Kindern wieder in das sanierte Haus zurück.

Ende Oktober erhielt Familie Glowka aber ein Schreiben, in dem ihnen Henry Wendt den Mietvertrag zum 31. Januar 2023 kündigte. Also mitten im Winter. - Ein Schock für die Mutter. "Er hat nie davon gesprochen, dass er uns kündigen will", sagt sie.

Gegenüber der SZ bestätigt Wendt die Kündigung. "Das Haus ist im Moment Schrott", sagt er. "Man kann sich kaum vorstellen, dass darin überhaupt Menschen hausen." Um es zu sanieren, müsse das Haus komplett entkernt werden. Das heißt, es müssen Innenwände, Decken und die alte Treppe herausgerissen und Putz abgehackt werden. "Das macht so viel Dreck, dass man der Familie Glowka nicht zumuten kann, gleichzeitig noch darin zu wohnen", so der Unternehmer.

Henry Wendt betont: "Ich will sie nicht auf die Straße setzen." Die schriftliche Kündigung sei formal notwendig, um Fristen einzuhalten. Er bleibe bei seinem Versprechen, eine neue Wohnung für Jeanette Glowka und ihre drei Söhne zu suchen und auch beim Umzug zu helfen. Denn tatsächlich haben sich seine Pläne für das Haus geändert. Er möchte nun das ganze Gebäude zu einem Ärztehaus umbauen.

So eine Einrichtung wäre für Gröditz enorm wichtig. Denn in den kommenden Jahren könnten hier zwei von derzeit drei Allgemeinärzten in den Ruhestand gehen. Zudem wurde in diesem Jahr die Wülknitzer Außenstelle der Elbland Polikliniken geschlossen, weil sich kein Nachfolger für die ehemals dort praktizierende Allgemeinärztin fand. Die Wülknitzer Patienten mussten sich daraufhin im Umland eine neue Hausarztpraxis suchen.

Ständig im Gespräch mit Ärztekammer

"Wir hegen schon seit Längerem den Gedanken für ein Ärztehaus in Gröditz", bestätigt Wendt. Dazu standen mehrere Gebäude zur Auswahl. Doch das ehemalige "Haus der Technik", in dem Familie Glowka noch wohnt, scheint die optimale Lösung. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindet sich das Gesundheitszentrum "Andiamo", dessen Vermieter ebenfalls Henry und Grit Wendt sind.

Auch der neue Gröditzer Bürgermeister Enrico Münch (CDU) begrüßt die Privatinitiative des Unternehmerpaares, moderne Räume für zwei bis drei Arztpraxen in einem Haus zu schaffen. Er spreche jede Woche bis zur drei Stunden mit der Ärztekammer oder anderen zuständigen Stellen, um den drohenden Ärztemangel in der Stadt zu verhindern. "Aber das ist ein Tischtuch, an dem alle Kommunen ziehen", sagt Münch.

Henry Wendt will nicht nur die räumlichen Bedingungen für das neue Ärztehaus schaffen. Er sucht selbst nach Medizinern, die sich in Gröditz ansässig machen wollen. Es gebe bereits vielversprechende Gespräche.