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Dresdner Ökonom Ragnitz rechnet vor, wie die Rentenreform junge Menschen belastet

Die Bundesregierung möchte das Rentenniveau bei 48 Prozent des Lohns stabilisieren. Der Dresdner Wirtschaftsforscher Joachim Ragnitz sieht darin eine Umverteilung von Jung zu Alt. Was folgert er?

Von Georg Moeritz
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Professor Dr. Joachim Ragnitz ist Vizechef der Dresdner Niederlassung des Wirtschaftsforschungsinstituts Ifo. Er hat Nachteile im Rentenpaket II der Regierung aufgespürt.
Professor Dr. Joachim Ragnitz ist Vizechef der Dresdner Niederlassung des Wirtschaftsforschungsinstituts Ifo. Er hat Nachteile im Rentenpaket II der Regierung aufgespürt. © Archivfoto: Arvid Müller

Dresden. Lieber Sicherheit im Alter oder lieber in jüngeren Jahren mehr Geld zur Verfügung? Der Dresdner Wirtschaftsprofessor Joachim Ragnitz vom Ifo-Institut hat ausgerechnet, dass die Pläne der Bundesregierung zwar das Rentenniveau stabilisieren werden, aber auf Kosten jüngerer Menschen. Der Ökonom schreibt, damit drücke sich auch diese Regierung davor, die Probleme der Rentenversicherung tatsächlich anzugehen.

Ragnitz hat Berechnungen zum Rentenpaket II der Bundesregierung angestellt. Die Berliner Koalition will damit das Rentenniveau stabilisieren, und zwar bei 48 Prozent des durchschnittlichen Lohneinkommens. Der Dresdner Forscher kommt zu dem Schluss, dass zwar auch jüngere Menschen künftig von diesen garantierten Renten profitieren. Aber sie haben während ihrer "Erwerbsphase" höhere Beiträge zu leisten. Die Reform führe zu einer Umverteilung von Einkommen. "Ältere profitieren, Jüngere verlieren" steht über Ragnitz' Beitrag, der am Donnerstag im Heft Ifo Dresden berichtet 4/2024 erschienen ist.

Geld nützt umso mehr, je früher es zur Verfügung steht

Von der geplanten Rentenreform profitieren vor allem die Rentner und die rentennahen Jahrgänge, schreibt Ragnitz. Damit werde "der bisherige Grundkonsens" aufgegeben, dass sich Erwerbsfähige und Rentner die Kosten der Alterung teilen sollten. Zwar führt die Reform dazu, dass alle jetzt erwerbstätigen Menschen künftig mehr Rente bekommen als nach dem derzeit geltenden Modell - ohne Reform würde das Rentenniveau im Jahr 2035 nur noch 45,3 Prozent des durchschnittlichen Einkommens betragen und 2070 nur noch 43,6 Prozent. Doch Ragnitz weist bei der Betrachtung der Reformberechnung darauf hin, dass "die Zahlungsströme zu unterschiedlichen Zeitpunkten anfallen".

Aus Sicht des Dresdner Forschers ist der Nutzen eines Geldbetrags umso höher, je früher er zur Verfügung steht. Statt in die Rentenkasse einzuzahlen, könnte ein Angestellter ja auch Geld am Kapitalmarkt anlegen. Bekäme er dafür zwei Prozent Zinsen im Jahr, wäre der Reformvorschlag der Bundesregierung erst für Menschen ab 38 Jahren vorteilhaft. Bei angenommenen drei Prozent Zinsen auf dem Kapitalmarkt verlieren alle unter 42 rechnerisch Geld, wenn sie künftig mehr in die Rentenkasse einzahlen müssen. Außerdem verteuern sich die Kosten der Arbeit, das könnte das Wirtschaftswachstum bremsen. Ragnitz kommt zu dem Schluss, dass alle jünger als 26 Jahre "zu den Verlierern der Rentenreform" zählen, weil ihre zusätzlichen Beitragszahlungen unter Berücksichtigung des Zinsverlusts höher sind als ihre zusätzlichen Rentenansprüche. Jahrgänge darüber profitieren, am stärksten bei 58 Jahren.

Lohnerhöhungen und Lebenserwartung sind mitzurechnen

In seinem Aufsatz weist Ragnitz allerdings darauf hin, dass die Rechnungen sich "beliebig modifizieren" lassen. Falls die Löhne stärker steigen als die angenommen zwei oder drei Prozent Zinsen für Geldanlagen, nützt das den jüngeren Beschäftigten. Auch die Lebenserwartung spielt eine Rolle - wer länger Rente bezieht, bekommt von einer insgesamt höheren Rente insgesamt mehr Geld. Die zwei bis drei Prozent Zinsen sind nicht garantiert, und nicht jeder legt sein Geld tatsächlich sicher an. Doch der Dresdner Ökonom möchte mit seiner Rechnung "ausschließlich den Reformeffekt veranschaulichen" und geht deshalb von gleichbleibenden Entgelten und Lebenserwartungen aus.

Eine grundlegende Reform der Rentenversicherung ist laut Ragnitz im Rentenpaket II nicht zu sehen. Es liefere keinen Beitrag "zu erhöhter Nachhaltigkeit der Rentenfinanzierung". Der Handlungsbedarf bleibe bestehen, schreibt Ragnitz. Doch bekannte Vorschläge wie Verlängerung der Lebensarbeitszeit seien "politisch unbequem". Das sei wohl der wesentliche Grund dafür, "dass sich seit mehr als 20 Jahren Regierungen davor drücken, die Probleme der Rentenversicherung tatsächlich anzugehen".