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Israel - fast ohne Touristen

Kann man heute noch gefahrlos in Israel Urlaub machen? Ja, es geht, sogar besser, als viele es erwarten. Doch Touristen sollten einiges beachten. Vor allem nicht ihrem GPS vertrauen, denn es gibt den Beirut-Effekt.

Von Ulf Mallek
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Blick aus der Franziskanerkirche Dominus flevit (der Herr weinte) auf die goldene Kuppel des Felsendoms von Jerusalem. In der Kirche ist eine kleine Gruppe von katholischen Touristen aus Burkina Faso.
Blick aus der Franziskanerkirche Dominus flevit (der Herr weinte) auf die goldene Kuppel des Felsendoms von Jerusalem. In der Kirche ist eine kleine Gruppe von katholischen Touristen aus Burkina Faso. © SZ/Ulf Mallek

Die Dame im blauen Kleid und mit der auffälligen pinken Brille breitet ihre Arme aus. „Willkommen“, ruft sie. Und: „Danke, dass ihr hier seid. Danke für eure Freundschaft und Solidarität.“ Sie macht einen glücklichen Eindruck. Reisegruppen aus Deutschland sind seit dem 7. Oktober 2023 selten geworden in Israel. „Die ganze Welt ist gegen uns, sie hat vergessen, was am 7. Oktober geschehen ist.“ Vered Granot schüttelt betrübt den Kopf. „Aber ihr seid ja hier.“

Im Hafen von Tiberias am See Genezareth ist Ende Juni, wie jetzt überall in Israel, viel weniger los als gewöhnlich im Sommer. Vered Granots Sohn Ido, ein cooler Kapitän mit kahl geschorenem Kopf, ärmellosen schwarzem Nike-Hemd und Sonnenbrille, hat ein Holzboot aus den Zeiten von Jesus vor über 2.000 Jahren in seiner Werkstatt originalgetreu nachgebaut. Mit Elektromotor natürlich, und auch nicht ganz aus Holz: Wegen besserer Haltbarkeit hat er PVC hineingemischt.

Ido zeigt den Touristen die alten Befestigungsanlagen von Tiberias. Leider, sagt er, kommen derzeit fast keine internationalen Gäste. Dabei sei hier doch alles sicher. Und außerdem: Man bekomme keinen Sonnenbrand am Strand, da der See 200 Meter unter dem Meeresspiegel liegt. Die UV-Strahlen schafften es nicht bis zum Boden. Noch besser sei es am Toten Meer, das liegt 430 Meter unterm Meeresspiegel. Hautärzte betrachten diesen Effekt allerdings nur als Erfindung der Tourismusindustrie. Als plötzlich ein Polizeiboot auftaucht, wird Ido unruhig. „Wir dürfen nicht parallel zur Küstenline fahren“, sagt er. „Nur im Winkel.“ Klingt irgendwie deutsch.

Tour durchs Land

  • Individualreisen: Für Individualtouristen empfiehlt sich diese einwöchige Tour: Tel Aviv-Jaffa, Akko, Haifa, Nazareth, Tiberias mit See Genezareth, Ein Bokek (Totes Meer) und Jerusalem.
  • Gruppenreisen: Es gibt momentan keine Pauschalreisen von Deutschland nach Israel. Grund ist die Reisewarnung des Auswärtigen Amtes für Israel. Deswegen können die Reiseveranstalter die Reisen für Gruppen - anders als Individualtouristen - nicht versichern.
  • Unterstützung: Diese Reise wurde unterstützt durch das Israel Ministry of Tourism.
Ganz ohne Schlangen: Eingang zum Grab Jesu in der Grabeskirche von Jerusalem.
Ganz ohne Schlangen: Eingang zum Grab Jesu in der Grabeskirche von Jerusalem. © SZ/Ulf Mallek

Tourismusministerium setzt auf christliche Pilgergruppen

Wer erwartet hat, in Israel stehen jetzt überall Soldaten und Polizisten mit Maschinenpistolen und ein Checkpoint folgt dem nächsten, hat sich getäuscht. Nichts von dem ist Realität. Polizisten sieht man kaum, Soldaten schon gar nicht. Allenfalls in größeren Gruppen beim Einkaufen in den Markthallen von Jerusalem. Checkpoints gibt es nur bei den Ausfahrten aus dem Westjordanland.

Auffällig sind überall Plakate mit Fotos der Hamas-Geiseln und der Aufforderung: Bring them home. Viele Israelis tragen eine gelbe Schleife, als Symbol der Solidarität und Unterstützung.

In Tel Aviv ist der Stadtstrand überfüllt wie immer, und auf den Straßen ist nachts Party auch wie immer. In Haifa läuft das Business-Leben ab wie gewöhnlich, und in Jerusalem beten die Gläubigen und besuchen die heiligen Stätten, vor denen jetzt keine Schlangen mehr stehen. Normalerweise muss man an der Grabeskirche in der Altstadt von Jerusalem rund zwei Stunden warten, um einen kurzen Blick auf das Grab von Jesus (ein reich verzierter Raum mitten in der Kirche) werfen zu dürfen. Das geht jetzt ohne Wartezeit, und der Blick darf länger sein. Beim alternativen Jesus-Grab der Protestanten (ein schmuckloser Raum im Felsen) steht fast niemand an.

Henriette Pansold vom israelischen Tourismusministerium sagt, dass nach dem Rekordjahr von 2019 mit 4,5 Millionen Touristen die Covid-Pandemie die Zahlen drastisch einbrechen ließ auf einen Tiefpunkt von knapp 400.000 im Jahr 2021. Dann ging es kräftig aufwärts - aber nur bis zum 7. Oktober 2023. Das Ministerium setzt deshalb vor allem auf christliche Pilgergruppen und Individualreisende, die die heiligen Stätten jetzt ohne Schlange stehen besichtigen können.

Das gibt es auch, trotz des Krieges: überfüllte Partymeile nachts in Tel Aviv.
Das gibt es auch, trotz des Krieges: überfüllte Partymeile nachts in Tel Aviv. © SZ/Ulf Mallek

Ein Problem: Der Beirut-Effekt

Aber ist es in Israel auch wirklich sicher? Generell schon, wenn man den äußersten Norden und die Gegend um den Gazastreifen meidet. Das sind die Ziele für Raketen- oder Drohnenangriffe von Hisbollah und Hamas. Jeder Israeli hat die App Red Alert oder Tzofar auf dem Handy. Sie meldet sich mehrmals am Tag. Die Gegenden entlang der Grenze zum Libanon hat die israelische Regierung evakuiert. Es gibt heute noch über 100.000 Binnenflüchtlinge im Land. Sie leben oft in Hotels, so im Hotel in Ein Bokek am südlichen Toten Meer. Beim Abendessen wird es sichtbar: die Binnenflüchtlinge stellen eine sehr deutliche Mehrheit.

Eigentlich wollte die israelische Regierung, dass die Flüchtlinge zum Schulbeginn Ende September wieder in ihren Heimatorten zurück sind. Danach sieht es nicht aus, denn die Raketenangriffe werden eher mehr als weniger. Ein Angriff Israels mit Bodentruppen auf den Süd-Libanon ist nicht unwahrscheinlich. Das würde dann aber auch das Ende des Rest-Tourismus bedeuten.

Ein Problem sowohl für Einheimische als auch Touristen ist der sogenannte Beirut-Effekt. Das GPS im Auto oder auf dem Handy zeigt in der Nähe von möglichen militärischen Zielen wie Kraftwerken und fast im gesamten Norden des Landes nicht den richtigen Standort an. Zumeist verortet es den Autofahrer am Flughafen Beirut. Israel stört gezielt das GPS, um es anfliegenden Drohnen oder Raketen mit GPS-Zielsuche schwer zu machen. Für den mietwagenfahrenden Touristen bedeutet das, am besten wie früher einen Beifahrer mit Landkarte dabeizuhaben.

Direktflüge von Prag nach Tel Aviv

  • Flüge: Derzeit gibt es pro Woche 50 Direktflüge ab Deutschland, 29 ab Österreich, 24 ab der Schweiz. Von Dresden aus gibt es keine Direktflüge, es geht über Berlin und Wien bzw. München mit Austria und Lufthansa. Von Prag gibt es Direktflüge. Preise alle etwa 600 Euro.
  • Hotels: Sie sind in Israel nicht billig. Es gibt gute und bezahlbare 3- bis 4-Sterne-Hotels. Für Individualreisende sind die Jugendherbergen ebenfalls empfehlenswert. Auch die christlichen Unterkünfte sind ein guter Tipp.
  • Reisende: Die Zahl der Individualreisenden war vor Corona und vor dem 7. Oktober höher als die Zahl der Gruppenreisenden.
  • Trinkgelder: Sie liegen bei ca. 10 bis 12 Prozent, aber man sollte fragen, ob es schon inklusive ist.
  • Mietwagen: Gibt es ab 23 Euro pro Tag. Man sollte sie schon in Deutschland buchen.
  • Impfung: Keine Impfungen nötig.
  • Versicherung: Individualtouristen werden versichert (Krankenversicherung).
  • Sehenswürdigkeiten: Die wichtigsten Sehenswürdigkeiten sind zurzeit geöffnet, genauso wie die Hotels und Jugendherbergen. Es gibt 66 Nationalparks.
  • Währung: 1 Euro sind etwa 4 Schekel.
Flughafen Ben Gurion: Plakate, die an die Geiseln der Hamas erinnern.
Flughafen Ben Gurion: Plakate, die an die Geiseln der Hamas erinnern. © SZ/Ulf Mallek

Selbstmord ist ja keine Heldentat

Ein historisches Beispiel für die aktuelle Lage im Land ist vielleicht die Felsenfestung Masada zwischen dem See Genezareth und dem Toten Meer. Die Gegend um die Festung sieht aus wie ein Braunkohletagebau bei Weißwasser oder wie eine Kulisse für eine Star Wars Episode auf dem Wüstenplaneten. Die Sonne brennt, und an der Seilbahn wartet nur eine jüdische Familie aus New York. Junger Mann, junge Frau, sechs Kinder und ein Guide. Man könnte auch hochlaufen, eine Stunde, behauptet Reiseführer Amri Wandel. Aber nicht bei 40 Grad. Oben ist es noch heißer, kein Baum, kein Strauch, nur Felsen und Ruinen. Wie überall in Israel ist auch in Masada alles vorbildlich behindertengerecht ausgebaut. Rollstuhlfahrer are welcome.

Die historische Story geht so: Jüdische Rebellen hatten die römische Festung eingenommen. Das wollten die Römer unter ihrem Befehlshaber Flavius Silva nicht tolerieren. Er bot im Jahr 73/74 n. Chr. rund 10.000 Soldaten gegen die 900 jüdischen Männer, Frauen und Kinder auf. Die Legionäre hatten trotz der Übermacht ihre Mühe. Denn raffiniert angelegte Speichersysteme versorgten die Verteidiger für viele Monate mit Wasser. Die Römer mussten eine 100 Meter hohe Rampe und einen Belagerungsturm bauen, ehe sie die Festung erobern konnten. Die restlichen der tapferen Verteidiger stürzten sich ins Schwert.

Früher hatte die israelische Armee (IDF) die Vereidigung ihrer jungen Soldaten oben auf der Festung veranstaltet. Heute nicht mehr. Einige Kritiker sagten wohl, Selbstmord ist ja keine Heldentat. Über diese Schlacht gibt es einen Kinofilm (Masada) aus dem Jahr 1981.

Panorama von ganz oben über die Gärten von Bahei auf den Hafen von Haifa.
Panorama von ganz oben über die Gärten von Bahei auf den Hafen von Haifa. © SZ/Ulf Mallek

"Was sollen wir sonst tun?“

Oben auf dem Ölberg in Jerusalem, wen wundert es noch, stehen auch keine Busse mehr in langen Reihen. Der Tourist kann in Ruhe seinen Blick über die schöne Altstadt schweifen lassen. Er sieht die goldene Kuppel des Felsendoms am Tempelberg. Hier oben am Ölberg wurde Jesus von Judas verraten und von den Römern festgenommen. Wer sich für die biblische Geschichte interessiert, ist in Jerusalem genau richtig. Die Stadt kann punkten mit unzähligen Kirchen und den originalen Stationen des Kreuzweges. An der Klagemauer (Männer und Frauen mit getrennten Zugängen) beten Menschen aller Nationen und Religionen. Manche stecken Zettel mit Wünschen in die Mauer.

Dass das Zusammenleben zwischen Juden und Arabern sehr problematisch ist, zeigen die vielen Mauern und der Stacheldraht zum Westjordanland. Warum das so ist, weiß der Chef der Taufstelle Jardenit am Jordan-Fluss, Arik Zilber. Hier in der Nähe hat sich Jesus taufen lassen. Doch heute kommt zum Taufen fast keiner mehr. Es ist Krieg. Betrieben wird die Anlage durch ein Kibbuz, eine solidarische Wirtschaftsgemeinschaft. Zilber sagt: „Israel ist wie ein Dorf im Dschungel, umgeben von feindlich gesinnten Raubtieren. Wir müssen uns verteidigen. Was sollen wir sonst tun?“