Partner im RedaktionsNetzwerk Deutschland
Radebeul
Merken

Radebeul diskutiert: Ist der Pisa-Schock ein Weckruf für Sachsens Schulen?

Am Gymnasium Luisenstift in Radebeul haben Schüler und Schülerinnen eine Podiumsdiskussion zu einem Thema veranstaltet, was sie kaum direkter betreffen könnte. Es geht um Bildung, Digitalisierung und die Zukunft von Sachsens Schulen.

Von Lucy Krille
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Lehrerin und Gewerkschafterin Simona Tomasini, Matthias Böhme vom Kultusministerium, Landesschülersprecherin Amy Kirchhoff, Wissenschaftlerin Patricia Kröber und Elmar Günther von der Stadtverwaltung Radebeul (v.l.) zur Podiumsdiskussion im Luisenstift.
Lehrerin und Gewerkschafterin Simona Tomasini, Matthias Böhme vom Kultusministerium, Landesschülersprecherin Amy Kirchhoff, Wissenschaftlerin Patricia Kröber und Elmar Günther von der Stadtverwaltung Radebeul (v.l.) zur Podiumsdiskussion im Luisenstift. © Arvid Müller

Radebeul. Den größten Applaus bekam die Jüngste in der Runde. Als die Vorsitzende des Landesschülerrats Amy Kirchhoff forderte, dass sich die Lehrer mehr auf die Digitalisierung einlassen sollten ("Wir Schüler lernen ja auch nicht nur das, was uns gefällt.") klatschten nicht nur die Jüngeren in der Pausenhalle des Luisenstift Gymnasiums in Radebeul.

Schüler und Schülerinnen unter der Leitung von GRW-Lehrerin Kathleen Lopens hatten am Dienstagabend zur Podiumsdiskussion geladen. Es ging um Digitalisierung an Schulen, den Pisa-Schock und, wie Schule in Zukunft aussehen soll. Die Jugendlichen moderierten die Veranstaltung, die von der Landeszentrale für politische Bildung unterstützt wurde.

„Das war die beste Veranstaltung dieser Art, die ich kenne“, freute sich Matthias Böhme nach der Veranstaltung. Er ist Referatsleiter im Sächsischen Kultusministerium für die Bereiche Grundsätze, Qualitätsentwicklung, Bildungsmonitoring und Internationales. „Die Kompetenzwerte müssen uns nachdenklich machen“, sagte er in Bezug auf das Abschneiden Deutschlands im internationalen Bildungsvergleich Pisa.

Radebeuler Stadtverwaltung wünscht sich Vorgaben

Niemand in der Expertenrunde zweifelt daran, dass sich etwas tun muss in den Schulen. Neben Kirchhoff und Böhme saßen Lehrerin und Gewerkschafterin Simona Tomasini, Professorin für Sozialpädagogik und Beratung an der Hochschule Mittweida Patricia Kröber und der Amtsleiter für Bildung, Jugend und Soziales der Stadt Radebeul Elmar Günther auf der Bühne und schilderten die Probleme. Simona Tomasini sprach die Chancenungleichheit an, Patricia Kröber erzählte von Langeweile und einer großen Ängstlichkeit unter den Jugendlichen.

Die Meißnerin Kirchhoff sieht es so: „Ich glaube nicht, dass wir grundsätzlich dümmer werden. Doch die Sozialkompetenzen haben durch Corona gelitten.“ Elmar Günther vermisst vom SMK klare Vorgaben zur Digitalisierung. „Zurzeit macht jede Kommune ihrs“, sagt er. Die Stadt als Schulträger frage sich, wann sie wo mit der Ausstattung an den Schulen anfangen sollte.

Böhme verspricht Orientierung durch das Bildungsland 2030, ein Katalog von mehr als 60 Maßnahmen für eine zukunftsfähige Schule. Wissenschaft sei aber auch immer eine Momentaufnahme. Er verweist auf Schweden, wo die Digitalisierung an Schulen gerade wieder zurückgefahren werde.

Die Tafeln sind da, aber wie werden sie genutzt?

Soweit sei man hier noch lange nicht, wirft Kirchhoff ein, die immer wieder appelliert, die Digitalisierung voranzutreiben. "Wir haben Tafeln dastehen, aber es fehlen Lehrkräfte, wie wissen, wie sie dort den Laptop anstecken", erzählt die Schülerin aus der Erfahrung von rund 360.000 Jugendlichen, die sie vertritt. Immerhin dürften die Schulen nun KI nutzen, wofür es ein seltenes Lob an das SMK gibt.

"Whiteboards und Tablets reichen da nicht aus", findet auch Tomasini. Die Lehrerin fragt sich allerdings, wann die nötigen Schulungen stattfinden sollen und verweist auf Überstunden, die sich häufen. Die einzige Lösung sei da, neben der Integration von Medienbildung in die Ausbildung, den Lehrermangel in den Griff zu bekommen. Deshalb fällt ihr die Antwort auf die Frage, was mit zehn Prozent mehr im Bildungshaushalt getan werden sollte, ziemlich leicht: "Mehr Personal".

Fördermittelabsage treibt Radebeuler Tränen in die Augen

Das betrifft auch Bereiche wie Schulsozialarbeit. "In den Gymnasien haben das bis auf das Lößnitzgymnasium und das Franziskaneum mittlerweile alle", schildert Günther die Situation im Kreis. An den Grundschulen warte man. Das Geld würde auch in die Schulen selbst gut investiert sein. "Bei der Oberschule Kötzschenbroda kommen einem die Tränen", meint Günther in Bezug auf die erneute Fördermittel-Absage für einen Neubau, und auch der neue Hort Oberlößnitz sollte schon längst stehen.

Der Sozialarbeiter und Wissenschaftlerin Kröber würden das Konzept Schule gern umdenken. Weniger starre Strukturen, mehr Praxis - auch darüber wurde in Radebeul gesprochen. Kostenloses Mittagessen, die Sinnhaftigkeit von Noten oder selbstbestimmtes Lernen waren weitere Themen, die die Schüler aufmachten, und auch das Publikum stellte Fragen. Am Ende bekam Amy Kirchhoff noch einmal großen Applaus. Alle sollten den Satz "Nach der Landtagswahl wird das Kultusministerium …" vollenden. Ihre Antwort: "... hoffentlich weiter demokratisch besetzt sein".