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Winzer feiern rundes Jubiläum zu den Tagen des offenen Weinguts

Die Sächsische Weinstraße hat den Weinanbau und Tourismus im Elbtal befördert. Nach drei Jahrzehnten stellt sich jedoch die Frage nach der Zukunft.

Von Silvio Kuhnert
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Lutz Gerhardt begrüßt zu den Tagen des offenen Weinguts seine Gäste im Haus Steinbach und führt sie durch seinen Weinkeller.
Lutz Gerhardt begrüßt zu den Tagen des offenen Weinguts seine Gäste im Haus Steinbach und führt sie durch seinen Weinkeller. © Matthias Schumann

Radebeul. Für Lutz Gerhardt ist es die größte Veranstaltung des Jahres - die Tage des offenen Weingutes. Am kommenden Wochenende ist es wieder so weit. Vom 27. bis 28. August dieses Jahres heißen rund 50 Winzer, Weingüter und Besenwirtschaften im sächsischen Weinanbaugebiet Gäste zur 23. Ausgabe willkommen. Seit mindestens zwei Jahrzehnten ist der Radebeuler Lutz Gerhardt mit seinem Weingut Haus Steinbach mit dabei. Er führt am Sonnabend und Sonntag seine Gäste durch den Weinkeller sowie den Weinberg, Kinder können Traktor fahren und Bands sorgen für Livemusik.

Wein wurde am Haus Steinbach bereits bis zur Reblauskatastrophe Ende des 19. Jahrhunderts angebaut. Danach wurden die Rebstöcke zwischen Bennostraße und Weinbergstraße durch Obstbäume ersetzt. Als 1970 Gerhardts Vater ins rund 300 Jahre alte Haus Steinbach einzog, besann er sich auf die Weinbautradition, rodete die Obstbäume und rebte die Fläche neu auf. Weinanbau war sein Hobby. Vor zehn Jahren änderte sein Sohn das. Dieser war bis dahin in der IT-Branche tätig. "Berufsbedingt habe ich zehn Jahre lang nur im Hotel gelebt", erinnert sich Gerhardt. 2012 wollte er das nicht mehr, kehrte nach Radebeul zurück und machte sich als Winzer selbstständig.

Ausnahmetage am letzten Augustwochenende

Mit einem Hektar Anbaufläche gehört das Haus Steinbach zu einem der kleinsten Weinbaubetriebe im Haupterwerb. Sieben verschiedene Weinsorten wachsen in seinem Weinberg. Aus den Trauben gewinnt er im Schnitt 40 Hektoliter pro Jahr. Die Menge reicht für 4.000 bis 4.500 Flaschen, die er zu 80 Prozent in seiner Straußwirtschaft im Weingut verkauft. Zum Hof gehören noch Ferienwohnungen, ein weiteres wirtschaftliches Standbein. "Wenn man vom Weinbau leben möchte, benötigt man vier Hektar Anbaufläche", sagt Gerhardt. Aber auf diese Größe möchte er nicht wachsen. Er ist mit seinem einen Hektar zufrieden. Denn diesen kann er allein bewirtschaften, Weinbau auf einer größeren Rebfläche lässt sich ohne Hilfe durch weitere Mitarbeiter nicht stemmen.

Von "Ausnahmetagen" und dem "üblichen Wahnsinn" spricht Gerhardt bei den Tagen des offenen Weinguts. Mit einem Warm-up geht es am kommenden Freitag ab 16.30 Uhr los. Am Sonnabend um 13 Uhr und am Sonntag um 11 Uhr begrüßt der Winzer seine Besucher zur jeweils ersten Weinguts- und Kellerführung des Tages. Oberhalb seines Dreiseithofes befindet sich mit der Weinbergstraße und der hohen Dichte an Weingütern ein Hotspot der Tage des offenen Weingutes.

Gästezahlen versechsfacht

Diese stehen dieses Mal im Zeichen eines besonderen Jubiläums - 30 Jahre Sächsische Weinstraße. Drei Jahrzehnte nach ihrer Einweihung ist diese Straße ein etablierter Touristenmagnet. Gäste- und Übernachtungszahlen haben sich bis 2019 fast versechsfacht. Laut der jüngsten Statistik wurden 1992 im Elbland fast 78.000 Ankünfte und knapp 234.000 Übernachtungen gezählt; 2019 waren es gut 457.000 Ankünfte und etwa 1,35 Millionen Übernachtungen. In den beiden Corona-Jahren danach aber brachen wie überall auch hier die Besucherzahlen ein und die Zahl der Betten nahm ab, weil Betriebe schließen mussten, wie die Geschäftsführerin des Tourismusverbandes Elbland-Dresden, Sindy Vogel, berichtet. Es gebe aber heute rund 80 Prozent mehr Bettenkapazitäten als 1994. "Anfang der 1990er-Jahre musste erst einmal eine touristische Infrastruktur geschaffen werden, von Beherbergungsbetrieben über Radwege oder Wanderwege."

Mit rund 65 Kilometern Länge ist die 1992 eingeweihte sächsische die kürzeste der 13 Weinstraßen in Deutschland. Sie beginnt in Pirna-Posta und endet am Schloss Diesbar-Seußlitz. Entlang ihrer Route etablierten sich an den Hängen von Pillnitz, Dresden, Radebeul, Coswig, Weinböhla und auch Meißen Weingüter samt Vinotheken, urige Winzerstübchen sowie sogenannte Strauß- oder Besenwirtschaften, wo Selbsterzeuger ihre Produkte vermarkten.

Weinstraße verliert an Bedeutung

Die Anbaufläche wuchs von 314 Hektar zur Wendezeit auf aktuell rund 500 Hektar, wie der Meißner Autor Werner Böhme sagt, der eine Art Chronist ist. Die Weinstraße habe die vergessene und bis ins 12. Jahrhundert zurückreichende Weinbautradition wiederbelebt, einhergehend mit einem Aufschwung in Tourismus und Gastronomie. "Es hat sich extrem viel entwickelt", konstatiert auch Vogel.

Mit dem Generationswechsel in der Winzerschaft aber geht nach ihren Angaben ein Wandel in den Köpfen einher. Tourismus, Wein und Absatz seien das eine. Das andere, wie sich das mit Natur und Nachhaltigkeit vereinbaren lässt. Die Weinstraße war für den Autoverkehr gedacht - "das verliert an Bedeutung". Der Verband sondiert aktuell die Stimmung in der Branche, ob es sie in der Form weiter geben soll. Die Ergebnisse der Studie sollen voraussichtlich bis Ende September 2022 vorliegen. "Generell kann man jedoch sagen, dass touristische Ferienstraßen in ganz Deutschland, wie sie in den 1990er-Jahren entstanden sind, an Bedeutung verloren haben. Sie stehen zumeist symbolhaft für ein Thema, in unserem Fall die Weinregion Dresden Elbland", so Vogel. Da eine Ferienstraße im Normalfall mit dem Auto befahren werde, sei Wein und Auto per se nicht die beste Kombination. "Hier bietet sich der Sächsische Weinwanderweg mehr an, um die Weinregion auch genusshaft zu erkunden", sagt Vogel.

Die beliebtesten Hörstation des Audioguides

Der Wanderweg verläuft parallel zur Weinstraße, ebenfalls mit Start- und Zielpunkt in Pirna und Diesbar-Seußlitz. Lutz Gerhardt macht die Beobachtung, dass der Wanderweg mehr frequentiert wird als die Weinstraße. Denn in seiner Straußwirtschaft in Oberlößnitz machen mehr Leute mit Rucksack halt, als mit einem Auto vorfahren.

Für den rund 90 Kilometer langen Wanderweg hat der Tourismusverband Elbland-Dresden Hörstationen und einen Audioguide, Hörführer, entwickelt und im vorigen Jahr eingeweiht. Auf der dazugehörigen Internetseite unter www.weinwandern-sachsen.de/audioguide lassen sich alle derzeit 20 Stationen anhören und einsehen. "Seit Livegang der Website, inklusive Audioguide, im Frühjahr 2021 haben wir rund 90.000 Page Impressions generieren können, dabei entfallen rund 20.000 Seitenansichten auf den Audioguide", berichtet Vogel. Am meisten angehört wurden bislang Hoflößnitz, Lingnerschloss und Schwalbennest. (mit dpa)

Das Programm zu den Tagen des offenen Weingutes in Sachsen vom 27. bis 28. August, "Warm-up" ab 25. August 2022, ist zu finden unter www.dresden-elbland.de/programm-offenes-weingut