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Radebeul trauert um Volksschauspieler und Urgestein Herbert Graedtke

Herbert Graedtke gehörte ab 1965 dem Ensemble der Landesbühnen Sachsen an und war der erste Old Shatterhand in der DDR. Nicht nur in dieser Rolle bleibt er in Erinnerung.

Von Silvio Kuhnert
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Volksschauspieler Herbert Graedtke hatte mehr als 500 Rollen im Repertoire. Am 18. September 2024 ist er in Radebeul mit 82 Jahren gestorben.
Volksschauspieler Herbert Graedtke hatte mehr als 500 Rollen im Repertoire. Am 18. September 2024 ist er in Radebeul mit 82 Jahren gestorben. © Arvid Müller

Radebeul. Er war Old Shatterhand und Winnetous Vater auf der Felsenbühne Rathen. In Radebeul moderierte er viele Jahre die Sternreiterparade zu den Karl-May-Festtagen und hat diese selbst Anfang der 1990er-Jahre mit ins Leben gerufen. Zudem mimte er Weingott Bacchus während des Herbst- und Weinfestes. Und er spielte den Weihnachtsmann auf dem Familienweihnachtsmarkt "Lichterglanz und Budenzauber" auf dem Dorfanger Altkötzschenbroda. Volksschauspieler Herbert Graedtke war ein Urgestein der Lößnitzstadt. Am vergangenen Mittwoch ist er im Alter von 82 Jahren verstorben.

Als Weingott Bacchus war Herbert Graedtke viele Jahre auf dem Herbst- und Weinfest zu erleben.
Als Weingott Bacchus war Herbert Graedtke viele Jahre auf dem Herbst- und Weinfest zu erleben. © Norbert Millauer

Seine Ehefrau Christine Ruby bestätigte die Nachricht von seinem Tod gegenüber Sächsische.de, nachdem diese in den sozialen Netzwerken die Runde gemacht hatte. In ihrem Beisein ist er am 18. September 2024 zu Hause nach schwerer Krankheit eingeschlafen. Zwei Operationen unter Vollnarkose hatten seiner Gesundheit nach Problemen mit der Galle stark zugesetzt. „Er war sehr tapfer“, sagt Ruby. Ihm und ihr sei die gemeinsame Zeit im eigenen Heim sehr wichtig gewesen. Als der Krankenhausaufenthalt keine Besserung versprach, hat sie ihn dorthin geholt und 15 Tage intensiv betreut.

Rund 500 Rollen im Repertoire

Herbert Graedtke erblickte am 9. Dezember 1941 im brandenburgischen Altlandsberg das Licht der Welt und ist bei Berlin aufgewachsen. Von 1960 bis 1963 studierte er an der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam-Babelsberg. Noch während der Schauspielausbildung stand er in dem Kriminalfilm "Die Glatzkopfbande" zum ersten Mal vor der Kamera. Für Kino und Fernsehen spielte er in der Opernverfilmung "Der fliegende Holländer". Auch im "Tatort" oder der Arztserie "In aller Freundschaft" übernahm er TV-Rollen. Auf der Bühne hat er in der Komödie "Stürmische Überfahrt bei spiegelglatter See" aus Frankreich sein Debüt gegeben.

Puntila aus Brechts "Herr Puntila und sein Knecht Matti" zählte zu den Lieblingsrollen von Herbert Graedtke, hier bei einer Aufnahme aus dem Jahr 1998 an den Landesbühnen.
Puntila aus Brechts "Herr Puntila und sein Knecht Matti" zählte zu den Lieblingsrollen von Herbert Graedtke, hier bei einer Aufnahme aus dem Jahr 1998 an den Landesbühnen. © Hagen König/Landesbühnen Sachsen

Rund 500 Rollen gehörten zu Herbert Graedtkes Repertoire, wenn er alle, auch die kleinen, mitzählt. Wobei: "Kleine Rollen gibt es nicht, es gibt nur kleine Schauspieler", sagte der Mime einmal, der seit 1965 für die Landesbühnen Sachsen agierte. Dort schlüpfte er nicht nur in klassische Rollen von Shakespeare oder Schiller. Er hat als Erster in der DDR Old Shatterhand gespielt, ab 1984 regelmäßig auf der Felsenbühne Rathen. Ein Highlight und so etwas wie seine Lieblingsrolle war Brechts Puntila, den er im Radebeuler Stammhaus darstellte.

Pierre Brice nach Radebeul geholt

Dort und auf anderen Bühnen, wie dem Boulevardtheater in Dresden stand Herbert Graedtke nicht nur im Rampenlicht, sondern inszenierte auch selbst. "Regie zu führen, ist eine schwierige Angelegenheit. Man hat es mit renitenten Schauspielern zu tun", sagte er. Und auf die Frage, ob er auch solch einer ist, antwortete er mit einem verschmitzten Lächeln: "Ich war immer brav." Schauspiel war für Herbert Graedtke nicht nur Beruf, sondern eine Berufung. Während der Spielpausen an den Landesbühnen arbeitete er immer wieder mit Laiendarstellern zusammen. So brachte er auf der Naturbühne Reichenau im Pulsnitztal jedes Jahr eine Komödie heraus.

Ab 1984 spielte Herbert Graedtke (l.) Old Shatterhand (hier mit Jürgen Haase als Winnetou) auf der Felsenbühne Rathen. Er war der Erste in dieser Rolle in der DDR.
Ab 1984 spielte Herbert Graedtke (l.) Old Shatterhand (hier mit Jürgen Haase als Winnetou) auf der Felsenbühne Rathen. Er war der Erste in dieser Rolle in der DDR. © PR/Archiv

Noch zu DDR-Zeiten hat Herbert Graedtke seinen Schauspielkollegen Pierre Brice nach Radebeul geholt. Die Vorgeschichte begann im Jahr 1987. Herbert Graedtke bekam eine Einladung in die Lüneburger Heide zum Geburtstag seiner beiden Cousins. Als er dort war, wollte er auch die Karl-May-Festspiele in Bad Segeberg besuchen. Was er auch tat und den damaligen Winnetou-Darsteller Pierre Brice kennenlernte. Zwei Stunden hatten sie miteinander gesprochen. Bei dieser Gelegenheit lud er seinen Kollegen in die Lößnitzstadt ein. 1988 kam der Franzose ins Karl-May-Museum und auf die Felsenbühne Rathen.

Kunstpreisträger der Stadt Radebeul

Nicht nur als Darsteller hat sich Herbert Graedtke in Radebeul einen Namen gemacht. Im Jahr 2007 gehörte er zu den Gründern des Fördervereins des Internationalen Wandertheaterfestivals. Von 2014 bis 2019 saß er für die Sozialdemokraten im Stadtrat. Seine Heimatstadt hat ihn bereits 2006 mit dem Kunstpreis der Großen Kreisstadt Radebeul geehrt.

2019 moderierte er ein letztes Mal die Sternreiterparade. In jenem Jahr schlüpfte er auch letztmalig in das Kostüm des lebenslustigen Bacchus und in den roten Mantel des Weihnachtsmanns. Danach verhinderte die Corona-Pandemie weitere Auftritte, später die Gesundheit. Vor großem Publikum war er 2022 zur Eröffnung des 30. Herbst- und Weinfestes noch einmal zu erleben. Die Rolle des Bacchus hatte er schon damals an einen Sohn Sascha Graedtke übergeben. Der Termin für die Besetzung stand an diesem Sonnabend noch nicht fest.