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Wahnsdorf hat einen neuen Häuptling

Siegfried Schneider war 34 Jahre Ortschef in Wahnsdorf. Jetzt nimmt er Abschied. Sein Nachfolger ist wie er im Radebeuler Ortsteil bekannt.

Von Silvio Kuhnert
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Am Dorfteich nimmt Uwe Forke (l.) von Siegfried Schneider den Schlüsselbund zu allen wichtigen Türen in Wahnsdorf entgegen. Darunter ist der für das Gemeindezentrum. Dort leitet Forke künftig die Beratungen des Ortschaftsrats.
Am Dorfteich nimmt Uwe Forke (l.) von Siegfried Schneider den Schlüsselbund zu allen wichtigen Türen in Wahnsdorf entgegen. Darunter ist der für das Gemeindezentrum. Dort leitet Forke künftig die Beratungen des Ortschaftsrats. © Arvid Müller

Radebeul. Einen Schlüsselbund und eine Mappe hält Wahnsdorfs langjähriger Ortsvorsteher Siegfried Schneider in der Hand. Das Bündel enthält unter anderem den Schlüssel für das Ortschaftszentrum. Den übergibt Schneider an Uwe Forke. Damit vollzieht sich ein Generationswechsel an der Spitze des Radebeuler Ortsteils. Schneider verabschiedet sich mit 83 Jahren als Ortsvorsteher in den wohlverdienten Ruhestand. Uwe Forke tritt seine Nachfolge an.

Es ist keine bloße Personalie, die die beiden Wahnsdorfer am Dorfteich symbolisch vollziehen. Sondern eine Ära endet. 34 Jahre hat sich Siegfried Schneider als Ortsvorsteher engagiert. Kommunalpolitisch war er über 45 Jahre aktiv. "Mehr als mein halbes Leben lang", sagt Schneider. Aus der Mappe holt er mehrere Zettel hervor. Auf ihnen hat er zusammengetragen, was so alles im Radebeuler Oberland während seiner Zeit als Kommunalpolitiker passiert ist. Die Liste ist lang.

Wassernot und Kita-Rettung

Der Auslöser für sein Engagement war der Wassermangel zu DDR-Zeiten. Im Hochsommer saßen die Wahnsdorfer auf dem Trockenen. Nur mit Wasserwagen konnte die Trinkwasserversorgung aufrecht gehalten werden - mehr schlecht als recht. Mit Eimern mussten die Wahnsdorfer vom Tankfahrzeug das lebensnotwendige Nass nach Hause tragen. Diesen Zustand wollte der 1941 hier geborene und aufgewachsene Schneider in den 1980er-Jahren nicht länger mit ansehen. Im sogenannten Wohnbezirksausschuss der Nationalen Front machte er sich für eine Lösung stark, schrieb Eingaben an Minister und an Staats- und Parteichef Erich Honecker. Seine Beharrlichkeit zahlte sich aus. 1989 wurde ein neuer Wasserhochbehälter in Betrieb genommen. Dieser fasste zweimal 5.000 Kubikmeter. Der Vorgänger konnte nur 300 Kubikmeter aufnehmen.

Ein weiteres Projekt ist die Antennengemeinschaft mit Friedewald. Diese hat Schneider um die Wende herum mit aus der Taufe gehoben, nicht nur wegen des besseren DDR-Fernseh-Empfangs, sondern vor allem wegen des Westfernsehens. Die Kabel haben die Wahnsdorfer selbst verlegt und konnten die Gemeinschaftsantenne im November 1990 in Betrieb nehmen. In jenem Jahr wurde auch erstmals der Ortschaftsrat gewählt. "Es war der Erste in Sachsen", erinnert sich Schneider und er wurde zum Vorsitzenden gekürt. Sieben Legislaturen führte der studierte Physiker den Ortschaftsrat an - im Ehrenamt.

Mitgründer des Heimatvereins

Zu den ersten großen Erfolgen zählt er den Erhalt des Kindergartens. "1991 hat der Ortschaftsrat verhindert, dass die Kita geschlossen wird", berichtet Schneider. Grund waren Baumängel am alten Standort. Damit kleine Wahnsdorfer auch in Zukunft im Ort betreut werden, scheute Schneider auch nicht vor einem Trick zurück. Zur Debatte stand damals ein Umzug entweder hinunter ins Elbtal nach Radebeul oder nach Moritzburg. Auf einer Elternversammlung schrieb Schneider auf den Stimmzettel noch Wahnsdorf mit darauf. Und hinter diesen Ortsnamen setzten die meisten Mütter und Väter ihr Kreuz. Zur gleichen Zeit bot sich die Möglichkeit, das Gebäude der ehemaligen Volksschule zu kaufen. Unten war eine Verkaufsstelle drin, darüber befand sich ein Wanderlager. In dem Gebäude an der Schulstraße fand die Kita ihr neues Domizil und ist noch heute dort ansässig. Zudem dient das einstige Schulgebäude als Gemeindezentrum.

Weitere Meilensteine in der Entwicklung der Ortschaft waren der schrittweise Anschluss an die Kanalisation in den 1990er-Jahren, die Sanierung des Dorfteichs, das Schaffen eines Spielplatzes, der Umbau des Bismarckturms zu einem Aussichtsturm sowie viele kleine Projekte, wie das Sanieren und die Pflege der Buswartehäuschen. Um im Jahr 2000 das 650. Dorfjubiläum vorbereiten und feiern zu können, wurde im Oktober 1999 der Heimatverein ins Leben gerufen. Unter den Gründungsmitgliedern war auch Uwe Forke. Der 60 Jahre alte Bauleiter ist im Ort kein Unbekannter. Seit reichlich 25 Jahren gestaltet er die Entwicklung Wahnsdorf im Ortschaftsrat mit. Bis 2022 war Forke in der Leitung der Feuerwehr tätig, zehn Jahre als Stellvertreter, ein weiteres Jahrzehnt als Ortswehrleiter.

Dorfstraße wartet auf Sanierung

Zu den Herausforderungen, die auf eine Lösung warten, zählt unter anderem das Parkplatzproblem am Spitzhaus. Zu Veranstaltungen, wie vor einer Woche zum Treppenlauf der Feuerwehren, und bei schönem Ausflugswetter sind Straße und Gehweg zugeparkt. Die vorhandenen Stellplätze entlang der Spitzhausstraße reichen nicht aus. "Seit 2015 bemühen wir uns um eine Lösung", sagen Schneider und Forke. Doch das Problem wird wohl noch einige Zeit andauern.

Zu einem Lärmproblem wird der Pflasterabschnitt im Dorfkern. Die Steine sacken ab. Wenn Autos darüberfahren, holpert und poltert es. "In unserem Dorf ist es ganz schön laut geworden", stellt Forke fest. Für den grundhaften Ausbau wird die Planung voraussichtlich noch in diesem Jahr Fahrt aufnehmen. Ein Ingenieurbüro ist dabei, ein Entwässerungskonzept zu erstellen. Das Ergebnis wird noch in diesem Herbst erwartet. Die Studie ist unter anderem Voraussetzung, um das neue Kanalnetz zu planen. Auf dem Pflasterabschnitt ist nicht nur die Fahrbahn, sondern auch das Rohr- und Leitungsnetz zu erneuern.

Jederzeit ansprechbar

Der neue Ortsvorsteher will auch am Thema Glasfaserausbau und schnelles Internet dranbleiben. Während die Telekom bereits unten im Elbtal die Stadtteile Radebeul, Serkowitz und Kötzschenbroda südlich der Bahntrasse erschließt, spielt bei den Ausbauplänen Wahnsdorf bislang noch keine Rolle weiter. Doch die jetzigen Internetanschlüsse seien eindeutig zu langsam, sagt Forke. Er ist auch an dem Thema dran, dass der Ortsteil eine eigene Internetpräsenz bekommt. Dort sollen die Einwohner künftig beispielsweise die Protokolle der Ortschaftsratssitzung nachlesen können. Bislang tagt dieser nach Bedarf. Forke möchte einen regelmäßigen Sitzungsplan einführen. Viermal im Jahr, also einmal in einem Quartal, sind Zusammenkünfte künftig vorgesehen.

Feste Sprechzeiten hatte sein Vorgänger Schneider nicht. Wer ein Problem hat, konnte mit diesem zu ihm kommen oder dieses auf der Sitzung des Ortschaftsrates thematisieren. Ähnlich wird das auch Forke handhaben. Auf eine Sprechstunde verzichtet auch er. "Ich bin sehr oft in Wahnsdorf unterwegs. Mich kann jeder ansprechen", sagt Forke.