Partner im RedaktionsNetzwerk Deutschland
SZ + Radebeul

Radebeul: Der Lößnitzdackel braucht junges Personal und bezahlbare Kohle

140 Jahre wird dieses Jahr die Strecke von Radebeul nach Radeburg alt. Seit 20 Jahren ist die SDG das Herrchen des Dackels. Der Betreiber zieht Bilanz und erzählt von den Herausforderungen.

Von Silvio Kuhnert
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
In Radebeul schnauft der Lößnitzdackel in Höhe der ehemaligen Gaststätte "Weißes Roß" über die Meißner Straße. Es ist die einzige Kreuzung von Schmalspurbahn und Straßenbahn in ganz Sachsen.
In Radebeul schnauft der Lößnitzdackel in Höhe der ehemaligen Gaststätte "Weißes Roß" über die Meißner Straße. Es ist die einzige Kreuzung von Schmalspurbahn und Straßenbahn in ganz Sachsen. © Arvid Müller

Radebeul. Der "Dackel hat ein neues Herrchen" - so titelte die Sächsische Zeitung, als die Sächsische Dampfeisenbahngesellschaft (SDG) offiziell den Betrieb der Lößnitzgrundbahn übernahm. Das war am 21. Juni 2004, also genau vor 20 Jahren. Über eine Million Kilometer ist der Lößnitzdackel seither gefahren, wie Eisenbahnbetriebsleiter Mirko Froß berichtet. Das entspricht 25-mal um die Erde.

Die SDG hieß vor zwei Jahrzehnten noch BVO Bahn GmbH. Das Unternehmen aus dem erzgebirgischen Annaberg-Buchholz übernahm damals Fahrzeuge und Gleise von der Deutschen Bahn AG. Die Betriebsüberführung erfolgte bereits am 11. Juni 2004. Doch bis der Lößnitzdackel zwischen Radebeul-Ost und Radeburg die erste offizielle Fahrt unter dem neuen Betreiber am 21. Juni aufnehmen konnte, mussten noch zwei Langsamfahrstrecken beseitigt werden. So durften Loks der Schmalspurbahn zwischen Friedewald-Haltepunkt und -Bad nur zehn Kilometer je Stunde fahren, erinnert sich Froß. Die andere Schleichstelle befand sich im Lößnitzgrund.

Viel investiert in die Strecke

Die SDG betrieb zuvor schon die Fichtelbergbahn. Mit dem Lößnitzdackel kam auch die Weißeritztalbahn in das Unternehmen. Deren Strecke stand damals wegen der Hochwasserschäden nach der Jahrhundertflut im August 2002 still. In der sogenannten Moritzburger Erklärung bekannten sich der Freistaat Sachsen, die Deutsche Bahn, der Verkehrsverbund Oberelbe (VVO) sowie die BVO zum Wiederaufbau sowie den Erhalt der Schmalspurbahnen generell. Im Jahr 2007 hat sich des Dackels neues Herrchen in Sächsische Dampfeisenbahngesellschaft umgetauft.

Die SDG nahm nicht nur Geld zum Wiederaufbau der Schmalspurbahn zwischen Freital und Kurort Kipsdorf in die Hand. Auch auf der rund 16,5 Kilometer langen Route zwischen der Lößnitz- und der Zille-Stadt wurde reichlich investiert. Zehn Tage dauerte das Beseitigen der beiden Langsamfahrabschnitte im Jahr 2004. 2005 erfolgte die grundhafte Sanierung und der Ausbau des Empfangsgebäudes Moritzburg zum Sitz der Betriebsleitung der Lößnitzgrundbahn. Auch ein Kundenbüro mit Fahrkarten- und Souvenirverkauf zog in den Bahnhof ein. 2006 wurde der Bahnsteig in Radebeul-Ost neu gemacht und die Kreuzung am Weißen Roß mit samt der Bahnschranken erneuert. Es ist die einzige Kreuzung zwischen Straßenbahn und Schmalspurbahn in Sachsen.

"Alle Haltepunkte sind weitestgehend durchsaniert", berichtet Froß. Von den 20 Brückenbauwerken musste die SDG an zehn davon Hand anlegen, vier wurden grundhaft saniert. Auf über zehn Millionen Euro addiert sich die Investitionssumme aller Bauarbeiten an der Strecke in den vergangenen zwei Jahrzehnten. Hinzu kommen noch 2,9 Millionen Euro für das neue Werkstattgebäude in Radebeul-Ost.

Schwellentausch steht an

Die Instandhaltung geht weiter. Als Großprojekt steht der Austausch der Holzschwellen durch welche aus Recyclingkunststoff an. Zu den beiden Streckensperrungen im März und November jedes Jahres werden Abschnitte angefasst. Denn die Holzschwellen faulen weg. Davon betroffen sind auch teilweise jene, die vor 20 Jahren neu verlegt wurden. Um das Holz haltbar zu machen, wurde es früher mit Teeröl behandelt. "Das hat man gerochen", sagt Froß. Heutzutage wird es nicht mehr gemacht, weil die Stoffe gesundheitsschädlich sind. Schwellen auf rund zwölf Kilometer Länge müssen schrittweise ausgetauscht und durch recycelten Kunststoff ersetzt werden.

"Wir wollen die Strecke weiter mit Kohle betreiben", sagt Froß. Damit das gelingt, muss es auch künftig Steinkohle zu einem vernünftigen Preis geben. Zwischen 650 und 700 Tonnen benötigen die beiden in Betrieb befindlichen Lokomotiven im Jahr. Eine Tonne Kohle kostet derzeit rund 500 Euro. Nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs war der Preis im Jahr 2022 explodiert und die SDG musste für zwei Kohlelieferungen über 1.000 Euro pro Tonne überweisen.

Über 4 Millionen Fahrgäste

Neben bezahlbarer Kohle ist es ebenfalls für die SDG wichtig, ausreichend junge Leute zu finden, die sich für die historische und denkmalgeschützte Technik begeistern und den Weg mitgehen, die Lokomotiven unter Dampf zu halten. Mit 22 Mitarbeitern ist die SDG damals auf der Lößnitzgrundbahn gestartet, mit der Weißeritztalbahn sind es heute 35 Beschäftige. Bei vielen rückt das Rentenalter näher. Daher ist Froß stolz auf seine Jugendbrigade. Zu dritt können sie als Zugchefin, Lokführer und Heizer ein Dampfross mit Waggons von Radebeul nach Radeburg und wieder zurückbringen. Die drei kommen zusammen auf ein Alter von 60 Jahren. Das Team von der Jugendlok bildet die Zukunft.

Rund 4,1 Millionen Fahrgäste haben in den 20 Waggons im betriebsfähigen Zustand in den vergangenen 20 Jahren Platz genommen. Rund 170.000 Passagiere zählte die SDG im Schnitt jährlich zu Beginn. Im Jahr 2019 konnte die Zahl auf reichlich 275.000 gesteigert werden. Das ist der bisherige Rekord. Rund 265.000 Fahrgäste gab es im Jahr 2022, was vor allem an dem Neun-Euro-Ticket lag. Während dessen dreimonatiger Gültigkeit im Sommer vor zwei Jahren gab "es keinen freien Stehplatz auf der Tribüne", erinnert sich Froß. Im vorigen Jahr nutzten rund 170.000 Den Lößnitzdackel - so viele wie in den Anfangsjahren.

Großes Geburtstagsfest im September

Zum einen gibt es seit 2023 eine zusätzliche Fahrpause im März von vier Wochen. Außerdem wurde der morgendliche Schülerzug eingestellt. Allein der Schülerverkehr hat laut Froß rund 60.000 Fahrgäste ausgemacht. Das Streichen des Schülerzuges sowie des Abendzuges waren die bislang größeren Veränderungen im Fahrplan, seit die SDG den Lößnitzdackel betreibt. Der Wegfall der beiden Fahrten geschah, um den Verbrauch der Kohle wegen der gestiegenen Kosten zu reduzieren.

20 Jahre Betriebszugehörigkeit der Lößnitzgrundbahn zur SDG wird nicht gefeiert. Denn ein viel größeres Jubiläum wirft ihre Schatten voraus. Vor 140 Jahren ging der Lößnitzdackel auf Jungfernfahrt. Das wird mit dem Schmalspurbahn-Festival am 14. und 15. September 2024 gefeiert. Bereits am Freitag, 13. September, sind vormittags und nachmittags Fotozüge unterwegs. Am Sonnabend und Sonntag stehen unter anderem Sonderfahrten und das Bahnhoffest in Moritzburg auf dem Programm. In Radebeul-Ost präsentieren sich die Traditionsbahner. Ohne den Traditionsbahnverein und den VVO könnte die SDG das Fest nicht stemmen, betont Froß.