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Eine Achtjährige aus Weinböhla erobert die Lüfte – mit Talent und Ehrgeiz

Trotz begrenzter Mittel beweist der TuS Weinböhla, wie Talentförderung gelingt. Denn Merle begeistert schon jetzt mit ihrem akrobatischen Können.

Von Martin Skurt
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Merles Spagatsprung vom Schwebebalken wirkt mühelos, doch dahinter verbergen sich regelmäßiges Training und besonderes Können.
Merles Spagatsprung vom Schwebebalken wirkt mühelos, doch dahinter verbergen sich regelmäßiges Training und besonderes Können. © Arvid Müller

Weinböhla. In der Turnhalle der Grundschule Weinböhla wuseln Kinder durch den Raum. Ein gewöhnlicher Schultag, das könnte man meinen, denn die Ferien sind seit dieser Woche vorbei. Doch es ist 16.30 Uhr an einem Dienstag. Während viele Weinböhlaerinnen und Weinböhlaer in den Feierabend starten, fliegen hier kleine Turnerinnen durch die Luft, drehen sich in schwindelerregender Geschwindigkeit und zeigen ihre akrobatischen Fähigkeiten. Eine von ihnen ist die achtjährige Merle, ein echtes Ausnahmetalent des TuS Weinböhla und seiner Turn-Abteilung.

Merle hat vor zwei Jahren mit dem Turnen angefangen. Ursprünglich aus Dresden, war sie zunächst beim Tanzen aktiv, bevor der Umzug nach Weinböhla sie zum Turnen brachte. "Meine Eltern haben nach einem neuen Verein gesucht, und wir sind auf das Turnen gestoßen", erzählt sie. Der entscheidende Anstoß kam jedoch von ihrer besten Freundin, die sie zu einem Probetraining beim TuS Weinböhla mitnahm. Ihre Trainerin Maria Sonntag erinnert sich noch gut an diesen Moment: "Es war sofort klar, dass Merle ein besonderes Talent hat."

Merles Woche ist eng getaktet

Das eher beobachtende Mädchen strahlt sofort, wenn sie über das Turnen spricht. "Am meisten gefallen mir die Bodenübungen mit Musik und die Sprünge", sagt sie mit einem Lächeln. Besonders das Fliegen durch die Luft und das schwungvolle Turnen begeistern sie. Auch wenn der Spaß an erster Stelle steht, ist sie doch ehrgeizig und stolz auf ihre bisherigen Erfolge. Bei den Sachsenmeisterschaften im Juni erreichte sie den fünften Platz im Mehrkampf und erkämpfte sich die Silbermedaille am Boden im Gerätefinale. Bei den Jugendspielen im vergangenen Jahr erhielt sie eine Goldmedaille im Mehrkampf. "Die Erfolge sind mir wichtig und motivieren mich", sagt sie nach reichlicher Überlegung.

Ihr Erfolg kommt aber nicht nur von ihrem Talent. Ihr Einsatz ist mindestens genauso entscheidend. So ist Merles Woche eng getaktet. Montags und donnerstags trainiert sie in der Leistungssportgruppe des Dresdner SC, wo sie von ihrer Mutter oder Großmutter hingefahren wird. Dienstags, freitags und samstags ist sie beim TuS Weinböhla aktiv. Die Balance zwischen Schule und Turnen gelingt ihr dabei, und sie weiß die Unterstützung ihrer Familie sehr zu schätzen. Denn sie darf das machen, was sie mag. "Turnen ist mein liebstes Hobby", sagt Merle. Wenn sie an ihre Ziele denkt, sind diese nicht unerreichbar. "Ich möchte als Nächstes die Riesenfelge am Barren schaffen." Dabei schwingt sich eine Turnerin mit ihrem ganzen Körper komplett um die Stange.

Trainerin Maria Sonntag erkennt in Merle eine zielstrebige und außergewöhnliche Turnerin, die sich durch ihren großen Ehrgeiz auszeichnet. "Wenn sie sich etwas in den Kopf setzt, wie zum Beispiel einen Flickflack, dann schafft sie es auch", sagt Sonntag. Es sei aber nicht verständlich, dass sie jemanden wie Merle im Kader ordentlich auf die Wettkämpfe vorbereiten können. Denn die Herausforderungen im Training sind nicht zu unterschätzen. "Wir haben nur eine begrenzte Anzahl an Geräten und wenig Platz, und der Raum ist oft voll und laut", sagt die Trainerin. Zum einen freue sie sich, dass so viele vom Turnen begeistert sind, zum anderen führen sie schon Wartelisten, da die Kurse schon jetzt übervoll sind. "Wir hoffen deswegen auf die neue Dreifeldhalle", sagt Maria Sonntag.

Vom Breitensport in den Leistungssport

Diese ist auch eine Voraussetzung für ein anderes, langfristiges Ziel, das die Turner erreichen wollen. Der TuS Weinböhla arbeitet intensiv daran, eine Turn-Talentschule aufzubauen. Trotz der Hürden wie Platzmangel und fehlende Finanzmittel durch zu wenige Sponsoren, ist die Trainerin zuversichtlich: "Wir wollen den Talentstützpunkt in Weinböhla zur Turn-Talentschule ausbauen, um junge Talente wie Merle bestmöglich zu fördern." Sonntag turnt selbst erfolgreich in der Landesliga, der höchsten Leistungsklasse im Breitensport.

Die Turn-Talentschule könnte dabei nicht nur für den Verein, sondern auch für die gesamte Gemeinde ein Aushängeschild werden. "Wir wollen dort die kleinen Talente fördern und eng mit dem Leistungssport kooperieren", sagt Sonntag. Sie selbst habe mit fünf Jahren beim TuS Weinböhla begonnen und war wie Merle beim DSC im Training. Sie war am Sportgymnasium und hat in der ersten Bundesliga geturnt. "Nach dem Abitur im Jahr 2019 wollte ich zurück nach Weinböhla, um mein Wissen und meine Erfahrungen weiterzugeben." Nun trainiert sie gemeinsam mit Sarah Dittmann, ihre Freundin aus Kindheitstagen und Weggefährtin in der Landesliga, die Leistungsgruppe der kleinen Turnerinnen.

Dort turn Merle mit acht anderen Mädchen. "Merle ist die einzige, die an bundesweiten Wettkämpfen im Leistungssport teilnimmt. Die anderen könnten auch, haben sich aber aus persönlichen Gründen dagegen entschieden", sagt Trainerin Sonntag. Für Merle könnte es aber nicht besser laufen. Sie wird von ihrer Familie, den Trainerinnen und dem Verein unterstützt. Wenn sie mal kein Training hat, trifft sie sich am liebsten mit ihren Freundinnen oder ihren drei Geschwistern draußen, um zu turnen. Ihr Vorbild ist die deutsche Turnerin Pauline Schäfer-Betz, die 2017 auf dem Schwebebalken eine Goldmedaille bei der WM gewann. Ihre aktuellen Wettkämpfe verfolgt Merle sehr genau.

Die Achtjährige steht sinnbildlich dafür, wie ein Breitensportverein auf den Leistungssport vorbereiten kann. Die Kinder trainieren dabei nicht nur für den sportlichen Erfolg, sondern für die persönliche Entwicklung. Denn erst durch das Turnen ist das Mädchen zu einem selbstbewussten und entschlossenen Kind gereift.