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Radebergs Alt-OB Lemm: Wirbel um Mietvertrag

Radebergs Alt-Oberbürgermeister Gerhard Lemm (SPD) mietet privat ein Büro in den Räumlichkeiten des Abwasserzweckverbandes (AZV). Nun werden Vorwürfe laut, da es sich um kritische Infrastruktur handelt. Anwälte sind bereits eingeschaltet.

Von Siri Rokosch & Verena Belzer
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Auf dem mittleren Briefkasten steht Gerhard Lemm - er mietet derzeit noch ein Büro an der Radeberger Kläranlage
Auf dem mittleren Briefkasten steht Gerhard Lemm - er mietet derzeit noch ein Büro an der Radeberger Kläranlage © René Meinig

Radeberg. Turbulente Wochen für Radebergs Alt-OB Gerhard Lemm: Nach seiner Verurteilung wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Geldstrafe gibt es nun Wirbel um ein von ihm gemietetes Büro in den Räumlichkeiten des Abwasserzweckverbandes (AZV): Vor allem der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses und die Tatsache, dass es sich hier um kritische Infrastruktur handelt, stehen nun in der Kritik. Der AVZ hat einen Anwalt eingeschaltet.

Die Fakten: Lemm (SPD) mietet seit dem 1. August vergangenen Jahres ein 35 Quadratmeter großes Büro in der Kläranlage des AZV (Vertrag liegt der Redaktion vor). Dafür bezahlt er pro Quadratmeter 2,30 Euro Miete plus 75 Cent Nebenkosten - macht im Monat 100 Euro.

Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses war Lemm in seiner Funktion als Radeberger OB auch AZV-Verbandsvorsitzender. Beide Ämter endeten am 3. August.

Nun hat der AZV anwaltliche Schritte eingeleitet - das Büro befinde sich in Räumlichkeiten kritischer Infrastruktur und könne daher nicht von Privatpersonen gemietet werden.

Gerhard Lemm an seinen letzten Tagen als Radebergs Oberbürgermeister - bis zum 3. August war er auch Verbandsvorsitzender des Abwasserzweckverbandes. Den Mietvertrag unterschrieb er am 1. August.
Gerhard Lemm an seinen letzten Tagen als Radebergs Oberbürgermeister - bis zum 3. August war er auch Verbandsvorsitzender des Abwasserzweckverbandes. Den Mietvertrag unterschrieb er am 1. August. © Marion Doering

"Auf den Mietpreis habe ich keinen Einfluss genommen"

Ist bei Vertragsabschluss alles rechtens abgelaufen? Den Vertrag für den AZV unterschrieben hat Jens Krauße (SPD). Großhartaus Bürgermeister war und ist stellvertretender Verbandsvorsitzender. Auf Nachfrage von Sächsische.de erklärt Krauße lediglich, "dass es zu keinem Mietverhältnis kommen wird". Fragen, wieso er den Vertrag unterschrieben hat, obwohl es sich bei den Räumlichkeiten um kritische Infrastruktur handelt, lässt er unbeantwortet. Auch zu der Frage, wer noch in den Vertragsabschluss involviert war und ob er weitere Verbandsmitglieder kontaktiert habe, äußert sich Krauße, ein Parteifreund von Gerhard Lemm, nicht.

Und fällt die Miete nicht viel zu gering aus? Zum Vergleich: Falk Protze, Geschäftsführer des Dresdner Immobilienbüros Beate Protze Immobilien, erklärt, dass Büromieten in Radeberg derzeit im Schnitt bei 5 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter liegen.

Gerhard Lemm - der in seiner Funktion als SPD-Kreisrat ein Büro brauche, weil er daheim schlechtes Internet habe - erklärt, keinen Einfluss auf den Preis genommen zu haben. "Der wurde mir so mitgeteilt." Auf Rückfrage sei ihm versichert worden, sich am Gewerbemietindex orientiert zu haben, "mit einem Abschlag, da es sich um Gewerberaum an der Kläranlage handelt".

Unterschrift durch Stellvertreter

Der AZV hat inzwischen Vorbehalte gegen das Mietverhältnis geäußert und Anwälte eingeschaltet. Wie Gerhard Lemm selbst bestätigt, beziehen sich diese Vorbehalte darauf, für den Vorgang habe es einer Zustimmung der Verbandsversammlung bedurft, außerdem sei der Zugang Betriebsfremder zu diesem Bereich der sogenannten kritischen Infrastruktur nicht zulässig.

Strafrechtlich wird die Angelegenheit nicht verfolgt. Die Rechtsaufsicht des Landratsamts hatte das Thema auch auf dem Tisch. "Der Fall ist uns bekannt. Ein Mietvertrag ist ein zivilrechtlicher Vertrag. Daher erfolgt die Klärung auf dem zivilrechtlichen Weg", erklärt Pressesprecherin Frances Lein.

Großhartaus Bürgermeister Jens Krauße hat den Mietvertrag in seiner Funktion als stellvertretender Verbandsvorsitzender unterschrieben.
Großhartaus Bürgermeister Jens Krauße hat den Mietvertrag in seiner Funktion als stellvertretender Verbandsvorsitzender unterschrieben. © Archivfoto: SZ/Uwe Soeder

"Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gab es keine Vorbehalte", argumentiert Gerhard Lemm. Das Büro stehe seit Jahren leer. Nicht er selbst als damaliger Verbandsvorsitzender habe den Vertrag bearbeitet, sondern die Details mit Geschäftsführer Jörg Friedemann besprochen. Da der wiederum ihm zu diesem Zeitpunkt weisungsgebunden war, sei der stellvertretende Vorsitzende hinzugezogen worden - Jens Krauße.

Ein Vier-Augen-Prinzip besteht laut Auskunft des Landratsamts für solche Arten von Verträgen des AZV nicht. Es war rechtens, dass alleinig Kraußes Unterschrift darunter gesetzt wurde.

Gerhard Lemm sieht keinen Interessenskonflikt

"Mein Amt habe ich für diesen Vorgang nicht genutzt", stellt Lemm klar. "Allenfalls, dass ich durch meine langjährige Verbandstätigkeit von dem ungenutzten Büro wusste." Um auch nur den Anschein der Nutzung des Amts zu vermeiden, habe er die Sache an Jens Krauße abgegeben.

Ein "normaler" Gewerbetreibender würde sich wohl kaum für teures Geld an einer Kläranlage einmieten, sagt Lemm. "Für mich ist das Büro interessant, weil ich es ohnehin nur gelegentlich benötige, mich also die Beeinträchtigungen nicht stören und weil es eben genau an meinen üblichen Wegen liegt." Insofern sei er eher von einer Win-win-Situation als einem Interessenskonflikt ausgegangen.

Bereitschaft zur Aufhebung des Vertrags

Radebergs Alt-OB Gerhard Lemm ist es wichtig zu betonen, dass er "nach Möglichkeit keinen Streit mit dem Verband, dem ich mich nach den vielen Jahren als Vorsitzender nach wie vor verbunden fühle" haben wolle. Deshalb habe er seine Bereitschaft erklärt, den Gewerbemietvertrag einvernehmlich aufzuheben.