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Viel Geld für nichts: Radeberger Biertheater startet fulminant in die neue Saison

Mit dem Schwank "Bares für Wahres: Wenn's bei Neumann 2x klingelt" startet das Radeberger Biertheater in die neue Spielzeit. Eine flotte Klamotte mit viel Situationskomik.

Von Rainer Könen
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Gute Laune vorprogrammiert - wie man es beim Biertheater in Radeberg gewohnt ist.
Gute Laune vorprogrammiert - wie man es beim Biertheater in Radeberg gewohnt ist. © Matthias Rietschel

"Wer hat, dem wird noch gegeben", befand seinerzeit der biblische Apostel Matthäus und bezog sich dabei auf die Eigendynamik von Talenten. Eine ähnliche Erfahrung macht der arbeitslose Hans Neumann im neuen Biertheaterstück "Bares für Wahres: Wenn's bei Neumann 2x klingelt". Die Talente des gekündigten Angestellten, der Ehefrau Sibylle seinen Jobverlust verschwiegen hat, sind ganz spezieller Natur. Und mittlerweile seinem besten Kumpel Herbert Küttner aufgefallen.

Der will wissen, warum Neumann täglich an der Imbissbude anzutreffen ist, wie er sich die vielen Urlaubsreisen und den neuen Wagen leisten kann. Woher, bitte schön, kommt die ganze Kohle? Das fragt sich auch das Publikum im ausverkauften Saal.

Da wird abkassiert - 8.000 Euro monatlich vom Staat

In der Bares-für-Wahres-Aufführung, mit der im Radeberger Biertheater die neue Spielzeit 2024/25 eröffnet wurde, wird gezeigt, was finanziell möglich ist, wenn man die Behörden übers Ohr haut. Hans Neumann gesteht seinem Kompagnon Herbert, dass er beim Sozialamt "ein paar falsche Angaben" gemacht habe, dort unter einem falschen Namen registriert sei - und eine saftige Invalidenrente erhält. Eine erfolgreiche Geschäftsidee.

Im Laufe des zweistündigen Stücks stellt sich heraus, das auch Hans' Frau Sibylle und weitere Hausbewohner hochtalentierte Sozialbetrüger sind. Und nicht genug bekommen: Da werden weitere Leistungsberechtige samt Nachwuchs plus einiger Gebrechen erfunden. Mit anderen Worten: Da wird alles kassiert, was ein Sozialstaat im Angebot hat. Von diversen Renten hin zu Arbeitslosen- und Kindergeld, über Familienhilfe bis zu Behinderten- und Migrationszuschüssen.

Falsche Angaben beim Sozialamt, gefälschte Unterschriften: Jeder kassiert satte 8.000 Euro monatlich vom Staat, macht rund 100.000 Euro per anno. Da zucken etliche im Saal zusammen. Wow, so viel Kohle fürs Nichtstun.

Eine flotte Klamotte mit viel Situationskomik

Regisseur Alexander Siebecke, der auch das Drehbuch geschrieben hat, trifft mit Themen wie Arbeitslosigkeit, Sozialbetrug und Bürokratie nach wie vor den Nerv der Zeit. Sein routiniertes Volksschauspiel-Ensemble weiß, wie man ein sozialkritisches Stück wie dieses am unterhaltsamsten vermittelt: mit knackig-deftigem Bürger-Entertainment.

Beschwingt, gut-gelaunt, unter Beimischung von hochdosierter Selbstironie und ohne geringste Scheu vor aufgedrehtem Schmarotzertum. Mit anderen Worten: Radebergs Theatermacher wissen, was sie ihrem treuen Publikum schulden. Das neue Stück ist eine flotte Klamotte mit viel Situationskomik und temporeicher Tür-zu-Tür-Action.

Richtigen Drive bekommt die Aufführung, als ein Außenprüfer des Sozialamtes - von Jens Albrecht herrlich überzeichnet präsentiert - bei Neumanns anklopft. Der Startschuss für eine wahnsinnig-verrückte Verwandlungskomödie, mit hysterischen Ehefrauen, einer erfundenen Leiche, einem betrunkenen Beamten, einer verklemmten Sexualberaterin und einer als städtische Trauerhelferin fungierende Nonne. Eine aberwitzige Farce, die da geboten wird.

Szene von der Premiere im Biertheater.
Szene von der Premiere im Biertheater. © Matthias Rietschel
Szene von der Premiere im Biertheater.
Szene von der Premiere im Biertheater. © Matthias Rietschel
Szene von der Premiere im Biertheater.
Szene von der Premiere im Biertheater. © Matthias Rietschel
Szene von der Premiere im Biertheater.
Szene von der Premiere im Biertheater. © Matthias Rietschel
Szene von der Premiere im Biertheater.
Szene von der Premiere im Biertheater. © Matthias Rietschel

Die Darsteller präsentieren sich in Topform

In dem von Bernd Kühne geschaffenen Bühnenbild, ein karg-eingerichtetes Wohnzimmer mit einem Sofa, geht es auch deshalb so turbulent-vergnüglich zu, weil das Leben ein ständiges Geben und vor allem ein immerwährendes Nehmen ist, eine Hand wäscht die andere, da wechseln die Bestechungsfuffis im Sekundentakt den Besitzer. Niemand will als Betrüger auffliegen.

Die Bühnencrew präsentiert sich in Topform. Allen voran Thomas Böttcher, der seinem Hans Neumann wieder mal filouhaftem Charme gibt, und mit tatkräftiger Unterstützung des von Thomas Rauch gespielten Herbert Küttner (fast) alle Hindernisse meistert. Nach der Pause hat Hans-Jörg Hombsch seinen großen Auftritt. Seine Figur, die kasachische Putzfrau Alma Atta, reißt das Publikum von den Bänken. Die Dame heißt natürlich im wahren Leben anders - und weiß ebenfalls, wie man den deutschen Sozialstaat "behumst".

Im zweiten Teil schwächelt die Inszenierung etwas

Gemeinsam mit Jens Albrecht, der in der Rolle des Sozialamtsprüfer für Angst- und Schweißausbrüche bei den Protagonisten sorgt, bildet dieses Quartett das Stimmungskorsett des Stücks. Hinter diesen wuchtig-spielenden Darstellern haben es die anderen Mitspieler nicht einfach, sich auf der Bühne zu behaupten. Norma Fehre in der Doppelrolle als Pocahontas und Schwester Monika sowie Gabi Köckritz (Sibylle Neumann) als auch Peter Splitt als Gisela Küttner gehen da ein wenig unter.

Als sich die Inszenierung, die im zweiten Teil etwas schwächelt, dem Ende entgegenbetrügt - Überraschung! - wird unvermittelt der mahnende Zeigefinger gehoben. Ein simples "Mea culpa" (meine Schuld) von Hans Neumann reicht, um alle rasant-gesponnenen Verwicklungen aufzulösen. Was irgendwie Sinn macht, die Verwicklungen wurden zunehmend unübersichtlich, da konnte man schon den Faden der Story verlieren. Macht aber nichts - den Zuschauern gefiel es.