Unruhe in Kleingartensparte in Radeberg: Sollen die Parzellen einem Parkplatz weichen?
Radeberg. Nicole Robertz sitzt auf der Terrasse ihrer Parzelle in der Kleingartenanlage "Am Kiesberg" in unmittelbarer Nähe zur Brauerei. "Ich wollte schon immer einen Garten", sagt sie. Seit 2017 pachtet sie hier ihre Sparte, für sie ist dieser Garten ein wahr gewordener Traum. 2009 ist die gelernte Heilerziehungspflegerin aus Döbeln nach Radeberg gezogen, mit ihren beiden Töchtern wohnt sie fußläufig entfernt. "Für mich ist das perfekt hier", sagt sie. "Wir sind fast täglich hier."
Fünf Bäume hat sie gepflanzt. "Und mit jedem verbinde ich eine persönliche Geschichte", sagt Nicole Robertz. "Die Birne habe ich meinen verstorbenen Eltern gewidmet, meine Mama hat Birnen immer so gerne gemocht."
Für 85 Pächter der Parzellen auf rund 25.000 Quadratmetern ist diese Gartensparte ein Ort der Ruhe und Erholung. Doch an Ruhe ist momentan nicht zu denken - die Kleingärtner sind in Aufruhr.
Was ist der Grund für die Unruhe in der Kleingartensparte?
Auf das Eschebach-Gelände soll ein Ausbildungszentrum für Mikrotechnologen(SAM) kommen - das hat Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) gemeinsam mit Oberbürgermeister Frank Höhme (parteilos) bekanntgegeben.
75 Millionen Euro sollen in Radeberg investiert werden, Herzstück des Zentrums wird ein Reinraum. Ab dem Ausbildungsjahr 2028/29 sollen bis zu 1.000 Ausbildungsplätze bereitstehen.
Die Rolle der Stadt: Sie stellt die Fläche zur Verfügung, auf die das Zentrum gebaut wird. Aktuell gehören die Flächen, auf die das "SAM" kommen könnte, allerdings noch dem Weimarer Investor Josef Saller und der Radeberger Brauerei. "Die Saller Bau GmbH äußerte sich positiv zum Projekt, ebenso die Radeberger Exportbierbrauerei", berichtet Stadtsprecherin Sarah Günther. "Das Ausbildungszentrum ist für die künftige Stadtentwicklung ein sehr entscheidendes Projekt." Und: "Das grundsätzliche Ziel ist es, das Eschebach-Areal gesamtheitlich zu entwickeln."
Was sagt der Territorialverband?
Will die Stadt die Flächen für das "SAM" zur Verfügung stellen, gibt es grundsätzlich mehrere Optionen: Entweder sie kauft sie oder tauscht sie gegen andere verfügbare Flächen. Und bei diesen Überlegungen ist die Kleingartenanlage "Am Kiesberg" in den Fokus gerückt.
Die Brauerei nutzt ihre Fläche auf dem Eschebach-Gelände aktuell als Parkplatz. Fällt dieser Parkplatz weg, braucht sie eine Alternative. Und die Parzellen befinden sich in unmittelbarer Nachbarschaft der Brauerei. "Im Juni folgten dazu unter anderem Gespräche mit dem Territorialverband Kamenz der Kleingärtner, dem Pächter dieser Flächen", sagt Sarah Günther.
Von eben jener Stelle bekommt man wenig Infos: "Es ist wohl ein Vorhaben der Stadt Radeberg", sagt dessen Vorsitzender Wolfgang Preller. "Von Parkplätzen ist hier keine Rede gewesen." Vom Vorstand des Kleingartenvereins "Am Kiesberg" bekamen die Pächter Ende August ein Schreiben mit der Empfehlung, keine größeren Investitionen zu tätigen. Die Gartensaison 2025 sei aber gesichert.
Könnte die Kleinsparte verlagert werden?
"In den Gesprächen mit dem Territorialverband ging es auch um den zeitlichen Fahrplan, etwaige Ansprüche für Entschädigungen und Möglichkeiten für eine Verlagerung des Gartenvereins", erläutert Stadtsprecherin Sarah Günther. Konkrete Konditionen seien nicht besprochen worden.
Wäre eine Verlagerung der Parzellen an eine andere Stelle eine Option für Nicole Robertz? "Ich habe hier mehrere tausend Euro investiert", sagt die Pächterin. "Aber mir geht es im Grunde gar nicht ums Geld, sondern um die Zeit und das Herzblut, das ich hierein gesteckt habe. Da hängen Erinnerungen dran. Ich würde heulen, wenn hier womöglich alles weichen muss." Im Flächennutzungsplan der Stadt ist das Gebiet aktuell als Grünfläche für die Dauer-Kleingärten ausgewiesen.
Was sagt die Brauerei?
Fakt ist, dass die Brauerei Parkplätze benötigt. Das bestätigt auch deren Sprecher Hendrik Wagner. "Wir als Brauerei dürfen unser Gewerbe unter anderem nur ausführen, wenn wir Pkw-Stellplätze nachweisen und entsprechend vorhalten."
Wie, in welcher Form und an welcher Stelle im Zusammenhang mit dem Erwerb der Brauerei-Flächen im Eschebach-Areal eine äquivalente Vorhaltung von Pkw-Stellplätzen zukünftig erfolgen kann, werde derzeit von der Stadt diskutiert und geprüft. "Wir sind an einer für alle Beteiligten einvernehmlichen Lösung interessiert", heißt es von Seiten der Brauerei.
Könnte es eine andere Lösung geben?
Stadtsprecherin Sarah Günther bringt eine andere Fläche ins Spiel: "Auch bei einem kurzfristigen Grundstückstausch oder Kauf müssen die Parkplätze zur Verfügung stehen. Die Stadt Radeberg hat deshalb bereits alternative, geeignete Flächen - exklusive der Fläche des Kleingartenvereins - in Augenschein genommen, welche sich in Laufnähe der Brauerei befinden." Details dazu nennt sie nicht.
So richtig beruhigt das alles die Pächter der Parzellen nicht. Sie hoffen weiter, bleiben zu dürfen. "Die Stimmung ist angespannt", fasst es Nicole Robertz zusammen. "Viele sind schon seit Jahrzehnten hier. Wir werden für den Erhalt der Anlage kämpfen."