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Landtagswahl in Thüringen: CDU beschließt Gespräche mit BSW und SPD

Erstmals ist die AfD in einem Bundesland stärkste Kraft geworden. Der Landesvorstand der Thüringer CDU gibt grünes Licht für erste Gespräche mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht und der SPD.

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Christian Herrgott (CDU), Generalsekretär der CDU Thüringen.
Christian Herrgott (CDU), Generalsekretär der CDU Thüringen. © dpa

Erfurt. Die Thüringer CDU hat den Weg für erste Gespräche mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht und der SPD frei gemacht. Thüringens CDU-Generalsekretär Christian Herrgott sagte, der Landesvorstand habe ihn selbst und CDU-Landesparteichef Mario Voigt ermächtigt, diese Gespräche zu führen. Es handele sich noch nicht um Koalitions- und auch nicht um Sondierungsgespräche. Der Beschluss des Landesvorstandes sei einstimmig gewesen.

Herrgott machte zugleich klar, dass der Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU weiter gelte. "Das gilt, klar: Wir werden nicht mit der AfD zusammenarbeiten. Das haben wir vor der Wahl gesagt und das gilt auch nach der Wahl. Gleiches gilt für eine Koalition mit der Linken", sagte Herrgott. Er machte klar, dass man am Beginn eines "langen, langen und intensiven Prozesses" stehe.

Zuvor hatte auch der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz betont, dass der Unvereinbarkeitsbeschluss zur AfD und zur Linken stehe und dass es Sache der Landesverbände in Sachsen und Thüringen sei, wie damit umzugehen ist.

Patt-Situation nach Sitzen in Thüringen

Die CDU war bei der Landtagswahl am Sonntag auf Platz zwei gelandet – hinter der AfD von AfD-Rechtsaußen Björn Höcke. Allerdings ist die Lage nach der Wahl vertrackt. Eine vorab oft diskutierte Koalitionsmöglichkeit von CDU, BSW und SPD wird im neuen Landtag in Erfurt nicht die Mehrheit der Sitze haben, sie kommt nur auf 44 Sitze, die mögliche Opposition aus AfD und Linke kommt ebenfalls auf 44 Sitze – ein Patt.

Ramelow bietet Unterstützung an

Ramelow bot noch am Wahlabend Unterstützung bei der Regierungsbildung an, wenn das von den anderen Parteien gewünscht werde. "Ich werde alles tun, dass es zu einer Mehrheitsregierung kommt", bekräftigte er. Ob das auch eine Tolerierung einer möglichen Koalition aus CDU, BSW und SPD sein könnte, ließ der Linke-Politiker offen. "Ich muss nicht spekulieren", sagte er der dpa.

Staatskanzleiminister Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) ging weiter als Ramelow. Er forderte die CDU auf, von ihrer bisherigen Weigerung gegenüber einer Zusammenarbeit mit der Linken Abstand zu nehmen, wie er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) sagte. Thüringens Linke-Chef Christian Schaft schloss ein Tolerierungsmodell nicht grundsätzlich aus. Eine Voraussetzung dafür sei, dass die CDU ihren Parteitagsbeschluss überdenke, der ihr jede Zusammenarbeit mit den Linken verbietet.

Wolf: Minderheitsregierung keine gute Option

Eine mögliche Minderheitsregierung sieht die Thüringer BSW-Chefin Katja Wolf allerdings skeptisch. Eine solche sei in der aktuellen Situation "keine gute Option", sagte die 48-Jährige der Deutschen Presse-Agentur in Erfurt. Sie habe eine große Einigkeit auch bei den anderen Parteien vernommen, "dass eine Minderheitsregierung, so wie wir sie in den letzten fünf Jahren erlebt haben, so keine politische Zukunft haben darf in Thüringen". Man müsse daher schnell in Gespräche kommen "und muss ausloten, was irgendwie möglich ist".

In den vergangenen fünf Jahren führte Ramelow eine Minderheitsregierung aus Linke, SPD und Grünen, die keine eigene Mehrheit im Parlament hatte. Das Besondere: Über mehrere Jahre gab es auch keinen festen Tolerierungspartner. Das Bündnis wurde im Landtag mehrfach von der Opposition überstimmt.

Wagenknecht lehnt Koalition mit Höcke ab

"Wenn Krieg kommt, braucht man doch über Bürokratieabbau nicht mehr zu reden", sagte BSW-Chefin Sahra Wagenknecht bereits am Wahlabend. Dann gebe es größere Sorgen. "Wir werden Sie nicht enttäuschen, wir machen was draus", rief Wagenknecht. Sie hoffe, dass auch bei der CDU angekommen sei, dass sich etwas ändern müsse.

Eine Koalition mit der Höcke-AfD lehnte sie erneut ab. "Höcke vertritt ein völkisches Weltbild, das ist also meilenweit von uns entfernt", sagte Wagenknecht in der ARD. "Wir haben immer gesagt, mit Herrn Höcke können wir nicht zusammenarbeiten."

Höcke fordert Bewegung von Wagenknecht-Partei - und verpasst Direktmandat

Höcke hingegen appellierte an das BSW, die AfD mit einzubeziehen. "Ich hoffe, dass das BSW vielleicht weitergehende Überlegungen tätigt, ob es vielleicht möglich ist, nach diesem historischen Tag heute zu einem neuen lebendigen Parteiensystem zu kommen – auch unter Einschluss der AfD", sagte er dem Sender Phoenix.

Höcke selbst verpasste sein Direktmandat in seinem Wahlkreis in Ostthüringen. Der 52-Jährige erhielt laut vorläufigem Ergebnis 38,9 Prozent der Stimmen im Wahlkreis Greiz II. Als Spitzenkandidat gelang Höcke aber über die Landesliste der Einzug in den Landtag. Die meisten Stimmen in Höckes Wahlkreis gingen an CDU-Bildungspolitiker Christian Tischner, der 43 Prozent bekam.

Höcke hatte lange nach einem aussichtsreichen Wahlkreis gesucht, nachdem er bei der Landtagswahl vor fünf Jahren im katholisch geprägten Thüringer Eichsfeld gegen die CDU verloren hatte. Er wohnt in einem kleinen Ort im Eichsfeld im Norden Thüringens.

Experte sieht Zäsur in Parteienstruktur

Der Politikwissenschaftler Oliver Lembcke sagte, Alternativen zu der für die CDU eigentlich verbotenen Koalition mit der Linken wäre eine Unregierbarkeit in dem Bundesland oder eine von der Linken tolerierte Minderheitsregierung. Wählt Voigt die Minderheitsregierung, würde er sich aus Lembckes Sicht noch stärker in eine Abhängigkeit zur Linken begeben - und sich bei Entscheidungen erpressbar machen.

Lembcke, der viele Jahre an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena gearbeitet hat, sieht in den beiden Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen eine Zäsur in der Parteienstruktur Deutschlands. "Diese Wahl war eine Wutwahl gegen eine westdeutsch geprägte Parteienlandschaft und gegen die Ampel", sagte er. (dpa)