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Kritik in CDU an BSW-Koalition in Sachsen: Ist die Minderheitsregierung ein Ausweg?

In der CDU stößt eine Koalition mit der „Altkommunistin“ Wagenknecht auf Widerwillen. Wäre das Magdeburger Modell eine Alternative für Sachsen?

Von Karin Schlottmann
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CDU-Chef Michael Kretschmer und BSW-Vorsitzende Sabine Zimmermann planen Gespräche über ein mögliches Regierungsbündnis.
CDU-Chef Michael Kretschmer und BSW-Vorsitzende Sabine Zimmermann planen Gespräche über ein mögliches Regierungsbündnis. © Matthias Rietschel

Das Ergebnis der Landtagswahl stürzt den Wahlsieger CDU in ein Dilemma. Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) muss erneut mit zwei Parteien über eine Regierungskoalition verhandeln. Am wahrscheinlichsten sind derzeit Gespräche mit SPD und BSW. Während die SPD aus Sicht der CDU nur wenig Probleme verursachen dürfte, könnte eine Koalition mit dem BSW zu einer innerparteilichen Belastungsprobe werden.

Die Vorbehalte in der CDU gegen das BSW sind größer als gedacht

Auf die ungeliebten Grünen ist die CDU nicht mehr angewiesen. Doch die Absicht, stattdessen mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht Gespräche zu führen, stößt in konservativen Kreisen der CDU auf größere Vorbehalte als gedacht.

Der Unvereinbarkeitsbeschluss mit der Linkspartei und die Brandmauer zur AfD müssten, fordern sie, auch für das BSW gelten. Es wird befürchtet, dass ein Bündnis mit dem BSW die Wähler nachhaltig verärgern könnte. Der Landrat des Kreises Sächsische Schweiz/Osterzgebirge, Michael Geisler, sagte in der FAZ: „Es wäre ein Schlag ins Gesicht der Wähler, wenn wir wieder eine Mitte-links-Regierung bilden. Dann holt die AfD in fünf Jahren die absolute Mehrheit.“

Ralf Hänsel, Landrat im Kreis Meißen, hält eine Koalition aus CDU, SPD und BSW für noch kompromissbeladener als die bisherige Regierung. „Das BSW steht zu weit links und die namensgebende Person vielleicht sogar extrem weit links. Ich möchte bezweifeln, dass es so funktioniert“.

Auch wenn das BSW bei der Migrations- und Energiepolitik pragmatischer veranlagt sei als die Grünen, wolle es wie die Linken ein sozialistisches System, heißt es in einem Beschluss des CDU-Kreisvorstands Meißen. Als Ausweg bringen Kreisverband und Landräte das sogenannte Magdeburger Modell ins Spiel. Damals regierte SPD-Ministerpräsident Reinhard Höppner zwei Legislaturperioden mithilfe der SED-Nachfolgepartei PDS, nur ohne Koalitionsvertrag.

Die Landesverfassung schließt eine Minderheitsregierung nicht aus

Die Verfassung schließt eine Minderheitsregierung nicht aus. Laut Artikel 60 wird der Ministerpräsident in geheimer Wahl im ersten Wahlgang mit der Mehrheit der Mitglieder gewählt. Wenn diese Mehrheit, also 61 Abgeordnete, im ersten Wahlgang verfehlt wird, kann Ministerpräsident Michael Kretschmer in einem weiteren Wahlgang mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen wieder in die Staatskanzlei einziehen. Es würden mehr Ja- als Nein-Stimmen genügen. Enthaltungen zählten laut derzeit geltender Geschäftsordnung nicht. Anschließend beruft er seine Ministerinnen und Minister.

Für jedes Gesetzesvorhaben und vor allem für den Landeshaushalt müsste sich der Ministerpräsident fraktionsübergreifend parlamentarische Mehrheiten suchen – mit ungewissem Ausgang.

Im Idealfall haben Sachfragen Vorrang vor Koalitionstaktik

Die Befürworter glauben, dass eine Minderheitsregierung transparent und frei von Koalitionszwängen mit der Opposition über alle Gesetze und auch über den Haushalt verhandeln würde. Sachfragen hätten Vorrang, glaubt auch die Meißner CDU.

Der Politologe Hendrik Träger ist der Meinung, dass das BSW den Gesetzentwürfen der Regierung nicht ausdrücklich zustimmen müsse, sondern es würde reichen, wenn sich seine Abgeordneten ihrer Stimme enthalten würden. Dann könnten CDU und SPD auch mit einer relativen Mehrheit regieren. Doch dass sich Sahra Wagenknecht auf diese Form der Tolerierung einlassen würde, ohne selbst maßgeblichen Einfluss zu bekommen, ist wenig wahrscheinlich.

Minderheitsregierungen erfordern ein besonders vertrauensvolles Verhältnis aller Beteiligten. In einem politisch zerrissenen Land wie Sachsen klingt die Vorstellung von einem fairen Ringen um die beste Lösung aber naiv. Im Falle einer Minderheitsregierung droht zudem eine Aufwertung der AfD, wie auch Landrat Hänsel einräumt. „Das könnte natürlich heißen, dass die AfD diese CDU-Regierung toleriert. Aber irgendwann muss man ja anfangen, alle in die Verantwortung zu nehmen“, sagte er der SZ. Eine Zusammenarbeit mit der AfD lehnen aber alle Parteien im Landtag ausdrücklich ab.

Minderheitsregierungen haben einen schlechten Ruf

Minderheitsregierungen hat es unter anderem in Nordrhein-Westfalen, Berlin, Sachsen-Anhalt und zuletzt in Thüringen gegeben. Sie haben einen eher schlechten Ruf. In Thüringen ist die Zerrissenheit noch größer geworden. Sie ist die schlechteste aller Möglichkeiten, lautet auch die Bilanz des thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow.

Eine Regierung, die sich wechselnde Mehrheiten suchen muss, entsteht meist aus einer politischen Notlage heraus. Die Parteien können nicht miteinander koalieren, wollen aber Neuwahlen vermeiden. Die Folge: Der Regierungschef kann sich nicht auf eine Mehrheit und einen vorher vereinbarten Koalitionsvertrag stützen. Es drohen ein ständiges Gerangel, teure Deals und ein fortwährendes Klein-Klein statt ambitionierter Projekte.

Die Position des Ministerpräsidenten ist geschwächt, da er von verschiedenen Oppositionsfraktionen mit teils gegensätzlichen Interessen abhängig ist. Dies gilt insbesondere für den Landeshaushalt, ohne den eine Regierung nicht arbeiten kann. Eine Minderheitsregierung wäre daher stärker vom Scheitern bedroht als ein Koalitionsbündnis.

Fazit

CDU-Chef Kretschmer hat eine Minderheitsregierung bereits ausdrücklich abgelehnt. Das Experiment spielt in den Überlegungen derzeit also keine Rolle. Der Druck auf die Parteien, sich auf einen Vertrag zu einigen, ist dennoch hoch. Wenn die Koalitionsverhandlungen bis Februar scheitern, sind Neuwahlen die Konsequenz.