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Freie Wähler gewinnen Wahlkreis Leipzig Land 3: "Es war eine Wahl zwischen mir und der AfD"

Im ländlichen Raum konnten sich nur die Direktkandidaten von AfD und CDU behaupten - außer Matthias Berger von den Freien Wählern. Wie hat er das geschafft?

Von Luisa Zenker
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Matthias Berger (r) und Thomas Weidinger von den Freien Wählern haben am Abend doch noch etwas zum Freuen.
Matthias Berger (r) und Thomas Weidinger von den Freien Wählern haben am Abend doch noch etwas zum Freuen. © Luisa Zenker

Hellorange Fahnen flackern im Wind. Im Marriott Hotel an der Dresdner Staufenbergallee haben sich 60 Unterstützer der Freien Wähler zusammengefunden. Chef Thomas Weidinger bedankt sich vor der gesammelten Mannschaft. Er ist optimistisch und rechnet mit 10 Prozent der Stimmen. In Brandenburg und Rheinland-Pfalz sind die Freien Wähler im Landtag vertreten, in Bayern sogar an der Regierung beteiligt.

2019 haben die Freien Wähler 3,4 Prozent erzielt. „Wir haben uns kommunalpolitisch mehr vernetzt, haben mehr Direktkandidaten als 2019“, nennt er als Grund für seinen Optimismus. Dann überreicht Weidinger das Mikrophon an Spitzenkandidaten Matthias Berger. Er wird den Abend noch kräftig aufwühlen. Kurz vor den ersten Hochrechnungen schätzt der Grimmaer Oberbürgermeister die Chance „Fifty Fifty“. Und sagt: „Egal was wir in wenigen Minuten da sehen werden, der Weg ist das Ziel.“

Grüne: "Wer wählt die denn?"

Zehn Minuten bevor die Wahllokale schließen, wird im Hotel das Buffet eröffnet: Kartoffelsalat, Minischnitzel, Chili con Carne, für Vegetarier gibt es Käsebrötchen und Mozzarella-Sticks. Dann geht der Blick nach vorn auf die Leinwand. Es ist still in der Menge, während die ersten Hochrechnungen vorgelesen werden. Als der Balken von den Grünen auftaucht, schießt ein ärgerliches Oh durch den Raum. „Wer wählt die denn?“, fragt ein Mitglied laut.

Dann kommt der graue Balken: Sonstiges. Dort verstecken sich auch die Freien Wähler, mit vorläufigen 2,2 Prozent. Die 5-Prozent-Hürde haben sie nicht geknackt. Kein Klatschen. Die Stimmung im Raum ist leicht enttäuscht. Kurzes Schweigen, dann wird schnell weitergegessen und getrunken. Freie Wähler Chef Weidinger muss sich erstmal setzen. Enttäuscht sei er. „Wir wurden medial außen vor gelassen“, nennt er als Grund. Tatsächlich wurden die Freien Wähler in die Wahlforen der Landeszentrale für politische Bildung nicht eingeladen, die FDP dagegen schon, obwohl sie in Sachsen an einem Prozentpunkt knabbert. Die AfD-Werte „überraschen“ Weidinger nicht, und das BSW sei für ihn nicht „greifbar“. Dennoch wünsche er sich eine Koalition aus CDU, BSW und SPD. Es sei für Sachsen nicht gut, wenn die jetzige Kenia-Koalition fortgeführt werde.

„Wir haben bei den Wählern nicht genug Sicherheit erzeugt, dass wir drin sind“, resümiert zudem Spitzendkandidat Matthias Berger. Er schätzt, dass das BSW die Stimmen teilweise weggenommen hat. Den Ärger während der Wahlparty über die Stimmen der Grünen erklärt er als „Ideologen, die Ideologie durchsetzen wollen.“

„Das Zünglein an der Waage“ für die Koalitionsbildung

Spitzenkandidat Matthias Berger sorgt dann am späten Abend für Aufregung, denn er macht die Wahlkarte Sachsen im ländlichen Raum bunter. Während sich dort AfD und CDU duellieren, liegt er als einziger Kandidat der Freien Wähler im Wahlkreis Leipziger Land 3 vorn. Der Grimmaer liefert sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit AfD-Mann Jörg Dornau. „Es war eine Wahl zwischen mir und der AfD“, vermutet er den Grund. "Das war eine Personenwahl." Der 56-Jährige ist seit 23 Jahren Bürgermeister, wurde überregional bekannt mit seinem Kampf gegen die Auswirkungen der „Jahrhundertflut“. Bei der letzten Bürgermeisterwahl bekam er mehr als 85 Prozent der Stimmen.

Ob er das Mandat annehmen wird, möchte er offiziell an diesem Abend nicht bekannt geben. Zuletzt hatte der langjährige Bürgermeister angekündigt, nur als Fraktion einzuziehen. Dafür bräuchten die Freien Wähler aber eine zweite Direktstimme, die sie nicht erzielen konnten. Dennoch weicht die Stille im Raum und die Musik wird aufgedreht. Es ist das erste Direktmandat, das die Freien Wähler je erzielt haben. Berger schließt nicht aus, dass sein Sitz „das Zünglein an der Waage“ für die nächste Koalitionsbildung sein könnte.

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