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Eine Koalition mit Wagenknecht? Kretschmer reagiert zurückhaltend

Der CDU-Regierungechef will diese Debatte derzeit nicht führen. Bei einem Wahlforum mit SPD-Spitzenkandidatin Köpping geht es auch um den Rückzug von Landrat Dirk Neubauer.

Von Thilo Alexe
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Michael Kretschmer (CDU), Ministerpräsident von Sachsen, und Petra Köpping (SPD), Spitzenkandidatin der SPD für die Landtagswahl 2024 in Sachsen, bei dem Wahlforum.
Michael Kretschmer (CDU), Ministerpräsident von Sachsen, und Petra Köpping (SPD), Spitzenkandidatin der SPD für die Landtagswahl 2024 in Sachsen, bei dem Wahlforum. © Sebastian Willnow/dpa

Sie sind keine Gegner. Vor Beginn der Diskussionsrunde geht Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) erstmal an den kleinen Tresen und holt sich und SPD-Spitzenkandidatin Petra Köpping eine Limo. Faire Geste. Kretschmer und Köpping treffen zwar regelmäßig dienstags im Kabinett aufeinander. Premiere ist für beide jedoch die Diskussion im Sachsen Fernsehen, das den Regierungschef und seine Herausforderin in die Höfe am Brühl nach Leipzig lud.

Die 90 Minuten vom Samstag sind interessant, weil sie einen Einblick geben, wie die beiden ticken. Wie sie miteinander umgehen. Kretschmer etwa warnt vor der Viertagewoche. Das bisherige Arbeitspensum sei nötig. Um Wohlstand zu sichern. Nicht um vier Mal im Jahr nach Mallorca zu fliegen. Sondern um Segnungen wie das Gratisstudium zu erhalten. Gegen ein Gratisstudium kann eine Sozialdemokratin wie Köpping ja nichts einwenden.

Dennoch setzt die Sozialministerin einen Konter. Sie debattiere oft mit ihrem Sohn, sagt sie, der Zukunftsforscher sei. Junge Menschen, sage er, wollten nicht weniger arbeiten, aber flexibler sein. Wieso könne man nicht gehen, wenn eine Aufgabe nach sechs Stunden erledigt ist? Köpping plädiert für ein Lebenszeitmodell, in dem Beschäftigte mal mehr, mal weniger arbeiten – weniger etwa dann, wenn jemand einen Angehörigen pflegt.

So geht das Hin und Her. In Nuancen widersprechen sich die beiden. Manchmal sticheln sie, aber ohne Boshaftigkeit. Moderator Jan Kaufhold spielt auf ein SPD-Plakat an, das Köpping als „starke Frau“ neben Kretschmer zeigt. „Sind sie seine Arbeitsehefrau?“, will er wissen. Köpping kalauert: „Der Trend geht zum jüngeren Mann.“

Die beiden brauchen sich. Die Sachsen-SPD hat unter den CDU-Regierungschefs Georg Milbradt und Stanislaw Tillich Kabinettserfahrung gesammelt. Kretschmer regiert ununterbrochen mit ihr. Bis 2019 in einem Zweierbündnis, seither in einer Dreierkonstellation mit den Grünen. Auch nach der Wahl dürfte die CDU auf den etablierten Juniorpartner angewiesen sein, der in Umfragen zwischen mageren fünf und sieben Prozent schwankt. Und die SPD auf die CDU.

Köpping: Neubauers Rücktritt ist "sehr, sehr traurig"

So verwundert es nicht, dass sich Köpping und Kretschmer für ähnliche Konzepte zum Erhalt der Krankenhäuser – regionale Abstimmungen, Übernahme ambulanter Aufgaben, neue Vergütungsregelungen durch den Bund – stark machen. „Das bringt die Menschen total in Aufruhr“, sagt Kretschmer und meint damit Nachrichten über drohende Schließungen. Wie bislang in den Breitbandausbau müsse nun in das Gesundheitssystem investiert werden.

Nicht einmal bei der Skepsis zu Cannabisfreigabe werden große Unterschiede deutlich. Köpping weiß um das konservative Sachsen. Kretschmer begrüßt eine Interviewaussage von Friedrich Merz, der das Gesetz kassieren will, sollte die CDU im Bund regieren: „Ich hoffe, dass er schnell Kanzler wird.“ Köpping betont noch sozialdemokratisch typisch die Stärkung der Prävention, kann sich aber immerhin den Hinweis nicht verkneifen, dass Alkohol das größere Problem sei.

Die Sozialministerin will die Zuzahlungen für Bewohner der rund 700 sächsischen Pflegeheime begrenzen. Bei Corona plädieren beide für eine Aufarbeitung, Kretschmer hält Schulschließungen und die sektorale Impfpflicht im Nachhinein für einen Fehler. Einen „Prozess der Versöhnung“ müsse man in der kommenden Legislatur starten. Köpping hält Populisten entgegen, dass in Sachsen 17.000 Menschen an Corona gestorben seien. Doch auch sie will Aufarbeitung, keine „Abrechnung“.

Am deutlichsten werden Unterschiede beim Thema Schulden. Kretschmer sieht in der Lockerung der sächsischen Schuldenbremse nicht die Lösung hiesiger Probleme. Als Ausweg regt er Sondervermögen des Bundes etwa für Bahn und kommunale Infrastruktur an, die freilich nur dann wirkungsvoll seien, wenn man „diese grünen Ideologen beiseite schiebt“. Köpping will auch in Sachsen Schulden machen können. Das Geld soll in öffentliche Investitionen fließen.

Interessant: Als Kretschmer nach dem angekündigten Rücktritt von Landrat Dirk Neubauer gefragt wird, vermeidet er es, konkret auf den Fall einzugehen. Offenbar will er das Thema nicht zu hoch hängen. Generell spricht der Regierungschef davon, dass Probleme wie etwa Migration gelöst werden müssten, um Rechtspopulisten den Nährboden zu entziehen. Mit ihm wird es keine Fundamentalopposition geben, sagt Kretschmer mit Blick auf die Bundesregierung. Köpping hebt hervor, der Rückzug Neubauers habe sie sehr traurig gemacht.

Kretschmers Dauerkritik an der Ampel setzt die Sozialdemokratin eine Positivbotschaft entgegen. Ostdeutschland sei bei Investoren beliebt, „weil hier noch etwas zu bewegen ist“. Bleibt die Frage: Wie geht es nach dem Wahltag am 1. September weiter? Kretschmer: „Wir brauchen bei dieser Wahl eine strategische Mehrheit von Menschen, die dieses Land lieben.“ Als er aus dem Publikum nach einer Koalition mit Sahra Wagenknechts BSW gefragt wird, reagiert der CDU-Chef zurückhaltend. Er kenne die Leute dort nicht und habe Sorge, dass deren Landespolitik aus Berlin gesteuert werde. Doch bis zur Wahl gehe es ohnehin darum, um eigene Inhalte zu werben.