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Sachsen

Blitz-Analyse der Forschungsgruppe Wahlen: Was hinter den Ergebnissen der Landtagswahl steckt

Was schätzen die Sachsen an der CDU und ist die AfD wirklich noch eine Denkzettel-Partei? Die Forschungsgruppe Wahlen hat in Sachsens Wahllokalen nach den Hintergründen der Entscheidungen gefragt.

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Die Forschungsgruppe Wahlen hat in Sachsen Wählerinnen und Wähler zu ihrer Entscheidung befragt.
Die Forschungsgruppe Wahlen hat in Sachsen Wählerinnen und Wähler zu ihrer Entscheidung befragt. © dpa

Dresden. Sachsen hat gewählt und die CDU hat nach derzeitigem Stand die Wahl knapp vor der AfD gewonnen. Die Forschungsgruppe Wahlen hat Wählerinnen und Wähler nach dem Gang in das Wahllokal nach den Hintergründen ihrer Wahlentscheidung gefragt. Das sind die ersten Erkenntnisse.

CDU überzeugt mit ihrem Zugpferd Kretschmer

Das Kopf-an-Kopf-Rennen von CDU und AfD in Sachsen wir auch kurz nach 19 Uhr noch zur Zitterpartie. Da lag die Union in den Hochrechnungen noch ganz knapp vorn. Punkten kann die CDU dabei vor allem mit ihrem Spitzenkandidaten. Allerdings hat er ein wenig an seiner Strahlkraft offenbar verloren. Beim Ansehen auf der +5/-5-Skala mit positiven 1,7 (2019: 2,3), bescheinigen 72 Prozent dem Ministerpräsidenten gute Arbeit. Das geht aus Zahlen der Forschungsgruppe Wahlen (Mannheim) hervor. Sie basieren auf einer Umfrage unter 1.337 zufällig ausgewählten Wahlberechtigten in Sachsen in den Tagen vor der Wahl (telefonisch/online) sowie auf der Befragung von 18.137 Wählerinnen und Wählern. Letztlich wollen 65 Prozent Kretschmer als Regierungschef, nur 23 Prozent sind hier für AfD-Landeschef Jörg Urban. Er hat mit minus 1,1 (2019: minus 0,8) ein deutliches Negativimage; allerdings polarisiert Urban im Freistaat weniger scharf als etwa Björn Höcke in Thüringen oder AfD-Bundeschefin Alice Weidel im Bund.

AfD nicht in Regierung erwünscht

Auch wenn die AfD in Sachsen weniger kritisch gesehen wird als in allen anderen Bundesländern, wird eine Beteiligung dieser Partei an der nächsten Regierung abgelehnt (gut/schlecht/egal: 37/57/4 Prozent). Beim BSW gehen die Meinungen hier auseinander (Beteiligung gut/schlecht/egal:

38/34/20 Prozent). Eine klare Aussage gibt es in diesem Punkt: Wenn die Sachsen die Wahl hätten, ob die CDU oder die AfD die nächste Regierung anführen soll, sprechen sich 64 Prozent aller Sachsen für die CDU aus und nur 31 Prozent für die AfD.

AfD und BSW: Erfolg ohne viel eigenes Zutun

Wenn auch weniger überzeugend als in früheren Jahren, basiert das CDU-Ergebnis auf einem Mix aus starkem Spitzenkandidaten, Sachkompetenz und dem Wunsch nach CDU-Regierungsführung. AfD und BSW zeigen wenig eigene Qualitäten. Neben den Themen Flüchtlinge bzw. Ukraine/Russland profitieren beide von Rekord-Unzufriedenheit mit der Ampel und Defiziten der CDU/CSU-Opposition im Bund. Speziell im AfD-Lager gibt es auch hohe Distanz zur etablierten Politik im Freistaat. Unter allen Sachsen gilt die AfD für 54 Prozent als Gefahr für die Demokratie; eine AfD-Regierungsverantwortung wird abgelehnt.

Das ist der Hauptgrund, AfD zu wählen

Hauptgrund, AfD zu wählen ist nicht mehr der Wunsch, einen „Denkzettel“ zu verpassen. So denken nur noch 27 Prozent (2019 waren es noch 51 Prozent). Vielmehr wird die AfD jetzt von 71 Prozent wegen ihrer politischen Forderungen gewählt. Das ist gegenüber 2019 ein deutlicher Anstieg, damals sagten das nur 45 Prozent.

Top-Thema der AfD-Wähler

Das wichtigste Thema für AfD-Wähler ist „Flüchtlinge/Asyl“. Für 70 Prozent aller Befragten (2019 waren es noch 36 Prozent) kann „Sachsen die vielen Flüchtlinge nicht verkraften“. Für 64 Prozent wird „zu viel“ für Flüchtlinge getan – darunter 93 Prozent im AfD-Lager, wo sich viele im eigenen Leben benachteiligt fühlen. Auch im Bereich „Ausländer/Asyl“ setzen mehr Wähler auf die AfD als auf die CDU.

CDU punktet bei Kernkompetenzen

Wählerinnen und Wähler sehen die Union bei „Bildung“, „Zukunft“ und „Wirtschaft“ vorn. Und die Sorge ist deutlich messbar: Wenn die AfD mit an der Regierung wäre, befürchten 51 Prozent negative Konsequenzen für den Wirtschaftsstandort Sachsen. Schwaches Ergebnis, schwache Kernkompetenzen: Die SPD punktet nur mit „sozialer Gerechtigkeit“, doch bei allen anderen Parteikompetenzen bleibt sie genau wie Linke, Grüne oder BSW eher schwach.

Welche Partei ist wie beliebt?

Beim Parteiansehen im land rangiert die CDU (+5/-5-Skala: 1,3) weit vor BSW (minus 0,3), SPD (minus 0,6) und Linke (minus 1,3). Die AfD (minus 1,1) liegt vor den Grünen (minus 2,1), die beim Image einbrechen. Für 89 Prozent liegt deren schwache Sachsen-Performance aber primär an „den Grünen im Bund“. Während Bundeskanzler Scholz (minus 1,7) sehr kritisch und die Bundesregierung (minus 2,1) so schlecht bewertet wird wie noch nie bei einer Landtagswahl, ist „die Politik der Ampel“ für 80 Prozent ein Grund für die AfD-Stärke. Allerdings wäre die AfD für 68 Prozent auch weniger stark, „wenn die CDU/CSU im Bund bessere Politik machen würde“.

Wer wählte wen - Gender-Gap und Altersgefälle:

Die AfD ist bei Männern noch deutlich stärker als bei Frauen (36 bzw. 26 Prozent). Äußerst erfolgreich rekrutiert die vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestufte AfD zudem bei allen unter 60-Jährigen mit niedrigeren Schulabschlüssen. Unter allen Wähler/innen mit Hochschulabschluss kommt die AfD nur auf 16 Prozent. Alarmierend müsste es für die CDU sein, dass sie bei den ab 60-Jährigen zwar CDU 42 Prozent holt, bei den unter 30-Jährigen aber nur 15 Prozent. AfD und BSW holen in der Gruppe der unter 30-Jährigen 30 bzw. zehn Prozent. Linke, SPD und Grüne liegen hier etwas über dem Schnitt (13, neun bzw. neun Prozent).